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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Mönche verkleidete. Aber Fritigern drängte ihn mit Uebermacht nach dem
Osten von Thracien zurück. In diesem kritischen Augenblicke erschien Gratian
und bedrohte das Heer des ersteren im Rücken. Nachdem der weströmische
Kaiser schon über einige Abtheilungen desselben Vortheile erlangt hatte, ent¬
schied sich der ebenso besonnene, als kriegstüchtige Fritigern zum Friedens¬
schlüsse mit den Römern, den Theodosius durch Landverleihuug und Aufnahme
der Kampflustigen in kaiserlichen Sold möglichst erleichterte. Im November
des Jahres 380 als dieser in Constantinopel einzog, konnte er die Einwohner
mit der frohen Botschaft des wichtigen Sieges erfreuen.

Freilich schweiften noch zahlreiche Raubschaaren der Gothen, die sich dem
Hauptheere Fritigern's nicht angeschlossen hatten, im Lande umher und auch
Athanarich war noch zu bezwingen. Gleichwohl glaubte Theodosius jetzt schon
eine Angelegenheit in die Hand nehmen zu müssen, deren rasche und kräftige
Durchführung er für die Festigung des Reichs als höchst förderlich ansah.
Während seiner Krankheit in Thessalonich hatte er sich von dem dortigen
Bischof Ascholius, der ihm vorstellte, daß der apostolische und nachmals in
Nicäa bekräftigte Glaube im römischen Reiche das Uebergewicht besitze und trotz
der Feindseligkeit des Valens sich im ganzen Westen bis über Macedonien
hinaus behauptet habe, auf dieses Bekenntnis taufen lassen, offenbar in der
Hoffnung demselben schnell unter der widerstrebenden Minderheit Anerkennung
verschaffen zu können. Im Eifer für diese Sache war er bereits Ende Februar
380 schlüssig geworden, ein Edict an das Volk von Constantinopel zu senden,
in welchem er dasselbe aufforderte, sich nach der nicänischen Lehre zu richten.
Nur diejenigen, welche die Wesensgleichheit des Vaters und Sohnes bekennten,
seien katholische Christen, alle anderen aber Ketzer, die sich auf Bestrafung
gefaßt machen möchten. Er traute dem kaiserlichen Ansehen Einfluß genug
zu, um sich der Hoffnung hinzugeben, daß durch diese entschiedenen und
drohenden Worte der Arianismus erschüttert und die Hauptstadt noch vor
seinem Einzug im Glauben geeinigt werden könne. In dieser Erwartung
wurde er bestärkt durch das, was man über die Thätigkeit des Gregor von
Nazianz, eines der drei großen Kappadocier, berichtete. Das kleine Häuflein
"ieänisch Gesinnter in Konstantinopel, das von den anderen Secten auf das
äußerste bedrängt wurde, hatte denselben zu Hülfe gerufen, und durch kluges
Auftreten in der Hauptstadt, indem er zuerst, ganz ähnlich wie aus anderer
Seite Ulfilas, vor der herrschenden Sittenlosigkeit und der rechthaberischen
Streitsucht warnte, mehrte er die Zahl seiner Anhänger von Tag zu Tag.
Wunder, daß unter solchen Umständen Theodosius, besonders nachdem
er triumphirend in Constantinopel eingezogen war, die Zeit gekommen wähnte,
entschiedene Maßregeln zu ergreifen. Schon am 2. Tage nach seiner Ankunft
befahl er dem Demophilus, dem Bischof der Arianer, der sich weigerte zum


Grenzboten IV. 187S. . 3

Mönche verkleidete. Aber Fritigern drängte ihn mit Uebermacht nach dem
Osten von Thracien zurück. In diesem kritischen Augenblicke erschien Gratian
und bedrohte das Heer des ersteren im Rücken. Nachdem der weströmische
Kaiser schon über einige Abtheilungen desselben Vortheile erlangt hatte, ent¬
schied sich der ebenso besonnene, als kriegstüchtige Fritigern zum Friedens¬
schlüsse mit den Römern, den Theodosius durch Landverleihuug und Aufnahme
der Kampflustigen in kaiserlichen Sold möglichst erleichterte. Im November
des Jahres 380 als dieser in Constantinopel einzog, konnte er die Einwohner
mit der frohen Botschaft des wichtigen Sieges erfreuen.

