Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

in ihren Entschließungen ein hohes Maß von Umsicht und Besonnenheit zu
beobachten, vor Einseitigkeiten und Uebereilungen sich zu hüten und mit den
Interessen des Staates Fühlung zu behalten. Die kirchlichen Kompetenzen
des Landesherrn werden sich im Wesentlichen auf die Mitwirkung bei der
Besetzung der kirchenregimentlichen Aemter, auf das Recht des Veto's gegen¬
über den Beschlüssen der Synode so wie auf die formelle Sanktion derselben
und auf die Ernennung einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern der Pro-
vinzial - und Generalsynode beschränken. *) Wenn sich das landesherrliche
Kirchenregiment in diesen gesetzlich normirten, sehr engen Grenzen bewegt, so
läuft die Selbständigkeit der evangelischen Kirche keine Gefahr, denn die
kirchlichen Behörden werden dann durch einen Wahlmodus entstehen, welcher
verbürgt, daß sie eben so wohl das Vertrauen des Landesherrn als der
Synoden genießen. Das Recht des Veto's aber gegenüber den Beschlüssen
derselben hat doch nur eine verzögernde Wirkung, indem es sie zu einer er¬
neuerten Berathung nöthigt. Und daß die formelle Sanktion des Landes¬
herrn hinzutreten muß, damit die Beschlüsse der Synoden gesetzliche Kraft
erhalten, darin können wir nur eine Stärkung, nicht eine Schwächung der
Kirche erkennen. Die landesherrliche Autorität verbürgt den Einklang
zwischen Kirche und Staat und verleiht so den kirchlichen Ordnungen einen
Werth, den wir im pädagogischen Interesse nicht gering anschlagen dürfen.
Die Beschickung der Synoden endlich durch Personen, denen der Landesherr
sein besonderes Vertrauen schenkt, wird eine Schutzwehr gegen das Vorwalten
extremer Richtungen bilden. Alles in Allem genommen, ist das landesherrliche
Kirchenregiment nicht sowohl eine Beschränkung der Freiheit der Kirche als
vielmehr eine Steigerung ihrer Kraft; sie ist weniger eine Erhöhung der
Machtvollkommenheit des Landesherrn, als ein schwieriger und mühevoller
Dienst desselben im Interesse der Kirche. Seine Einwirkung ist eine so be¬
schränkte, daß neuerdings, wenn auch, wie wir meinen, mit Unrecht behauptet
worden ist, es lohne sich nicht das landesherrliche Kirchenregiment festzu¬
halten.**)

Das wären also die einzigen Beschränkungen, von denen die Freikirche
sich entledigen würde. Denn die Maigesetze würden fast ausnahmslos auch
auf die Freikirche Anwendung finden, da dieselben nicht aus der Bethätigung
der Kirchengewalt, des Landesherrn, sondern der Kirchenhoheit des Staates
entsprungen sind. Sie würden wohl hier und da Modifikationen erleiden,
ihrem größten Theile nach aber bestehen bleiben. Nach wie vor würde der




") Vergl. H. Krummacher, Das evangelische Landeskirchenthnm in Deutschland. Syno¬
dalfragen. Heft Z. S. 21.
"*
) Wasscrschlebcn, Das landesherrliche Kirchemcgiment. Deutsche Zeit- und Streitfragen.
Heft 1". S. 3S.

in ihren Entschließungen ein hohes Maß von Umsicht und Besonnenheit zu
beobachten, vor Einseitigkeiten und Uebereilungen sich zu hüten und mit den
Interessen des Staates Fühlung zu behalten. Die kirchlichen Kompetenzen
des Landesherrn werden sich im Wesentlichen auf die Mitwirkung bei der
Besetzung der kirchenregimentlichen Aemter, auf das Recht des Veto's gegen¬
über den Beschlüssen der Synode so wie auf die formelle Sanktion derselben
und auf die Ernennung einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern der Pro-
vinzial - und Generalsynode beschränken. *) Wenn sich das landesherrliche
Kirchenregiment in diesen gesetzlich normirten, sehr engen Grenzen bewegt, so
läuft die Selbständigkeit der evangelischen Kirche keine Gefahr, denn die
kirchlichen Behörden werden dann durch einen Wahlmodus entstehen, welcher
verbürgt, daß sie eben so wohl das Vertrauen des Landesherrn als der
Synoden genießen. Das Recht des Veto's aber gegenüber den Beschlüssen
derselben hat doch nur eine verzögernde Wirkung, indem es sie zu einer er¬
neuerten Berathung nöthigt. Und daß die formelle Sanktion des Landes¬
herrn hinzutreten muß, damit die Beschlüsse der Synoden gesetzliche Kraft
erhalten, darin können wir nur eine Stärkung, nicht eine Schwächung der
Kirche erkennen. Die landesherrliche Autorität verbürgt den Einklang
zwischen Kirche und Staat und verleiht so den kirchlichen Ordnungen einen
Werth, den wir im pädagogischen Interesse nicht gering anschlagen dürfen.
Die Beschickung der Synoden endlich durch Personen, denen der Landesherr
sein besonderes Vertrauen schenkt, wird eine Schutzwehr gegen das Vorwalten
extremer Richtungen bilden. Alles in Allem genommen, ist das landesherrliche
Kirchenregiment nicht sowohl eine Beschränkung der Freiheit der Kirche als
vielmehr eine Steigerung ihrer Kraft; sie ist weniger eine Erhöhung der
Machtvollkommenheit des Landesherrn, als ein schwieriger und mühevoller
Dienst desselben im Interesse der Kirche. Seine Einwirkung ist eine so be¬
schränkte, daß neuerdings, wenn auch, wie wir meinen, mit Unrecht behauptet
worden ist, es lohne sich nicht das landesherrliche Kirchenregiment festzu¬
halten.**)

