Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

haben sie einen weit größeren Antrieb ihre Zeit vollständig auszunützen, ihre
Geschicklichkeit auszubilden und ihre Production mit allen jenen neuen Vor¬
theilen zu betreiben, welche sich ihnen darbieten. Dadurch erzielen sie auch
wieder einen höheren Arbeitsertrag.

12. Die Hausindustrie übt sowohl in hygienischer als moralischer Be¬
ziehung eine vortheilhafte Wirkung aus. Durch die Abwechselung der Be¬
schäftigung bei gutem Wetter im Freien, bei schlechtem im Zimmer, wird ein
der Gesundheit zuträglicheres Leben geführt. Da der Besitz sparsam macht,
so fördert das kleine landwirthschaftliche Eigenthum die ökonomische Ver¬
wendung des Verdienstes. Während der aus der Hand in den Mund lebende
Arbeiter in der Regel nur eine Schlafstelle besitzt, die oft nur aus einem
elenden Loche besteht, welches ihn nicht reizt, länger darin zu verweilen, als
es zur Wiederherstellung der Kräfte unumgänglich nothwendig ist, deshalb
seine freie Zeit meistens im Wirthshause zubringt und da seinen ganzen
Verdienst verpraßt und statt einen Nothpfennig zurückzulegen oft noch dazu
Schulden macht, hat der Hausarbeiter auf dem Lande meist sein vom Vater
vererbtes Haus und Grundstück, die ihm schon durch die Gewohnheit von
Jugend auf eine liebe Heimstätte geworden sind. Zudem ist ihm die Werk¬
stätte und die in seiner Beschäftigung mitwirkende Familie eine viel reichere
Quelle der Unterhaltung, als das Wirthshaus. In solchen Verhältnissen
gehören Leute, die einen "blauen Montag" machen, schon zu den allerselten-
sten Ausnahmen. In dieser Lage werden die Arbeiter vielmehr durch die
innere Natur ihres Verhältnisses veranlaßt, Ersparnisse zurückzulegen und zur
Erweiterung und Verbesserung ihrer Wirthschaft zu verwenden.

Hält es in den meisten Fällen auch schwer, eine neue Hausindustrie in
einer Gegend einzuführen und sind dazu außerordentliche Bemühungen von
Staat und Privaten erforderlich, weil die Masse der Bevölkerung selbst wegen
ihrer bekannten gewohnheitsmäßigen Indolenz sich selten zu einer selbstän¬
digen Initiative aufrafft, so ist dabei doch wieder auf der anderen Seite die
Genugthuung zu finden, daß eine Gegend, in welcher es einmal gelungen ist,
eine neue Hausindustrie einzuführen, dieselbe dann selbständig fortbetreibc
und mit ihrer Hilfe zu Wohlstand und Bildung sich emporarbeitet. Jeder
gelungene Versuch wirkt dann als Beispiel zur ferneren Nachahmung und
so baut sich allmählich zeitenweise das Glück eines ganzen großen Lan¬
des auf.

Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes wäre es sehr wünschenswert!),
wenn der internationale statistische Congreß die Aufnahme einer Statistik der
alten und neuen Hausindustrie in den verschiedenen Ländern Europas an¬
regen würde. Dadurch würden die Regierungen Auskunft darüber erhalten.


haben sie einen weit größeren Antrieb ihre Zeit vollständig auszunützen, ihre
Geschicklichkeit auszubilden und ihre Production mit allen jenen neuen Vor¬
theilen zu betreiben, welche sich ihnen darbieten. Dadurch erzielen sie auch
wieder einen höheren Arbeitsertrag.

12. Die Hausindustrie übt sowohl in hygienischer als moralischer Be¬
ziehung eine vortheilhafte Wirkung aus. Durch die Abwechselung der Be¬
schäftigung bei gutem Wetter im Freien, bei schlechtem im Zimmer, wird ein
der Gesundheit zuträglicheres Leben geführt. Da der Besitz sparsam macht,
so fördert das kleine landwirthschaftliche Eigenthum die ökonomische Ver¬
wendung des Verdienstes. Während der aus der Hand in den Mund lebende
Arbeiter in der Regel nur eine Schlafstelle besitzt, die oft nur aus einem
elenden Loche besteht, welches ihn nicht reizt, länger darin zu verweilen, als
es zur Wiederherstellung der Kräfte unumgänglich nothwendig ist, deshalb
seine freie Zeit meistens im Wirthshause zubringt und da seinen ganzen
Verdienst verpraßt und statt einen Nothpfennig zurückzulegen oft noch dazu
Schulden macht, hat der Hausarbeiter auf dem Lande meist sein vom Vater
vererbtes Haus und Grundstück, die ihm schon durch die Gewohnheit von
Jugend auf eine liebe Heimstätte geworden sind. Zudem ist ihm die Werk¬
stätte und die in seiner Beschäftigung mitwirkende Familie eine viel reichere
Quelle der Unterhaltung, als das Wirthshaus. In solchen Verhältnissen
gehören Leute, die einen „blauen Montag" machen, schon zu den allerselten-
sten Ausnahmen. In dieser Lage werden die Arbeiter vielmehr durch die
innere Natur ihres Verhältnisses veranlaßt, Ersparnisse zurückzulegen und zur
Erweiterung und Verbesserung ihrer Wirthschaft zu verwenden.

