Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.nahm der elsässische Landmann regen Antheil an denselben; aber sie trugen Und wie es um den "finstern Groll" der männlichen Jugend steht, das nahm der elsässische Landmann regen Antheil an denselben; aber sie trugen Und wie es um den „finstern Groll" der männlichen Jugend steht, das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134576"/> <p xml:id="ID_697" prev="#ID_696"> nahm der elsässische Landmann regen Antheil an denselben; aber sie trugen<lb/> von A bis Z den Stempel des von deutschen Beamten künstlich Gemachtem.<lb/> Im vorliegenden Falle hatte sich das Beamtenthum möglichst zurückgehalten,<lb/> die Hauptsache lag in den Händen wirklicher Elsässer, und siehe da, der Er¬<lb/> folg war ein vollständiger. Eine Lust war es, zu sehen, wie ungezwungen<lb/> das eingeborne und das eingewanderte Element sich unter einander mischten;<lb/> vergebens suchte ich auf den Gesichtern der zahlreich herbeigeströmten Land¬<lb/> bevölkerung nach einem Anzeichen jenes tiefen Wehs, welches ihr nach der<lb/> Versicherung der Pariser Presse noch immer an der Seele nagen soll. Mäd¬<lb/> chengestalten wie jenes wunderbare Weib mit den feingeschnittenen Zügen,<lb/> dem edeln Profil und den großen dunkeln Augen, das man nicht allein in<lb/> allen französischen, sondern auch in den Berliner Bilderläden zu sehen ge¬<lb/> wohnt ist, waren in den reizenden Anlagen der Straßburger Orangerie reich¬<lb/> lich zu sehen; aber weder trugen sie die Tricolore im Haar, noch schwebte<lb/> ihnen das schwermüthige „^'g-ttenäs" auf den frischrothen Lippen.</p><lb/> <p xml:id="ID_698" next="#ID_699"> Und wie es um den „finstern Groll" der männlichen Jugend steht, das<lb/> wissen wir längst aus den ärgerlichen Berichten der französischen Blätter über<lb/> die Fröhlichkeit, welche bei den elsässischen Recrutenaushebungen zu herrschen<lb/> pflegt. Der Militärdienst, weit entfernt, eine steigende Erbitterung verur¬<lb/> sacht zu haben, hat sich im Gegentheil als ein vortreffliches Germanisirungs-<lb/> mittel erwiesen. Ueber die Tüchtigkeit, Willigkeit und Anstelligkeit der clsässi'<lb/> schen Soldaten kann man von Offizieren, die mit ihnen zu thun hatten, viel<lb/> Lob hören. Aber auch die Rückwirkung auf die ältere Generation daheim<lb/> macht sich schon bemerkbar. So erzählte mir ein seit Jahrzehnten im Elsaß<lb/> wohnender und die Dinge mit nüchternem Blick beobachtender Freund von<lb/> einem Bauern, dessen Sohn soeben in Köln seine drei Jahre abgedient hatte.<lb/> Der, Alte hatte ihn lange Zeit über natürlich nicht gern entbehrt, aber er<lb/> gestand das mit schmunzelnder Miene, daß der Junge, der mit großer Lust<lb/> und Liebe Soldat war, bei jedem Urlaubsbesuch, „schöner" gewesen sei, und<lb/> nicht weniger stolz war der glückliche Vater darauf, daß der Sohn einmal bei<lb/> einem solchen Besuch von einem höheren Offizier, bei welchem er Bursch war,<lb/> einen Brief erhalten hatte mit der Bitte, bald wiederzukommen, man könne<lb/> ihn nicht entbehren. — Kurz, das deutsche Blut verlangt seine Rechte; das<lb/> werden alle Lamentationen der ganzen und halben Protestler nicht verhindern.<lb/> Bei den hochmüthigen Tiraden dieser Leute fällt mir immer jener schwäbische<lb/> Schneidergesell ein, der den Straßburgern vom Jahre 70 erinnerlich ist.<lb/> Dieser wackere Mann saß während der Belagerung in einer Kneipe, als plötz¬<lb/> lich zum allgemeinen Entsetzen die erste Bombe in die Stadt schlug. „So",<lb/> rief er fröhlich seinen Tischgenossen zu, „nun werden wir's schon kriegen!"<lb/> Die unmittelbare Folge war seine Verhaftung. Am nächsten Tage wurde er</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0230]
nahm der elsässische Landmann regen Antheil an denselben; aber sie trugen
von A bis Z den Stempel des von deutschen Beamten künstlich Gemachtem.
