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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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aufzuweisen, der mit demselben Talente und derselben moralischen Kraft, wie
Schurz es vermochte, den Jnflationisten die Spitze bieten konnte.

Karl Schurz besaß Edelmuth und Vaterlandsliebe genug, um ohne Zögern
den Kampf mit der Jnflationspartei aufzunehmen und siegreich zu Ende zu
führen. Am 27. September hielt er in der Turnhalle zu Cincinnati eine
seiner besten Reden, in welcher er mit ebenso viel logischer Schärfe, wie ora-
torischer Eindringlichkeit das Verwerfliche und Verderbliche der Papiergeld-
Politik bloßlegte. Seine zündenden Worte waren aber nicht nur an die
Tausende von Zuhörern gerichtet, zu denen er grade sprach, sondern an alle
Patriotischen und verständigen Männer in der ganzen Union. Schon am
nächsten Morgen, nachdem er seine Rede gehalten, hatte der Telegraph die
wichtige Kundgebung in ihrem Wortlaute über das ganze Land verbreitet;
ihre Besprechung aber und ihre Erörterung bilden seitdem in Amerika einen
der Hauptgegenstände des Tages.

Uns liegt die Schurz'sche Rede in extenso vor; der uns zugemessene Raum
läßt uns aber nur einige Stellen aus dem Eingange derselben mittheilen,
worin er seine gegenwärtige politische Stellung etwas näher definirt. Schurz
sagte U.A.: "Bei der Annahme der an mich ergangenen Einladung, das Volk
von Ohio zu Gunsten eines ehrlichen Zahlmittels anzureden, leistete ich meinem
eigenen Pflichtgefühl Folge, da ich mir der Tragweite der Frage und der
weitreichenden Wichtigkeit der Entscheidung, welche das Volk von Ohio binnen
Kurzem an der Stimmurne fällen soll, wohl bewußt bin. Ehe ich jedoch die
Fragen dieses Wahlkampses bespreche, schulde ich Ihnen, meine Mitbürger,
eine vorhergehende Erklärung persönlicher Natur. Es wurde mir nämlich
Mitgetheilt, daß mein Auftreten in dieser Wahlcampagne als Theil eines ver¬
abredeten Plans hingestellt worden ist, der dahin gehen soll, die unab¬
hängigen Stimmgeber des Landes in die Reihen der republikanischen
Partei zu führen und dieselben zur Unterstützung des Candidaten dieser Partei
in dem Prästdentschaftswahlkampfe des Jahres 1876 zu verpflichten. Diese
Behauptung ist eine leere Erfindung (an iäls invention). Mir ist kein der¬
artiger Plan bekannt. Sollte er aber wirklich existiren, so würde ich mich
nicht daran betheiligen. Die unabhängigen Wähler <Me irae^enäLut voters)
haben ihre eigenen Ansichten und ich respectire dieselben zu sehr, als daß ich
annehmen könnte, sie würden sich von einem einzelnen Individuum oder vor
einer Combination von Individuen auf die eine oder die andere Seite bringen
lassen. Außerdem aber suche ich nicht nur keinen Andern mit Bezug auf die
Präsidentenwahl des nächsten Jahres zu verpflichten (to eommit), sondern
ich beabsichtige auch, mich selbst nicht zu binden. Ich behalte mir in dieser
Frage die vollste Freiheit der Entscheidung vor, um eine solche zu treffen,
sobald die Nothwendigkeit dazu vorliegt; und ich rathe Jedem dasselbe zu


Grenzboten IV. 1875. 23

aufzuweisen, der mit demselben Talente und derselben moralischen Kraft, wie
Schurz es vermochte, den Jnflationisten die Spitze bieten konnte.

Karl Schurz besaß Edelmuth und Vaterlandsliebe genug, um ohne Zögern
den Kampf mit der Jnflationspartei aufzunehmen und siegreich zu Ende zu
führen. Am 27. September hielt er in der Turnhalle zu Cincinnati eine
seiner besten Reden, in welcher er mit ebenso viel logischer Schärfe, wie ora-
torischer Eindringlichkeit das Verwerfliche und Verderbliche der Papiergeld-
Politik bloßlegte. Seine zündenden Worte waren aber nicht nur an die
Tausende von Zuhörern gerichtet, zu denen er grade sprach, sondern an alle
Patriotischen und verständigen Männer in der ganzen Union. Schon am
nächsten Morgen, nachdem er seine Rede gehalten, hatte der Telegraph die
wichtige Kundgebung in ihrem Wortlaute über das ganze Land verbreitet;
ihre Besprechung aber und ihre Erörterung bilden seitdem in Amerika einen
der Hauptgegenstände des Tages.

Uns liegt die Schurz'sche Rede in extenso vor; der uns zugemessene Raum
läßt uns aber nur einige Stellen aus dem Eingange derselben mittheilen,
worin er seine gegenwärtige politische Stellung etwas näher definirt. Schurz
sagte U.A.: „Bei der Annahme der an mich ergangenen Einladung, das Volk
von Ohio zu Gunsten eines ehrlichen Zahlmittels anzureden, leistete ich meinem
eigenen Pflichtgefühl Folge, da ich mir der Tragweite der Frage und der
weitreichenden Wichtigkeit der Entscheidung, welche das Volk von Ohio binnen
Kurzem an der Stimmurne fällen soll, wohl bewußt bin. Ehe ich jedoch die
Fragen dieses Wahlkampses bespreche, schulde ich Ihnen, meine Mitbürger,
eine vorhergehende Erklärung persönlicher Natur. Es wurde mir nämlich
Mitgetheilt, daß mein Auftreten in dieser Wahlcampagne als Theil eines ver¬
abredeten Plans hingestellt worden ist, der dahin gehen soll, die unab¬
hängigen Stimmgeber des Landes in die Reihen der republikanischen
Partei zu führen und dieselben zur Unterstützung des Candidaten dieser Partei
in dem Prästdentschaftswahlkampfe des Jahres 1876 zu verpflichten. Diese
Behauptung ist eine leere Erfindung (an iäls invention). Mir ist kein der¬
artiger Plan bekannt. Sollte er aber wirklich existiren, so würde ich mich
nicht daran betheiligen. Die unabhängigen Wähler <Me irae^enäLut voters)
haben ihre eigenen Ansichten und ich respectire dieselben zu sehr, als daß ich
annehmen könnte, sie würden sich von einem einzelnen Individuum oder vor
einer Combination von Individuen auf die eine oder die andere Seite bringen
lassen. Außerdem aber suche ich nicht nur keinen Andern mit Bezug auf die
Präsidentenwahl des nächsten Jahres zu verpflichten (to eommit), sondern
ich beabsichtige auch, mich selbst nicht zu binden. Ich behalte mir in dieser
Frage die vollste Freiheit der Entscheidung vor, um eine solche zu treffen,
sobald die Nothwendigkeit dazu vorliegt; und ich rathe Jedem dasselbe zu


Grenzboten IV. 1875. 23
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/181>, abgerufen am 22.07.2024.