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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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dieser sehr großen und sehr mächtigen Werke und würden mit Stolz den Ver¬
lag derselben mit aller nur möglichen Schönheit ausstatten und zur augen¬
blicklichen Ausführung in Stimmen nebst Partitur stechen lassen." Das war
einmal wieder Respect und Anstand bei einem Verleger, zumal wenn man
an Steiner Comp. in Wien dachte. Allein man stand noch mit Probst in
Unterhandlung, und so erfolgt erst auf zwei weitere Briefe Schott's (19.
und 27. April 1824), worin sehnlichst um Rückantwort gebeten und unter
Einsendung des 1. Heftes der "Cäcilia" um Beiträge dafür ersucht wird,
am 20. Mai 1824 Entscheidung: Messe und Symphonie zu dem bekannten
Preise in kurzen Raten, das Quartett jedoch sei noch nicht sicher zuzusagen!
Dabei wird um rasche Entschließung gedrängt, da er sich auch Anderer wegen
entschließen müsse. Denn es lagen ja auch Anträge von Leidesdorf, Diabelli,
Artaria u. A. vor. So heißt es denn auch hier: "Da ich nicht von meinem
Gehalte hier leben kann, so muß ich dergleichen mehr als ich würde, nicht
außer Acht lassen." Schott acceptirt denn auch bereits am 27. Mai die Be¬
dingungen bestens, besteht aber auch auf dem Quartett, und Beethoven antwortet
"wegen Ueberhäufung mit Beschäftigung" erst am 3. Juli: er könne auch
dieses ganz sicher binnen 6 Wochen erhalten. Man hatte sich also unter
dem Schutze jener festen Annahme der "großen Werke", sogleich in Penzing
mit vollem Eifer "seinen Musen ergeben", und dies umsomehr, als Schott am
19. Juli meldet, daß Fries Comp. die Zahlung in den von Beethoven selbst
bestimmten Terminen leisten werden, wogegen er Messe wie Symphonie dort
zu übergeben habe. Von der gleichen Art aber wird der Brief vom
19. Aug. gewesen sein, den Beethoven "unerklärlicherweise" nicht erhielt. Es
hatten sich, wie wir sehen werden, auch hier rasch fremde Elemente dazwischen
geschoben, und bei Beethoven war ja leicht Mißtrauen zu säen, zumal gegen¬
über den "Höllenhunden, die sein Gehirn beleckten!" Man hat aber einstwei¬
len doch "diese Schott" sicher in der Hand und hätte so auch der Ausführung
der neuen Arbeiten mit andauernder Ruhe nachgehen können, wenn nicht
einerseits durch erneutes Unwohlsein, andrerseits durch die Sorge um und für
den geliebten Neffen stets wieder Hemmniß aller Art eingetreten wäre. Es ist
alle Kraft nothwendig, um nur auf der Höhe seiner selbst zu bleiben, und
gar um die Höhe seines Wesens völlig zu erreichen! Wir wollen zunächst
rein chronologisch aufzeichnen, was von Lebensäußerungen aus dieser Zeit
vorliegt. Es wird uns zu jenem Wesen selbst führen.

Am 23. August vernimmt der Erzherzog: "Ich lebe -- wie?! -- ein
Schneckenleben. Die so ungünstige Witterung setzt mich immer wieder zurück,
und unmöglich ist es bei diesen Bädern Herr seiner Haus-Kraft wie sonst zu
sein." Dabei wird um Subseription auf H. A. Nägeli's Gedichte gebeten.
In welcher liebenswürdigen Verwendung für den Herrn "Kunstbruder" in


dieser sehr großen und sehr mächtigen Werke und würden mit Stolz den Ver¬
lag derselben mit aller nur möglichen Schönheit ausstatten und zur augen¬
blicklichen Ausführung in Stimmen nebst Partitur stechen lassen." Das war
einmal wieder Respect und Anstand bei einem Verleger, zumal wenn man
an Steiner Comp. in Wien dachte. Allein man stand noch mit Probst in
Unterhandlung, und so erfolgt erst auf zwei weitere Briefe Schott's (19.
und 27. April 1824), worin sehnlichst um Rückantwort gebeten und unter
Einsendung des 1. Heftes der „Cäcilia" um Beiträge dafür ersucht wird,
am 20. Mai 1824 Entscheidung: Messe und Symphonie zu dem bekannten
Preise in kurzen Raten, das Quartett jedoch sei noch nicht sicher zuzusagen!
Dabei wird um rasche Entschließung gedrängt, da er sich auch Anderer wegen
entschließen müsse. Denn es lagen ja auch Anträge von Leidesdorf, Diabelli,
Artaria u. A. vor. So heißt es denn auch hier: „Da ich nicht von meinem
Gehalte hier leben kann, so muß ich dergleichen mehr als ich würde, nicht
außer Acht lassen." Schott acceptirt denn auch bereits am 27. Mai die Be¬
dingungen bestens, besteht aber auch auf dem Quartett, und Beethoven antwortet
„wegen Ueberhäufung mit Beschäftigung" erst am 3. Juli: er könne auch
dieses ganz sicher binnen 6 Wochen erhalten. Man hatte sich also unter
dem Schutze jener festen Annahme der „großen Werke", sogleich in Penzing
mit vollem Eifer „seinen Musen ergeben", und dies umsomehr, als Schott am
19. Juli meldet, daß Fries Comp. die Zahlung in den von Beethoven selbst
bestimmten Terminen leisten werden, wogegen er Messe wie Symphonie dort
zu übergeben habe. Von der gleichen Art aber wird der Brief vom
19. Aug. gewesen sein, den Beethoven „unerklärlicherweise" nicht erhielt. Es
hatten sich, wie wir sehen werden, auch hier rasch fremde Elemente dazwischen
geschoben, und bei Beethoven war ja leicht Mißtrauen zu säen, zumal gegen¬
über den „Höllenhunden, die sein Gehirn beleckten!" Man hat aber einstwei¬
len doch „diese Schott" sicher in der Hand und hätte so auch der Ausführung
der neuen Arbeiten mit andauernder Ruhe nachgehen können, wenn nicht
einerseits durch erneutes Unwohlsein, andrerseits durch die Sorge um und für
den geliebten Neffen stets wieder Hemmniß aller Art eingetreten wäre. Es ist
alle Kraft nothwendig, um nur auf der Höhe seiner selbst zu bleiben, und
gar um die Höhe seines Wesens völlig zu erreichen! Wir wollen zunächst
rein chronologisch aufzeichnen, was von Lebensäußerungen aus dieser Zeit
vorliegt. Es wird uns zu jenem Wesen selbst führen.

Am 23. August vernimmt der Erzherzog: „Ich lebe — wie?! — ein
Schneckenleben. Die so ungünstige Witterung setzt mich immer wieder zurück,
und unmöglich ist es bei diesen Bädern Herr seiner Haus-Kraft wie sonst zu
sein." Dabei wird um Subseription auf H. A. Nägeli's Gedichte gebeten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/212>, abgerufen am 22.07.2024.