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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Zürich mag man in dem Briefe selbst nachlesen. *) "Für Andere zu handeln"
hatte man immer noch Zeit. Tags darauf bekommt nun Dia belli folgende
mannigfach relevante Nachricht über seine wiederholt erbetene "große 4häutige
Sonate" in "Es liegt zwar nicht in meinem Wege d. g. zu schreiben,
aber ich will Ihnen gern meine Bereitwilligkeit hierin zeigen. -- Was das
Honorar angeht, so fürchte ich, es wird Ihnen auffallen, allein in Betracht
daß ich andere Werke aufschieben muß, die mir mehr eintragen und
gelegener sind, werden Sie es vielleicht nicht zuviel finden, wenn ich das
Honorar auf 80 Duc. setze. Sie wissen, daß, wie ein tapferer Ritter von
seinem Degen, ich von meiner Feder leben muß. Dabei haben'mir die Akade¬
mien einen großen Verlust verursacht." Diabelli ist denn auch mit dem
Honorar zufrieden, weil er überzeugt sei, daß seine Werke nicht für den Augen¬
blick, sondern für die Ewigkeit geschaffen seien, und so mußte doch intermit-
tirend auch an diese Arbeit gedacht werden.

Weiter sehen wir jedenfalls auf solche eigenen Klagen des Meisters hin
am S. September 1824 Freunde wie A. Streicher allerhand Vorschläge
thun, auf welche Art er größere Vortheile aus seinem außerordentlichen Ta¬
lente ziehen könnte. Darunter sind "jeden Winter 6 Abonnementsconzerte"
und die "sämmtlichen Werke". "Nehmen Sie das Gesagte als die Meinung
eines Freundes auf, der Sie schon volle 36 Jahre kennt und welchen nichts
so freuen würde, als Sie außer Sorgen zu sehen", schrieb Streicher.

Am 9. September 1824 hören wir ihn selbst wieder gegen Nägeli, dem
die Subscription des Erzherzogs gemeldet wird, folgendes äußern: "Ein Un¬
bekannter subscribirt ebenfalls darauf und das bin ich. Denn da Sie mir
die Ehre erzeigen mein Panegyriker zu sein, darf ich wohl keineswegs mit
meinem Namen erscheinen. Wie gern hätte ich auf mehrere subscribirt, allein
meine Umstände sind zu beschränkt. Vater eines von mir angenommenen
Sohnes -- muß ich sowohl für die Gegenwart wie für die Zukunft
seinentwegen denken und handeln." In dem gleichen Briefe erinnert er sich
auch früherer Anträge Nägeli's. Allein seine Kränklichkeit habe über 3 Jahre
gewährt; nun befinde er sich besser. Zugleich bittet, er um die 3 stimmige
Messe von Seb. Bach, die Nägeli herausgegeben. Und dabei heißt es:
"Denken Sie übrigens ja kein Interesse von mir irgendwo was ich suchte.
Frei bin ich von aller kleinlichen Eitelkeit. Nur die göttliche Kunst. nur in
ihr sind die Hebel, die mir Kraft geben, den himmlischen Musen den besten
Theil meines Lebens zu opfern. Von Kindheit an war mein größtes Glück
und Vergnügen für Andere wirken zu können." Es umweht uns der Athem
der "himmlischen" Weise des Adagio von Op. 127, und wie tief ist die



') Briefe B^thovm's- Stuttgart I8K5, Ur. 316.
Grenzboten IV. 1S7S.27

Zürich mag man in dem Briefe selbst nachlesen. *) „Für Andere zu handeln"
hatte man immer noch Zeit. Tags darauf bekommt nun Dia belli folgende
mannigfach relevante Nachricht über seine wiederholt erbetene „große 4häutige
Sonate" in „Es liegt zwar nicht in meinem Wege d. g. zu schreiben,
aber ich will Ihnen gern meine Bereitwilligkeit hierin zeigen. — Was das
Honorar angeht, so fürchte ich, es wird Ihnen auffallen, allein in Betracht
daß ich andere Werke aufschieben muß, die mir mehr eintragen und
gelegener sind, werden Sie es vielleicht nicht zuviel finden, wenn ich das
Honorar auf 80 Duc. setze. Sie wissen, daß, wie ein tapferer Ritter von
seinem Degen, ich von meiner Feder leben muß. Dabei haben'mir die Akade¬
mien einen großen Verlust verursacht." Diabelli ist denn auch mit dem
Honorar zufrieden, weil er überzeugt sei, daß seine Werke nicht für den Augen¬
blick, sondern für die Ewigkeit geschaffen seien, und so mußte doch intermit-
tirend auch an diese Arbeit gedacht werden.

Weiter sehen wir jedenfalls auf solche eigenen Klagen des Meisters hin
am S. September 1824 Freunde wie A. Streicher allerhand Vorschläge
thun, auf welche Art er größere Vortheile aus seinem außerordentlichen Ta¬
lente ziehen könnte. Darunter sind „jeden Winter 6 Abonnementsconzerte"
und die „sämmtlichen Werke". „Nehmen Sie das Gesagte als die Meinung
eines Freundes auf, der Sie schon volle 36 Jahre kennt und welchen nichts
so freuen würde, als Sie außer Sorgen zu sehen", schrieb Streicher.

