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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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den, durch ungewöhnliche Kraft seiner Beredtsamkeit. berühmten Mann zu
hören, und auch Theodosius beabsichtigte eine Unterredung mit ihm, doch
gewiß mehr, um ihn zu gewinnen als sich von ihm gewinnen zu lassen. Zu
demselben Zweck beschloß der Kaiser den ehrwürdigen Ulfilas herbeizurufen.

Eine an sich wenigbedeutende Spaltung unter den hauptstädtischen Gothen,
mit denen er eine Besprechung abhalten sollte, bot dazu eine geeignete Ver¬
anlassung. Gelang es den allverehrten Oberhirten des Gothenvolkes mit der
neuen nicänischen Strömung der Regierungspolitik zu versöhnen, so war Alles
gewonnen. Doch wußte Theodosius von diesem Manne wohl wenig mehr,
als daß er zu früheren Beherrschern des Reichs in wichtigen Beziehungen
gestanden hatte. Wäre ihm die Gesinnung desselben bekannt, wäre er dar¬
über unterrichtet gewesen, daß die Arianer die Ankunft dieses durch Apostel-
und Confessorenruhm geheiligten Mannes zu einem Triumphzug ihres Glau¬
bens zu machen gedachten, so hätte er ihn schwerlich nach Constantinopel ge¬
laden. Ulfilas. besorgt, es möchten die unter seinen Volksgenossen ausbre¬
chenden Irrlehren den Frieden seiner Gemeinde stören, folgte, von seinem
Anhange begleitet, eilig dem kaiserlichen Rufe. Doch gleich nachdem er die
Hauptstadt betreten hatte, erkrankte er und wieder alles Erwarten rasch er¬
eilte ihn der Tod.") Noch kurz vor seinem Ende theilte er seinen Freunden,
die ängstlich ihn umstanden, die Grundzüge seines Glaubens mit, als Ver¬
mächtnis für sein Volk, damit es in der reinen Lehre der heiligen Schrift
erhalten werde. In feierlichem Gepränge geleitet von Bischöfen, Priestern
und einer großen Menge der Arianer wurde seine Leiche zu Grabe getragen.

Das Verdienst des Mannes brachte auf einen Augenblick den Parteihaß
zum Schwelgen und in einer den Genossen des Verstorbenen gewährten
Audienz erklärte sich der Kaiser bereit ein Concil zu berufen, auf dem über
die streitigen Sätze verhandelt werden sollte. Das reizte die nicänisch Ge¬
sinnten, an ihrer Spitze die Kaiserin zu erneuten Anstrengungen für ihr Be¬
kenntnis. Diesen Bemühungen kam ein anderer unvorhergesehener Umstand
on Hilfe. Fritigern war am Schluß des Jahres 380 gestorben und Atha-
narich iMte nun keinen Nebenbuhler mehr. Trotzdem zog er es vor sein
Kindliches Verhältnis zum römischen Reiche aufzugeben und Theodusias wußte



') In den ersten Tagen des Jahres 381. So die Annahme Bessell's, D.e,C°nMu-des¬
selben, die ! zi.gTe Lü/o im Berichte des Aurentins mit dem Namen e^.,roy°to^ aus¬
zufüllen, ist von Krafft widerlegt. S. auch die ^n°t,"ti°n°s des Valestus zu Sol a es V 2.
Sie ist aber für die Bestimmung von Ulfilas' Tode ohne Bedeutung. V.cloche durste gelesen
werden p^os Wenn Krafft 383 als Todesjahr annimmt in welchem noch em
Concil mit Arien-rü stattfand so bleibt unerklärt, wie nach der Schlufzbcmerkung des Max>-
minus in der von WM entzifferten pariser Randschrift die Begleiter des Ulfilas bei ihrer An¬
kunft in Konstantinopel erst um ein Concil bitten konnten. Völlig unhaltbar ist die Annahme
von Waitz, der den Ulfilas 388 sterben läßt.

den, durch ungewöhnliche Kraft seiner Beredtsamkeit. berühmten Mann zu
hören, und auch Theodosius beabsichtigte eine Unterredung mit ihm, doch
gewiß mehr, um ihn zu gewinnen als sich von ihm gewinnen zu lassen. Zu
demselben Zweck beschloß der Kaiser den ehrwürdigen Ulfilas herbeizurufen.