Freilich schweiften noch zahlreiche Raubschaaren der Gothen, die sich dem
Hauptheere Fritigern's nicht angeschlossen hatten, im Lande umher und auch
Athanarich war noch zu bezwingen. Gleichwohl glaubte Theodosius jetzt schon
eine Angelegenheit in die Hand nehmen zu müssen, deren rasche und kräftige
Durchführung er für die Festigung des Reichs als höchst förderlich ansah.
Während seiner Krankheit in Thessalonich hatte er sich von dem dortigen
Bischof Ascholius, der ihm vorstellte, daß der apostolische und nachmals in
Nicäa bekräftigte Glaube im römischen Reiche das Uebergewicht besitze und trotz
der Feindseligkeit des Valens sich im ganzen Westen bis über Macedonien
hinaus behauptet habe, auf dieses Bekenntnis taufen lassen, offenbar in der
Hoffnung demselben schnell unter der widerstrebenden Minderheit Anerkennung
verschaffen zu können. Im Eifer für diese Sache war er bereits Ende Februar
380 schlüssig geworden, ein Edict an das Volk von Constantinopel zu senden,
in welchem er dasselbe aufforderte, sich nach der nicänischen Lehre zu richten.
Nur diejenigen, welche die Wesensgleichheit des Vaters und Sohnes bekennten,
seien katholische Christen, alle anderen aber Ketzer, die sich auf Bestrafung
gefaßt machen möchten. Er traute dem kaiserlichen Ansehen Einfluß genug
zu, um sich der Hoffnung hinzugeben, daß durch diese entschiedenen und
drohenden Worte der Arianismus erschüttert und die Hauptstadt noch vor
seinem Einzug im Glauben geeinigt werden könne. In dieser Erwartung
wurde er bestärkt durch das, was man über die Thätigkeit des Gregor von
Nazianz, eines der drei großen Kappadocier, berichtete. Das kleine Häuflein
"ieänisch Gesinnter in Konstantinopel, das von den anderen Secten auf das
äußerste bedrängt wurde, hatte denselben zu Hülfe gerufen, und durch kluges
Auftreten in der Hauptstadt, indem er zuerst, ganz ähnlich wie aus anderer
Seite Ulfilas, vor der herrschenden Sittenlosigkeit und der rechthaberischen
Streitsucht warnte, mehrte er die Zahl seiner Anhänger von Tag zu Tag.
Wunder, daß unter solchen Umständen Theodosius, besonders nachdem
er triumphirend in Constantinopel eingezogen war, die Zeit gekommen wähnte,
entschiedene Maßregeln zu ergreifen. Schon am 2. Tage nach seiner Ankunft
befahl er dem Demophilus, dem Bischof der Arianer, der sich weigerte zum


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[0021] Mönche verkleidete. Aber Fritigern drängte ihn mit Uebermacht nach dem Osten von Thracien zurück. In diesem kritischen Augenblicke erschien Gratian und bedrohte das Heer des ersteren im Rücken. Nachdem der weströmische Kaiser schon über einige Abtheilungen desselben Vortheile erlangt hatte, ent¬ schied sich der ebenso besonnene, als kriegstüchtige Fritigern zum Friedens¬ schlüsse mit den Römern, den Theodosius durch Landverleihuug und Aufnahme der Kampflustigen in kaiserlichen Sold möglichst erleichterte. Im November des Jahres 380 als dieser in Constantinopel einzog, konnte er die Einwohner mit der frohen Botschaft des wichtigen Sieges erfreuen. Freilich schweiften noch zahlreiche Raubschaaren der Gothen, die sich dem Hauptheere Fritigern's nicht angeschlossen hatten, im Lande umher und auch Athanarich war noch zu bezwingen. Gleichwohl glaubte Theodosius jetzt schon eine Angelegenheit in die Hand nehmen zu müssen, deren rasche und kräftige Durchführung er für die Festigung des Reichs als höchst förderlich ansah. Während seiner Krankheit in Thessalonich hatte er sich von dem dortigen Bischof Ascholius, der ihm vorstellte, daß der apostolische und nachmals in Nicäa bekräftigte Glaube im römischen Reiche das Uebergewicht besitze und trotz der Feindseligkeit des Valens sich im ganzen Westen bis über Macedonien hinaus behauptet habe, auf dieses Bekenntnis taufen lassen, offenbar in der Hoffnung demselben schnell unter der widerstrebenden Minderheit Anerkennung verschaffen zu können. Im Eifer für diese Sache war er bereits Ende Februar 380 schlüssig geworden, ein Edict an das Volk von Constantinopel zu senden, in welchem er dasselbe aufforderte, sich nach der nicänischen Lehre zu richten. Nur diejenigen, welche die Wesensgleichheit des Vaters und Sohnes bekennten, seien katholische Christen, alle anderen aber Ketzer, die sich auf Bestrafung gefaßt machen möchten. Er traute dem kaiserlichen Ansehen Einfluß genug zu, um sich der Hoffnung hinzugeben, daß durch diese entschiedenen und drohenden Worte der Arianismus erschüttert und die Hauptstadt noch vor seinem Einzug im Glauben geeinigt werden könne. In dieser Erwartung wurde er bestärkt durch das, was man über die Thätigkeit des Gregor von Nazianz, eines der drei großen Kappadocier, berichtete. Das kleine Häuflein "ieänisch Gesinnter in Konstantinopel, das von den anderen Secten auf das äußerste bedrängt wurde, hatte denselben zu Hülfe gerufen, und durch kluges Auftreten in der Hauptstadt, indem er zuerst, ganz ähnlich wie aus anderer Seite Ulfilas, vor der herrschenden Sittenlosigkeit und der rechthaberischen Streitsucht warnte, mehrte er die Zahl seiner Anhänger von Tag zu Tag. Wunder, daß unter solchen Umständen Theodosius, besonders nachdem er triumphirend in Constantinopel eingezogen war, die Zeit gekommen wähnte, entschiedene Maßregeln zu ergreifen. Schon am 2. Tage nach seiner Ankunft befahl er dem Demophilus, dem Bischof der Arianer, der sich weigerte zum Grenzboten IV. 187S. . 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/21>, abgerufen am 22.07.2024.