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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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über die Zunftverpflichtung hinaus. Wer um der Hütte willen irgend in
Kosten kommt, dem soll es aus der Büchse ersetzt werden. "Und wäre es auch, daß
einer in Kummer käme mit Gerichten oder mit anderen Dingen, das die Ord¬
nung berührte, da soll je einer dem anderen, es sei Meister oder Geselle Hülfe
und Beistand thun, bei dem Gelübde der Ordnung. Wie weit diese Beihülfe
ging, ist aus der Bestimmung zu ersehen, daß von jeder ordentlichen Bau¬
hütte, "wo ein Buch ist/' alle Jahre ein halber Gulden in die Büchse von
Straßburg zu zahlen war; solange, bis daß die Schuld bezahlt ward, die
Man in dieselbe Büchse schuldig ist. Woher diese Schuld stammt, ist nicht zu
ersehen. Doch läßt nachstehendes Statut auch die Deutung zu, daß Straß-
burg die Organisationskosten übernommen hatte und sich dieselben ratenweise
wiedererstatten ließ.

Hier wäre nun der Ort einige Bemerkungen über die Technik der Stein-
hauerei und den Bildungsgang der Meister anzuschließen. Es müßte interessant
sein zu erfahren, wie sie diejenigen Kenntnisse erwarben, die sie befähigten so be¬
wunderungswürdige Werke zu schaffen. Indessen ist leider auf diesem Gebiete
Ausbeute noch viel dürftiger als auf dem der Malerei.

Was zunächst das Handwerkszeug und die Werkzeuge betrifft, so ist zu
bemerken, was ja gar nicht so wunderbar ist, daß sich alles dies bis aus den
^amen und die Form fast unverändert bis auf die Gegenwart erhalten hat.
Das vorhin angeführte Steinmetzbüchlein nennt folgende Werkzeuge:


[Beginn Spaltensatz] Zirkels Kunst und Gerechtigkeit,
Den on Gott niemand uslait
Das Winkclmos hat Kunst genug
^cum man es braucht an Ortes Fug. [Spaltenumbruch] Der Masstab hat Kunst mannigfalt,
Wird auch gebrucht von jung vnd alt.
Die Wog ist gar hoch zu loben,
Die zeigt an den rechten Kloben. [Ende Spaltensatz]

Und Grabsteine, Siegel, Wappen und Denkmale zeigten uns die noch jetzt
übliche Form. Es werden außerdem abgebildet und genannt Kelle, Order,
(Spitzmeißel -- der Name findet sich noch als ein Schuhmacherwerkzeug),
3weispitze, Schröteisen und Garbaffen.

Die heute gebräuchlichen Schablonen aus Zinkblech wurden damals aus
Holz gearbeitet und hießen Maßbretter. Zum Aufwinden der Steine brauchte
Man die noch bis in neuere Zeit üblich gebliebenen Scheeren, deren sichelför¬
mige Arme den Stein fassen, während an den oberen beiden Enden das Seil
befestigt ist. Ich erinnere mich auf einer Miniatur der romanischen Periode
^nen solchen Apparat gesehen zu haben und möchte in ihm die Lösung einer
^ehe hinreichend erklärten Erscheinung finden. Man trifft an alten romani¬
schen Bauten bisweilen jeden Quader in der Mitte mit einem eingehauenen
Punkte versehen. Dies kann weder eine Verzierung, noch auch, wie man
Annimmt, ein Nichtezeichen sein, da sie ziemlich unregelmäßig stehen. Sie


Grenzboten IV. 187S. 24

über die Zunftverpflichtung hinaus. Wer um der Hütte willen irgend in
Kosten kommt, dem soll es aus der Büchse ersetzt werden. „Und wäre es auch, daß
einer in Kummer käme mit Gerichten oder mit anderen Dingen, das die Ord¬
nung berührte, da soll je einer dem anderen, es sei Meister oder Geselle Hülfe
und Beistand thun, bei dem Gelübde der Ordnung. Wie weit diese Beihülfe
ging, ist aus der Bestimmung zu ersehen, daß von jeder ordentlichen Bau¬
hütte, „wo ein Buch ist/' alle Jahre ein halber Gulden in die Büchse von
Straßburg zu zahlen war; solange, bis daß die Schuld bezahlt ward, die
Man in dieselbe Büchse schuldig ist. Woher diese Schuld stammt, ist nicht zu
ersehen. Doch läßt nachstehendes Statut auch die Deutung zu, daß Straß-
burg die Organisationskosten übernommen hatte und sich dieselben ratenweise
wiedererstatten ließ.

Hier wäre nun der Ort einige Bemerkungen über die Technik der Stein-
hauerei und den Bildungsgang der Meister anzuschließen. Es müßte interessant
sein zu erfahren, wie sie diejenigen Kenntnisse erwarben, die sie befähigten so be¬
wunderungswürdige Werke zu schaffen. Indessen ist leider auf diesem Gebiete
Ausbeute noch viel dürftiger als auf dem der Malerei.

Was zunächst das Handwerkszeug und die Werkzeuge betrifft, so ist zu
bemerken, was ja gar nicht so wunderbar ist, daß sich alles dies bis aus den
^amen und die Form fast unverändert bis auf die Gegenwart erhalten hat.
Das vorhin angeführte Steinmetzbüchlein nennt folgende Werkzeuge:


[Beginn Spaltensatz] Zirkels Kunst und Gerechtigkeit,
Den on Gott niemand uslait
Das Winkclmos hat Kunst genug
^cum man es braucht an Ortes Fug. [Spaltenumbruch] Der Masstab hat Kunst mannigfalt,
Wird auch gebrucht von jung vnd alt.
Die Wog ist gar hoch zu loben,
Die zeigt an den rechten Kloben. [Ende Spaltensatz]

Und Grabsteine, Siegel, Wappen und Denkmale zeigten uns die noch jetzt
übliche Form. Es werden außerdem abgebildet und genannt Kelle, Order,
(Spitzmeißel — der Name findet sich noch als ein Schuhmacherwerkzeug),
3weispitze, Schröteisen und Garbaffen.

Die heute gebräuchlichen Schablonen aus Zinkblech wurden damals aus
Holz gearbeitet und hießen Maßbretter. Zum Aufwinden der Steine brauchte
Man die noch bis in neuere Zeit üblich gebliebenen Scheeren, deren sichelför¬
mige Arme den Stein fassen, während an den oberen beiden Enden das Seil
befestigt ist. Ich erinnere mich auf einer Miniatur der romanischen Periode
^nen solchen Apparat gesehen zu haben und möchte in ihm die Lösung einer
^ehe hinreichend erklärten Erscheinung finden. Man trifft an alten romani¬
schen Bauten bisweilen jeden Quader in der Mitte mit einem eingehauenen
Punkte versehen. Dies kann weder eine Verzierung, noch auch, wie man
Annimmt, ein Nichtezeichen sein, da sie ziemlich unregelmäßig stehen. Sie


Grenzboten IV. 187S. 24
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/189>, abgerufen am 22.07.2024.