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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Der Steinmetzen Meisterstück ist
1) daß er ein schlichtes Kreuzgewölbe könnte machen;
2) daß er eine Scholche von Stücken könnte machen;
3) so soll einer ein schlichtes Thor können und wissen zu machen;
4) daß einer eine Ausladung könnte machen;
5) daß er Grund über heimlich Gemach könnte machen, Und wo
eine Ortmauer oder Eck an einem heimlich Gemach schadhaft wird,
die zu vergründen und wissen zu helfen;
6) daß einer nach Höhe einer jeglichen Mauer wisse, wie dick die
sein soll, und darnach wisse den Grund zu machen.

Er soll von alledem eine Zeichnung zu machen verstehen die der Sachen
Gestalt giebt, wenn er nicht vorzieht, die Auflösung im Modell vorzulegen.
Das Urtheil der Gildemeister über das Meisterstück soll dem Hansgrafen mit-
getheilt werden.

Die Decker haben folgende drei Stücke zu leisten:
1) daß einer wisse und könnte einen achteckigen Thurm decken;
2) daß einer eine Seyche (Regenrinne) wohl könne und wisse zu decken;
3) wo er in einem Dach ist, daß er sich allenthalben auf Thürmen
und anderen Dächern wisse einzudecken.

Man sollte eigentlich voraussetzen, daß die Beziehungen zwischen diesen
Stadtzünften und der Bauhütte gespannte gewesen seien; indessen ist dies
wenigstens aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu erkennen. Vielmehr
find beiderseitig, seitens der Hütte und der Zunft nicht nur keine Beschrän¬
kungen, sondern Erleichterungen des Verkehres eingerichtet. Die Bauhütte
bestimmt: Welcher Meister auch noch nicht in der Ordnung der Werkleute ist,
Züge da ein Geselle zu einem solchen Meister, der Gesell soll darum nicht
strafwürdig sein. Desgleichen züge auch ein Gesell zu einem Stadt-
weister oder zu einem anderen Meister, mag der dort gefördert
Werden, das mag er wohl thun -- nur daß der Geselle nicht desto weniger
Ordnung halte. Und die Zunft setzt fest:

Die Meister dürfen einheimische und fremde Gesellen fördern; doch hat
der letztere gleich den ersteren den Wochenhälbing in die Kasse der Bruder-
zu zahlen. Fremde Gesellen in der Domhütte sind von der Ordnung
eximirt -- "wie dann von Alters Herkommen ist" ... auch in Lehrjahren und
Gesellenordnung heißt es: "einem Thommeister der Thomarbe're halben in den
Stücken vnuergriffen."

Die Functionen eines "Stadtbaumeisters" als städtischen Beamten be¬
stehen zunächst in der Ausführung aller kleineren Rathsbautem der Reparatur
und baulichen Aufficht der städtischen Gebäude, der Aufstellung der Tribünen.
Ehrenpforten und des übrigen bei Festen erforderlichen Apparates, endlich


Der Steinmetzen Meisterstück ist
1) daß er ein schlichtes Kreuzgewölbe könnte machen;
2) daß er eine Scholche von Stücken könnte machen;
3) so soll einer ein schlichtes Thor können und wissen zu machen;
4) daß einer eine Ausladung könnte machen;
5) daß er Grund über heimlich Gemach könnte machen, Und wo
eine Ortmauer oder Eck an einem heimlich Gemach schadhaft wird,
die zu vergründen und wissen zu helfen;
6) daß einer nach Höhe einer jeglichen Mauer wisse, wie dick die
sein soll, und darnach wisse den Grund zu machen.

Er soll von alledem eine Zeichnung zu machen verstehen die der Sachen
Gestalt giebt, wenn er nicht vorzieht, die Auflösung im Modell vorzulegen.
Das Urtheil der Gildemeister über das Meisterstück soll dem Hansgrafen mit-
getheilt werden.

Die Decker haben folgende drei Stücke zu leisten:
1) daß einer wisse und könnte einen achteckigen Thurm decken;
2) daß einer eine Seyche (Regenrinne) wohl könne und wisse zu decken;
3) wo er in einem Dach ist, daß er sich allenthalben auf Thürmen
und anderen Dächern wisse einzudecken.