Am 9. September 1824 hören wir ihn selbst wieder gegen Nägeli, dem
die Subscription des Erzherzogs gemeldet wird, folgendes äußern: „Ein Un¬
bekannter subscribirt ebenfalls darauf und das bin ich. Denn da Sie mir
die Ehre erzeigen mein Panegyriker zu sein, darf ich wohl keineswegs mit
meinem Namen erscheinen. Wie gern hätte ich auf mehrere subscribirt, allein
meine Umstände sind zu beschränkt. Vater eines von mir angenommenen
Sohnes — muß ich sowohl für die Gegenwart wie für die Zukunft
seinentwegen denken und handeln." In dem gleichen Briefe erinnert er sich
auch früherer Anträge Nägeli's. Allein seine Kränklichkeit habe über 3 Jahre
gewährt; nun befinde er sich besser. Zugleich bittet, er um die 3 stimmige
Messe von Seb. Bach, die Nägeli herausgegeben. Und dabei heißt es:
»Denken Sie übrigens ja kein Interesse von mir irgendwo was ich suchte.
Frei bin ich von aller kleinlichen Eitelkeit. Nur die göttliche Kunst. nur in
ihr sind die Hebel, die mir Kraft geben, den himmlischen Musen den besten
Theil meines Lebens zu opfern. Von Kindheit an war mein größtes Glück
und Vergnügen für Andere wirken zu können." Es umweht uns der Athem
der „himmlischen" Weise des Adagio von Op. 127, und wie tief ist die



') Briefe B^thovm's- Stuttgart I8K5, Ur. 316.
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[0213] Zürich mag man in dem Briefe selbst nachlesen. *) „Für Andere zu handeln" hatte man immer noch Zeit. Tags darauf bekommt nun Dia belli folgende mannigfach relevante Nachricht über seine wiederholt erbetene „große 4häutige Sonate" in „Es liegt zwar nicht in meinem Wege d. g. zu schreiben, aber ich will Ihnen gern meine Bereitwilligkeit hierin zeigen. — Was das Honorar angeht, so fürchte ich, es wird Ihnen auffallen, allein in Betracht daß ich andere Werke aufschieben muß, die mir mehr eintragen und gelegener sind, werden Sie es vielleicht nicht zuviel finden, wenn ich das Honorar auf 80 Duc. setze. Sie wissen, daß, wie ein tapferer Ritter von seinem Degen, ich von meiner Feder leben muß. Dabei haben'mir die Akade¬ mien einen großen Verlust verursacht." Diabelli ist denn auch mit dem Honorar zufrieden, weil er überzeugt sei, daß seine Werke nicht für den Augen¬ blick, sondern für die Ewigkeit geschaffen seien, und so mußte doch intermit- tirend auch an diese Arbeit gedacht werden. Weiter sehen wir jedenfalls auf solche eigenen Klagen des Meisters hin am S. September 1824 Freunde wie A. Streicher allerhand Vorschläge thun, auf welche Art er größere Vortheile aus seinem außerordentlichen Ta¬ lente ziehen könnte. Darunter sind „jeden Winter 6 Abonnementsconzerte" und die „sämmtlichen Werke". „Nehmen Sie das Gesagte als die Meinung eines Freundes auf, der Sie schon volle 36 Jahre kennt und welchen nichts so freuen würde, als Sie außer Sorgen zu sehen", schrieb Streicher. Am 9. September 1824 hören wir ihn selbst wieder gegen Nägeli, dem die Subscription des Erzherzogs gemeldet wird, folgendes äußern: „Ein Un¬ bekannter subscribirt ebenfalls darauf und das bin ich. Denn da Sie mir die Ehre erzeigen mein Panegyriker zu sein, darf ich wohl keineswegs mit meinem Namen erscheinen. Wie gern hätte ich auf mehrere subscribirt, allein meine Umstände sind zu beschränkt. Vater eines von mir angenommenen Sohnes — muß ich sowohl für die Gegenwart wie für die Zukunft seinentwegen denken und handeln." In dem gleichen Briefe erinnert er sich auch früherer Anträge Nägeli's. Allein seine Kränklichkeit habe über 3 Jahre gewährt; nun befinde er sich besser. Zugleich bittet, er um die 3 stimmige Messe von Seb. Bach, die Nägeli herausgegeben. Und dabei heißt es: »Denken Sie übrigens ja kein Interesse von mir irgendwo was ich suchte. Frei bin ich von aller kleinlichen Eitelkeit. Nur die göttliche Kunst. nur in ihr sind die Hebel, die mir Kraft geben, den himmlischen Musen den besten Theil meines Lebens zu opfern. Von Kindheit an war mein größtes Glück und Vergnügen für Andere wirken zu können." Es umweht uns der Athem der „himmlischen" Weise des Adagio von Op. 127, und wie tief ist die ') Briefe B^thovm's- Stuttgart I8K5, Ur. 316. Grenzboten IV. 1S7S.27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/213>, abgerufen am 25.08.2024.