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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Ernte kümmerlich von den Früchten der Wälder und in der Asche gebratenen
Maiskolben. Vielleicht hat er auch ein paar Hammel, in welchem Falle er
schon zu den Wohlhabenden gerechnet wird. Kommt nun die Zeit der Ernte,
so steht es ganz im Belieben des Begs, dessen Land er gepflügt und besät
hat, ob er selbst, der Bauer, oder der Beg. der Grundherr, das Gewachsene
hineinbringen soll. Vergleicht sich der Bauer mit dem Beg, leistet er diesem
eine Abgabe von der Ernte, welche dessen Ansprüchen genügt, so kann er sich
den Rest nach Hause schaffen und hat nun bei der außerordentlichen
Fruchtbarkeit des beinahe jungfräulichen Bodens und bei seiner unglaublichen
Mäßigkeit bis zum nächsten Sommer die nöthige Atzung. Gelingt es ihm
aber nicht, sich mit dem Beg zu verständigen, so erklärt dieser einfach, daß
der Grund und Boden, auf dem des Bauern Waizen. Mais oder Tabak
gewachsen, ihm, dem muslimischen Herrn, gehöre, und daß der verfluchte Giaur
denselben ohne jede Erlaubniß bebaut habe, und läßt die Ernte durch seine
Diener heimführen.

Zuweilen kommen aber auch noch andere abscheuliche Verhältnisse ins
Spiel. Die böhmischen Muslime machen von ihrem Rechte, sich mehrere
Frauen anzuschaffen, nicht immer und dann nur einen sehr mäßigen Gebrauch.
Sie sind eben keine Türken oder Araber, sondern, wie bemerkt, muhamedanische
Slaven, und finden schwerer die nöthige echt orientalische Gelassenheit, die man
bedarf, um es mit mehr als einem Weibe auszuhalten. Aber die Bauern,
die verachteten Mauren, haben oft hübsche Weiber und erwachsene Töchter,
die nicht übel sind, und der Beg -- ist der Herr ! Das giebt -dann Meinungs¬
verschiedenheiten, und aus diesen entwickeln sich nicht selten Scenen wie die,
welche der Verfasser während seines Aufenthalts in Livno erlebte. Derselbe
erzählt:

"Der österreichische Consular-Agent in Livno war, wie mir bekannt, nach
Mostar gereist, und der Mudir, die höchste obrigkeitliche Person in jener
Stadt, hatte mir Tags zuvor durch einen Diener Mahmud Firdus Begs
seinen Gruß entbieten lassen und mich eingeladen, ihn zu besuchen. Seit mehr
als einer halben Stunde schon zeigte sich uns im Süden der Ebene auf einem
Hügel, der wie ein Vorgebirge in dieselbe hineinragte, das alte verfallene
Kastell, um welches herum die Stadt Livno liegt. Wir mußten einen kleinen
Umweg machen, weil gerade vor uns eine zahlreiche Heerde von riesigen
Büffeln weidete, durch welche zu reiten sehr bedenklich gewesen wäre. Als wir
in einem kleinen Halbkreise um dieselbe herum geritten waren, befanden wir
uns auch am Fuße der Anhöhe und unmittelbar vor den ersten erbärmlich
gebauten Häusern der Stadt. Mahmud Firdus Beg stemmte das Pfeifenrohr
auf den rechten Schenkel und stieß seinem Pferde die scharfen kellerartigen
Bügel in die Weichen. Ein Türke reitet in eine Stadt nie anders als


Ernte kümmerlich von den Früchten der Wälder und in der Asche gebratenen
Maiskolben. Vielleicht hat er auch ein paar Hammel, in welchem Falle er
schon zu den Wohlhabenden gerechnet wird. Kommt nun die Zeit der Ernte,
so steht es ganz im Belieben des Begs, dessen Land er gepflügt und besät
hat, ob er selbst, der Bauer, oder der Beg. der Grundherr, das Gewachsene
hineinbringen soll. Vergleicht sich der Bauer mit dem Beg, leistet er diesem
eine Abgabe von der Ernte, welche dessen Ansprüchen genügt, so kann er sich
den Rest nach Hause schaffen und hat nun bei der außerordentlichen
Fruchtbarkeit des beinahe jungfräulichen Bodens und bei seiner unglaublichen
Mäßigkeit bis zum nächsten Sommer die nöthige Atzung. Gelingt es ihm
aber nicht, sich mit dem Beg zu verständigen, so erklärt dieser einfach, daß
der Grund und Boden, auf dem des Bauern Waizen. Mais oder Tabak
gewachsen, ihm, dem muslimischen Herrn, gehöre, und daß der verfluchte Giaur
denselben ohne jede Erlaubniß bebaut habe, und läßt die Ernte durch seine
Diener heimführen.