Eine an sich wenigbedeutende Spaltung unter den hauptstädtischen Gothen,
mit denen er eine Besprechung abhalten sollte, bot dazu eine geeignete Ver¬
anlassung. Gelang es den allverehrten Oberhirten des Gothenvolkes mit der
neuen nicänischen Strömung der Regierungspolitik zu versöhnen, so war Alles
gewonnen. Doch wußte Theodosius von diesem Manne wohl wenig mehr,
als daß er zu früheren Beherrschern des Reichs in wichtigen Beziehungen
gestanden hatte. Wäre ihm die Gesinnung desselben bekannt, wäre er dar¬
über unterrichtet gewesen, daß die Arianer die Ankunft dieses durch Apostel-
und Confessorenruhm geheiligten Mannes zu einem Triumphzug ihres Glau¬
bens zu machen gedachten, so hätte er ihn schwerlich nach Constantinopel ge¬
laden. Ulfilas. besorgt, es möchten die unter seinen Volksgenossen ausbre¬
chenden Irrlehren den Frieden seiner Gemeinde stören, folgte, von seinem
Anhange begleitet, eilig dem kaiserlichen Rufe. Doch gleich nachdem er die
Hauptstadt betreten hatte, erkrankte er und wieder alles Erwarten rasch er¬
eilte ihn der Tod.") Noch kurz vor seinem Ende theilte er seinen Freunden,
die ängstlich ihn umstanden, die Grundzüge seines Glaubens mit, als Ver¬
mächtnis für sein Volk, damit es in der reinen Lehre der heiligen Schrift
erhalten werde. In feierlichem Gepränge geleitet von Bischöfen, Priestern
und einer großen Menge der Arianer wurde seine Leiche zu Grabe getragen.

Das Verdienst des Mannes brachte auf einen Augenblick den Parteihaß
zum Schwelgen und in einer den Genossen des Verstorbenen gewährten
Audienz erklärte sich der Kaiser bereit ein Concil zu berufen, auf dem über
die streitigen Sätze verhandelt werden sollte. Das reizte die nicänisch Ge¬
sinnten, an ihrer Spitze die Kaiserin zu erneuten Anstrengungen für ihr Be¬
kenntnis. Diesen Bemühungen kam ein anderer unvorhergesehener Umstand
on Hilfe. Fritigern war am Schluß des Jahres 380 gestorben und Atha-
narich iMte nun keinen Nebenbuhler mehr. Trotzdem zog er es vor sein
Kindliches Verhältnis zum römischen Reiche aufzugeben und Theodusias wußte