Man sollte eigentlich voraussetzen, daß die Beziehungen zwischen diesen
Stadtzünften und der Bauhütte gespannte gewesen seien; indessen ist dies
wenigstens aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu erkennen. Vielmehr
find beiderseitig, seitens der Hütte und der Zunft nicht nur keine Beschrän¬
kungen, sondern Erleichterungen des Verkehres eingerichtet. Die Bauhütte
bestimmt: Welcher Meister auch noch nicht in der Ordnung der Werkleute ist,
Züge da ein Geselle zu einem solchen Meister, der Gesell soll darum nicht
strafwürdig sein. Desgleichen züge auch ein Gesell zu einem Stadt-
weister oder zu einem anderen Meister, mag der dort gefördert
Werden, das mag er wohl thun — nur daß der Geselle nicht desto weniger
Ordnung halte. Und die Zunft setzt fest:

Die Meister dürfen einheimische und fremde Gesellen fördern; doch hat
der letztere gleich den ersteren den Wochenhälbing in die Kasse der Bruder-
zu zahlen. Fremde Gesellen in der Domhütte sind von der Ordnung
eximirt — „wie dann von Alters Herkommen ist" ... auch in Lehrjahren und
Gesellenordnung heißt es: „einem Thommeister der Thomarbe're halben in den
Stücken vnuergriffen."

Die Functionen eines „Stadtbaumeisters" als städtischen Beamten be¬
stehen zunächst in der Ausführung aller kleineren Rathsbautem der Reparatur
und baulichen Aufficht der städtischen Gebäude, der Aufstellung der Tribünen.
Ehrenpforten und des übrigen bei Festen erforderlichen Apparates, endlich


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[0193] Der Steinmetzen Meisterstück ist 1) daß er ein schlichtes Kreuzgewölbe könnte machen; 2) daß er eine Scholche von Stücken könnte machen; 3) so soll einer ein schlichtes Thor können und wissen zu machen; 4) daß einer eine Ausladung könnte machen; 5) daß er Grund über heimlich Gemach könnte machen, Und wo eine Ortmauer oder Eck an einem heimlich Gemach schadhaft wird, die zu vergründen und wissen zu helfen; 6) daß einer nach Höhe einer jeglichen Mauer wisse, wie dick die sein soll, und darnach wisse den Grund zu machen. Er soll von alledem eine Zeichnung zu machen verstehen die der Sachen Gestalt giebt, wenn er nicht vorzieht, die Auflösung im Modell vorzulegen. Das Urtheil der Gildemeister über das Meisterstück soll dem Hansgrafen mit- getheilt werden. Die Decker haben folgende drei Stücke zu leisten: 1) daß einer wisse und könnte einen achteckigen Thurm decken; 2) daß einer eine Seyche (Regenrinne) wohl könne und wisse zu decken; 3) wo er in einem Dach ist, daß er sich allenthalben auf Thürmen und anderen Dächern wisse einzudecken. Man sollte eigentlich voraussetzen, daß die Beziehungen zwischen diesen Stadtzünften und der Bauhütte gespannte gewesen seien; indessen ist dies wenigstens aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu erkennen. Vielmehr find beiderseitig, seitens der Hütte und der Zunft nicht nur keine Beschrän¬ kungen, sondern Erleichterungen des Verkehres eingerichtet. Die Bauhütte bestimmt: Welcher Meister auch noch nicht in der Ordnung der Werkleute ist, Züge da ein Geselle zu einem solchen Meister, der Gesell soll darum nicht strafwürdig sein. Desgleichen züge auch ein Gesell zu einem Stadt- weister oder zu einem anderen Meister, mag der dort gefördert Werden, das mag er wohl thun — nur daß der Geselle nicht desto weniger Ordnung halte. Und die Zunft setzt fest: Die Meister dürfen einheimische und fremde Gesellen fördern; doch hat der letztere gleich den ersteren den Wochenhälbing in die Kasse der Bruder- zu zahlen. Fremde Gesellen in der Domhütte sind von der Ordnung eximirt — „wie dann von Alters Herkommen ist" ... auch in Lehrjahren und Gesellenordnung heißt es: „einem Thommeister der Thomarbe're halben in den Stücken vnuergriffen." Die Functionen eines „Stadtbaumeisters" als städtischen Beamten be¬ stehen zunächst in der Ausführung aller kleineren Rathsbautem der Reparatur und baulichen Aufficht der städtischen Gebäude, der Aufstellung der Tribünen. Ehrenpforten und des übrigen bei Festen erforderlichen Apparates, endlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/193>, abgerufen am 22.07.2024.