Zuweilen kommen aber auch noch andere abscheuliche Verhältnisse ins
Spiel. Die böhmischen Muslime machen von ihrem Rechte, sich mehrere
Frauen anzuschaffen, nicht immer und dann nur einen sehr mäßigen Gebrauch.
Sie sind eben keine Türken oder Araber, sondern, wie bemerkt, muhamedanische
Slaven, und finden schwerer die nöthige echt orientalische Gelassenheit, die man
bedarf, um es mit mehr als einem Weibe auszuhalten. Aber die Bauern,
die verachteten Mauren, haben oft hübsche Weiber und erwachsene Töchter,
die nicht übel sind, und der Beg — ist der Herr ! Das giebt -dann Meinungs¬
verschiedenheiten, und aus diesen entwickeln sich nicht selten Scenen wie die,
welche der Verfasser während seines Aufenthalts in Livno erlebte. Derselbe
erzählt:

„Der österreichische Consular-Agent in Livno war, wie mir bekannt, nach
Mostar gereist, und der Mudir, die höchste obrigkeitliche Person in jener
Stadt, hatte mir Tags zuvor durch einen Diener Mahmud Firdus Begs
seinen Gruß entbieten lassen und mich eingeladen, ihn zu besuchen. Seit mehr
als einer halben Stunde schon zeigte sich uns im Süden der Ebene auf einem
Hügel, der wie ein Vorgebirge in dieselbe hineinragte, das alte verfallene
Kastell, um welches herum die Stadt Livno liegt. Wir mußten einen kleinen
Umweg machen, weil gerade vor uns eine zahlreiche Heerde von riesigen
Büffeln weidete, durch welche zu reiten sehr bedenklich gewesen wäre. Als wir
in einem kleinen Halbkreise um dieselbe herum geritten waren, befanden wir
uns auch am Fuße der Anhöhe und unmittelbar vor den ersten erbärmlich
gebauten Häusern der Stadt. Mahmud Firdus Beg stemmte das Pfeifenrohr
auf den rechten Schenkel und stieß seinem Pferde die scharfen kellerartigen
Bügel in die Weichen. Ein Türke reitet in eine Stadt nie anders als


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[0225] Ernte kümmerlich von den Früchten der Wälder und in der Asche gebratenen Maiskolben. Vielleicht hat er auch ein paar Hammel, in welchem Falle er schon zu den Wohlhabenden gerechnet wird. Kommt nun die Zeit der Ernte, so steht es ganz im Belieben des Begs, dessen Land er gepflügt und besät hat, ob er selbst, der Bauer, oder der Beg. der Grundherr, das Gewachsene hineinbringen soll. Vergleicht sich der Bauer mit dem Beg, leistet er diesem eine Abgabe von der Ernte, welche dessen Ansprüchen genügt, so kann er sich den Rest nach Hause schaffen und hat nun bei der außerordentlichen Fruchtbarkeit des beinahe jungfräulichen Bodens und bei seiner unglaublichen Mäßigkeit bis zum nächsten Sommer die nöthige Atzung. Gelingt es ihm aber nicht, sich mit dem Beg zu verständigen, so erklärt dieser einfach, daß der Grund und Boden, auf dem des Bauern Waizen. Mais oder Tabak gewachsen, ihm, dem muslimischen Herrn, gehöre, und daß der verfluchte Giaur denselben ohne jede Erlaubniß bebaut habe, und läßt die Ernte durch seine Diener heimführen. Zuweilen kommen aber auch noch andere abscheuliche Verhältnisse ins Spiel. Die böhmischen Muslime machen von ihrem Rechte, sich mehrere Frauen anzuschaffen, nicht immer und dann nur einen sehr mäßigen Gebrauch. Sie sind eben keine Türken oder Araber, sondern, wie bemerkt, muhamedanische Slaven, und finden schwerer die nöthige echt orientalische Gelassenheit, die man bedarf, um es mit mehr als einem Weibe auszuhalten. Aber die Bauern, die verachteten Mauren, haben oft hübsche Weiber und erwachsene Töchter, die nicht übel sind, und der Beg — ist der Herr ! Das giebt -dann Meinungs¬ verschiedenheiten, und aus diesen entwickeln sich nicht selten Scenen wie die, welche der Verfasser während seines Aufenthalts in Livno erlebte. Derselbe erzählt: „Der österreichische Consular-Agent in Livno war, wie mir bekannt, nach Mostar gereist, und der Mudir, die höchste obrigkeitliche Person in jener Stadt, hatte mir Tags zuvor durch einen Diener Mahmud Firdus Begs seinen Gruß entbieten lassen und mich eingeladen, ihn zu besuchen. Seit mehr als einer halben Stunde schon zeigte sich uns im Süden der Ebene auf einem Hügel, der wie ein Vorgebirge in dieselbe hineinragte, das alte verfallene Kastell, um welches herum die Stadt Livno liegt. Wir mußten einen kleinen Umweg machen, weil gerade vor uns eine zahlreiche Heerde von riesigen Büffeln weidete, durch welche zu reiten sehr bedenklich gewesen wäre. Als wir in einem kleinen Halbkreise um dieselbe herum geritten waren, befanden wir uns auch am Fuße der Anhöhe und unmittelbar vor den ersten erbärmlich gebauten Häusern der Stadt. Mahmud Firdus Beg stemmte das Pfeifenrohr auf den rechten Schenkel und stieß seinem Pferde die scharfen kellerartigen Bügel in die Weichen. Ein Türke reitet in eine Stadt nie anders als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/225>, abgerufen am 22.07.2024.