') In den ersten Tagen des Jahres 381. So die Annahme Bessell's, D.e,C°nMu-des¬
selben, die ! zi.gTe Lü/o im Berichte des Aurentins mit dem Namen e^.,roy°to^ aus¬
zufüllen, ist von Krafft widerlegt. S. auch die ^n°t,»ti°n°s des Valestus zu Sol a es V 2.
Sie ist aber für die Bestimmung von Ulfilas' Tode ohne Bedeutung. V.cloche durste gelesen
werden p^os Wenn Krafft 383 als Todesjahr annimmt in welchem noch em
Concil mit Arien-rü stattfand so bleibt unerklärt, wie nach der Schlufzbcmerkung des Max>-
minus in der von WM entzifferten pariser Randschrift die Begleiter des Ulfilas bei ihrer An¬
kunft in Konstantinopel erst um ein Concil bitten konnten. Völlig unhaltbar ist die Annahme
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[0023] den, durch ungewöhnliche Kraft seiner Beredtsamkeit. berühmten Mann zu hören, und auch Theodosius beabsichtigte eine Unterredung mit ihm, doch gewiß mehr, um ihn zu gewinnen als sich von ihm gewinnen zu lassen. Zu demselben Zweck beschloß der Kaiser den ehrwürdigen Ulfilas herbeizurufen. Eine an sich wenigbedeutende Spaltung unter den hauptstädtischen Gothen, mit denen er eine Besprechung abhalten sollte, bot dazu eine geeignete Ver¬ anlassung. Gelang es den allverehrten Oberhirten des Gothenvolkes mit der neuen nicänischen Strömung der Regierungspolitik zu versöhnen, so war Alles gewonnen. Doch wußte Theodosius von diesem Manne wohl wenig mehr, als daß er zu früheren Beherrschern des Reichs in wichtigen Beziehungen gestanden hatte. Wäre ihm die Gesinnung desselben bekannt, wäre er dar¬ über unterrichtet gewesen, daß die Arianer die Ankunft dieses durch Apostel- und Confessorenruhm geheiligten Mannes zu einem Triumphzug ihres Glau¬ bens zu machen gedachten, so hätte er ihn schwerlich nach Constantinopel ge¬ laden. Ulfilas. besorgt, es möchten die unter seinen Volksgenossen ausbre¬ chenden Irrlehren den Frieden seiner Gemeinde stören, folgte, von seinem Anhange begleitet, eilig dem kaiserlichen Rufe. Doch gleich nachdem er die Hauptstadt betreten hatte, erkrankte er und wieder alles Erwarten rasch er¬ eilte ihn der Tod.") Noch kurz vor seinem Ende theilte er seinen Freunden, die ängstlich ihn umstanden, die Grundzüge seines Glaubens mit, als Ver¬ mächtnis für sein Volk, damit es in der reinen Lehre der heiligen Schrift erhalten werde. In feierlichem Gepränge geleitet von Bischöfen, Priestern und einer großen Menge der Arianer wurde seine Leiche zu Grabe getragen. Das Verdienst des Mannes brachte auf einen Augenblick den Parteihaß zum Schwelgen und in einer den Genossen des Verstorbenen gewährten Audienz erklärte sich der Kaiser bereit ein Concil zu berufen, auf dem über die streitigen Sätze verhandelt werden sollte. Das reizte die nicänisch Ge¬ sinnten, an ihrer Spitze die Kaiserin zu erneuten Anstrengungen für ihr Be¬ kenntnis. Diesen Bemühungen kam ein anderer unvorhergesehener Umstand on Hilfe. Fritigern war am Schluß des Jahres 380 gestorben und Atha- narich iMte nun keinen Nebenbuhler mehr. Trotzdem zog er es vor sein Kindliches Verhältnis zum römischen Reiche aufzugeben und Theodusias wußte ') In den ersten Tagen des Jahres 381. So die Annahme Bessell's, D.e,C°nMu-des¬ selben, die ! zi.gTe Lü/o im Berichte des Aurentins mit dem Namen e^.,roy°to^ aus¬ zufüllen, ist von Krafft widerlegt. S. auch die ^n°t,»ti°n°s des Valestus zu Sol a es V 2. Sie ist aber für die Bestimmung von Ulfilas' Tode ohne Bedeutung. V.cloche durste gelesen werden p^os Wenn Krafft 383 als Todesjahr annimmt in welchem noch em Concil mit Arien-rü stattfand so bleibt unerklärt, wie nach der Schlufzbcmerkung des Max>- minus in der von WM entzifferten pariser Randschrift die Begleiter des Ulfilas bei ihrer An¬ kunft in Konstantinopel erst um ein Concil bitten konnten. Völlig unhaltbar ist die Annahme von Waitz, der den Ulfilas 388 sterben läßt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/23>, abgerufen am 22.07.2024.