Im vorliegenden Falle hatte sich das Beamtenthum möglichst zurückgehalten,
die Hauptsache lag in den Händen wirklicher Elsässer, und siehe da, der Er¬
folg war ein vollständiger. Eine Lust war es, zu sehen, wie ungezwungen
das eingeborne und das eingewanderte Element sich unter einander mischten;
vergebens suchte ich auf den Gesichtern der zahlreich herbeigeströmten Land¬
bevölkerung nach einem Anzeichen jenes tiefen Wehs, welches ihr nach der
Versicherung der Pariser Presse noch immer an der Seele nagen soll. Mäd¬
chengestalten wie jenes wunderbare Weib mit den feingeschnittenen Zügen,
dem edeln Profil und den großen dunkeln Augen, das man nicht allein in
allen französischen, sondern auch in den Berliner Bilderläden zu sehen ge¬
wohnt ist, waren in den reizenden Anlagen der Straßburger Orangerie reich¬
lich zu sehen; aber weder trugen sie die Tricolore im Haar, noch schwebte
ihnen das schwermüthige „^'g-ttenäs" auf den frischrothen Lippen.
Und wie es um den „finstern Groll" der männlichen Jugend steht, das
wissen wir längst aus den ärgerlichen Berichten der französischen Blätter über
die Fröhlichkeit, welche bei den elsässischen Recrutenaushebungen zu herrschen
pflegt. Der Militärdienst, weit entfernt, eine steigende Erbitterung verur¬
sacht zu haben, hat sich im Gegentheil als ein vortreffliches Germanisirungs-
mittel erwiesen. Ueber die Tüchtigkeit, Willigkeit und Anstelligkeit der clsässi'
schen Soldaten kann man von Offizieren, die mit ihnen zu thun hatten, viel
Lob hören. Aber auch die Rückwirkung auf die ältere Generation daheim
macht sich schon bemerkbar. So erzählte mir ein seit Jahrzehnten im Elsaß
wohnender und die Dinge mit nüchternem Blick beobachtender Freund von
einem Bauern, dessen Sohn soeben in Köln seine drei Jahre abgedient hatte.
Der, Alte hatte ihn lange Zeit über natürlich nicht gern entbehrt, aber er
gestand das mit schmunzelnder Miene, daß der Junge, der mit großer Lust
und Liebe Soldat war, bei jedem Urlaubsbesuch, „schöner" gewesen sei, und
nicht weniger stolz war der glückliche Vater darauf, daß der Sohn einmal bei
einem solchen Besuch von einem höheren Offizier, bei welchem er Bursch war,
einen Brief erhalten hatte mit der Bitte, bald wiederzukommen, man könne
ihn nicht entbehren. — Kurz, das deutsche Blut verlangt seine Rechte; das
werden alle Lamentationen der ganzen und halben Protestler nicht verhindern.
Bei den hochmüthigen Tiraden dieser Leute fällt mir immer jener schwäbische
Schneidergesell ein, der den Straßburgern vom Jahre 70 erinnerlich ist.
Dieser wackere Mann saß während der Belagerung in einer Kneipe, als plötz¬
lich zum allgemeinen Entsetzen die erste Bombe in die Stadt schlug. „So",
rief er fröhlich seinen Tischgenossen zu, „nun werden wir's schon kriegen!"
Die unmittelbare Folge war seine Verhaftung. Am nächsten Tage wurde er
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