Hält es in den meisten Fällen auch schwer, eine neue Hausindustrie in
einer Gegend einzuführen und sind dazu außerordentliche Bemühungen von
Staat und Privaten erforderlich, weil die Masse der Bevölkerung selbst wegen
ihrer bekannten gewohnheitsmäßigen Indolenz sich selten zu einer selbstän¬
digen Initiative aufrafft, so ist dabei doch wieder auf der anderen Seite die
Genugthuung zu finden, daß eine Gegend, in welcher es einmal gelungen ist,
eine neue Hausindustrie einzuführen, dieselbe dann selbständig fortbetreibc
und mit ihrer Hilfe zu Wohlstand und Bildung sich emporarbeitet. Jeder
gelungene Versuch wirkt dann als Beispiel zur ferneren Nachahmung und
so baut sich allmählich zeitenweise das Glück eines ganzen großen Lan¬
des auf.

Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes wäre es sehr wünschenswert!),
wenn der internationale statistische Congreß die Aufnahme einer Statistik der
alten und neuen Hausindustrie in den verschiedenen Ländern Europas an¬
regen würde. Dadurch würden die Regierungen Auskunft darüber erhalten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0200" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134546"/>
          <p xml:id="ID_597" prev="#ID_596"> haben sie einen weit größeren Antrieb ihre Zeit vollständig auszunützen, ihre<lb/>
Geschicklichkeit auszubilden und ihre Production mit allen jenen neuen Vor¬<lb/>
theilen zu betreiben, welche sich ihnen darbieten. Dadurch erzielen sie auch<lb/>
wieder einen höheren Arbeitsertrag.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_598"> 12. Die Hausindustrie übt sowohl in hygienischer als moralischer Be¬<lb/>
ziehung eine vortheilhafte Wirkung aus. Durch die Abwechselung der Be¬<lb/>
schäftigung bei gutem Wetter im Freien, bei schlechtem im Zimmer, wird ein<lb/>
der Gesundheit zuträglicheres Leben geführt. Da der Besitz sparsam macht,<lb/>
so fördert das kleine landwirthschaftliche Eigenthum die ökonomische Ver¬<lb/>
wendung des Verdienstes. Während der aus der Hand in den Mund lebende<lb/>
Arbeiter in der Regel nur eine Schlafstelle besitzt, die oft nur aus einem<lb/>
elenden Loche besteht, welches ihn nicht reizt, länger darin zu verweilen, als<lb/>
es zur Wiederherstellung der Kräfte unumgänglich nothwendig ist, deshalb<lb/>
seine freie Zeit meistens im Wirthshause zubringt und da seinen ganzen<lb/>
Verdienst verpraßt und statt einen Nothpfennig zurückzulegen oft noch dazu<lb/>
Schulden macht, hat der Hausarbeiter auf dem Lande meist sein vom Vater<lb/>
vererbtes Haus und Grundstück, die ihm schon durch die Gewohnheit von<lb/>
Jugend auf eine liebe Heimstätte geworden sind. Zudem ist ihm die Werk¬<lb/>
stätte und die in seiner Beschäftigung mitwirkende Familie eine viel reichere<lb/>
Quelle der Unterhaltung, als das Wirthshaus. In solchen Verhältnissen<lb/>
gehören Leute, die einen &#x201E;blauen Montag" machen, schon zu den allerselten-<lb/>
sten Ausnahmen. In dieser Lage werden die Arbeiter vielmehr durch die<lb/>
innere Natur ihres Verhältnisses veranlaßt, Ersparnisse zurückzulegen und zur<lb/>
Erweiterung und Verbesserung ihrer Wirthschaft zu verwenden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_599"> Hält es in den meisten Fällen auch schwer, eine neue Hausindustrie in<lb/>
einer Gegend einzuführen und sind dazu außerordentliche Bemühungen von<lb/>
Staat und Privaten erforderlich, weil die Masse der Bevölkerung selbst wegen<lb/>
ihrer bekannten gewohnheitsmäßigen Indolenz sich selten zu einer selbstän¬<lb/>
digen Initiative aufrafft, so ist dabei doch wieder auf der anderen Seite die<lb/>
Genugthuung zu finden, daß eine Gegend, in welcher es einmal gelungen ist,<lb/>
eine neue Hausindustrie einzuführen, dieselbe dann selbständig fortbetreibc<lb/>
und mit ihrer Hilfe zu Wohlstand und Bildung sich emporarbeitet. Jeder<lb/>
gelungene Versuch wirkt dann als Beispiel zur ferneren Nachahmung und<lb/>
so baut sich allmählich zeitenweise das Glück eines ganzen großen Lan¬<lb/>
des auf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_600" next="#ID_601"> Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes wäre es sehr wünschenswert!),<lb/>
wenn der internationale statistische Congreß die Aufnahme einer Statistik der<lb/>
alten und neuen Hausindustrie in den verschiedenen Ländern Europas an¬<lb/>
regen würde.  Dadurch würden die Regierungen Auskunft darüber erhalten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0200] haben sie einen weit größeren Antrieb ihre Zeit vollständig auszunützen, ihre Geschicklichkeit auszubilden und ihre Production mit allen jenen neuen Vor¬ theilen zu betreiben, welche sich ihnen darbieten. Dadurch erzielen sie auch wieder einen höheren Arbeitsertrag. 12. Die Hausindustrie übt sowohl in hygienischer als moralischer Be¬ ziehung eine vortheilhafte Wirkung aus. Durch die Abwechselung der Be¬ schäftigung bei gutem Wetter im Freien, bei schlechtem im Zimmer, wird ein der Gesundheit zuträglicheres Leben geführt. Da der Besitz sparsam macht, so fördert das kleine landwirthschaftliche Eigenthum die ökonomische Ver¬ wendung des Verdienstes. Während der aus der Hand in den Mund lebende Arbeiter in der Regel nur eine Schlafstelle besitzt, die oft nur aus einem elenden Loche besteht, welches ihn nicht reizt, länger darin zu verweilen, als es zur Wiederherstellung der Kräfte unumgänglich nothwendig ist, deshalb seine freie Zeit meistens im Wirthshause zubringt und da seinen ganzen Verdienst verpraßt und statt einen Nothpfennig zurückzulegen oft noch dazu Schulden macht, hat der Hausarbeiter auf dem Lande meist sein vom Vater vererbtes Haus und Grundstück, die ihm schon durch die Gewohnheit von Jugend auf eine liebe Heimstätte geworden sind. Zudem ist ihm die Werk¬ stätte und die in seiner Beschäftigung mitwirkende Familie eine viel reichere Quelle der Unterhaltung, als das Wirthshaus. In solchen Verhältnissen gehören Leute, die einen „blauen Montag" machen, schon zu den allerselten- sten Ausnahmen. In dieser Lage werden die Arbeiter vielmehr durch die innere Natur ihres Verhältnisses veranlaßt, Ersparnisse zurückzulegen und zur Erweiterung und Verbesserung ihrer Wirthschaft zu verwenden. Hält es in den meisten Fällen auch schwer, eine neue Hausindustrie in einer Gegend einzuführen und sind dazu außerordentliche Bemühungen von Staat und Privaten erforderlich, weil die Masse der Bevölkerung selbst wegen ihrer bekannten gewohnheitsmäßigen Indolenz sich selten zu einer selbstän¬ digen Initiative aufrafft, so ist dabei doch wieder auf der anderen Seite die Genugthuung zu finden, daß eine Gegend, in welcher es einmal gelungen ist, eine neue Hausindustrie einzuführen, dieselbe dann selbständig fortbetreibc und mit ihrer Hilfe zu Wohlstand und Bildung sich emporarbeitet. Jeder gelungene Versuch wirkt dann als Beispiel zur ferneren Nachahmung und so baut sich allmählich zeitenweise das Glück eines ganzen großen Lan¬ des auf. Bei der Wichtigkeit des Gegenstandes wäre es sehr wünschenswert!), wenn der internationale statistische Congreß die Aufnahme einer Statistik der alten und neuen Hausindustrie in den verschiedenen Ländern Europas an¬ regen würde. Dadurch würden die Regierungen Auskunft darüber erhalten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/200
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/200>, abgerufen am 22.07.2024.