Das wären also die einzigen Beschränkungen, von denen die Freikirche
sich entledigen würde. Denn die Maigesetze würden fast ausnahmslos auch
auf die Freikirche Anwendung finden, da dieselben nicht aus der Bethätigung
der Kirchengewalt, des Landesherrn, sondern der Kirchenhoheit des Staates
entsprungen sind. Sie würden wohl hier und da Modifikationen erleiden,
ihrem größten Theile nach aber bestehen bleiben. Nach wie vor würde der




") Vergl. H. Krummacher, Das evangelische Landeskirchenthnm in Deutschland. Syno¬
dalfragen. Heft Z. S. 21.
"*
) Wasscrschlebcn, Das landesherrliche Kirchemcgiment. Deutsche Zeit- und Streitfragen.
Heft 1«. S. 3S.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0172" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/134518"/>
          <p xml:id="ID_491" prev="#ID_490"> in ihren Entschließungen ein hohes Maß von Umsicht und Besonnenheit zu<lb/>
beobachten, vor Einseitigkeiten und Uebereilungen sich zu hüten und mit den<lb/>
Interessen des Staates Fühlung zu behalten. Die kirchlichen Kompetenzen<lb/>
des Landesherrn werden sich im Wesentlichen auf die Mitwirkung bei der<lb/>
Besetzung der kirchenregimentlichen Aemter, auf das Recht des Veto's gegen¬<lb/>
über den Beschlüssen der Synode so wie auf die formelle Sanktion derselben<lb/>
und auf die Ernennung einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern der Pro-<lb/>
vinzial - und Generalsynode beschränken. *) Wenn sich das landesherrliche<lb/>
Kirchenregiment in diesen gesetzlich normirten, sehr engen Grenzen bewegt, so<lb/>
läuft die Selbständigkeit der evangelischen Kirche keine Gefahr, denn die<lb/>
kirchlichen Behörden werden dann durch einen Wahlmodus entstehen, welcher<lb/>
verbürgt, daß sie eben so wohl das Vertrauen des Landesherrn als der<lb/>
Synoden genießen. Das Recht des Veto's aber gegenüber den Beschlüssen<lb/>
derselben hat doch nur eine verzögernde Wirkung, indem es sie zu einer er¬<lb/>
neuerten Berathung nöthigt. Und daß die formelle Sanktion des Landes¬<lb/>
herrn hinzutreten muß, damit die Beschlüsse der Synoden gesetzliche Kraft<lb/>
erhalten, darin können wir nur eine Stärkung, nicht eine Schwächung der<lb/>
Kirche erkennen. Die landesherrliche Autorität verbürgt den Einklang<lb/>
zwischen Kirche und Staat und verleiht so den kirchlichen Ordnungen einen<lb/>
Werth, den wir im pädagogischen Interesse nicht gering anschlagen dürfen.<lb/>
Die Beschickung der Synoden endlich durch Personen, denen der Landesherr<lb/>
sein besonderes Vertrauen schenkt, wird eine Schutzwehr gegen das Vorwalten<lb/>
extremer Richtungen bilden. Alles in Allem genommen, ist das landesherrliche<lb/>
Kirchenregiment nicht sowohl eine Beschränkung der Freiheit der Kirche als<lb/>
vielmehr eine Steigerung ihrer Kraft; sie ist weniger eine Erhöhung der<lb/>
Machtvollkommenheit des Landesherrn, als ein schwieriger und mühevoller<lb/>
Dienst desselben im Interesse der Kirche. Seine Einwirkung ist eine so be¬<lb/>
schränkte, daß neuerdings, wenn auch, wie wir meinen, mit Unrecht behauptet<lb/>
worden ist, es lohne sich nicht das landesherrliche Kirchenregiment festzu¬<lb/>
halten.**)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_492" next="#ID_493"> Das wären also die einzigen Beschränkungen, von denen die Freikirche<lb/>
sich entledigen würde. Denn die Maigesetze würden fast ausnahmslos auch<lb/>
auf die Freikirche Anwendung finden, da dieselben nicht aus der Bethätigung<lb/>
der Kirchengewalt, des Landesherrn, sondern der Kirchenhoheit des Staates<lb/>
entsprungen sind. Sie würden wohl hier und da Modifikationen erleiden,<lb/>
ihrem größten Theile nach aber bestehen bleiben.  Nach wie vor würde der</p><lb/>
          <note xml:id="FID_79" place="foot"> ") Vergl. H. Krummacher, Das evangelische Landeskirchenthnm in Deutschland. Syno¬<lb/>
dalfragen.  Heft Z.  S. 21.<lb/>
"*</note><lb/>
          <note xml:id="FID_80" place="foot"> ) Wasscrschlebcn, Das landesherrliche Kirchemcgiment. Deutsche Zeit- und Streitfragen.<lb/>
Heft 1«. S. 3S.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0172] in ihren Entschließungen ein hohes Maß von Umsicht und Besonnenheit zu beobachten, vor Einseitigkeiten und Uebereilungen sich zu hüten und mit den Interessen des Staates Fühlung zu behalten. Die kirchlichen Kompetenzen des Landesherrn werden sich im Wesentlichen auf die Mitwirkung bei der Besetzung der kirchenregimentlichen Aemter, auf das Recht des Veto's gegen¬ über den Beschlüssen der Synode so wie auf die formelle Sanktion derselben und auf die Ernennung einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern der Pro- vinzial - und Generalsynode beschränken. *) Wenn sich das landesherrliche Kirchenregiment in diesen gesetzlich normirten, sehr engen Grenzen bewegt, so läuft die Selbständigkeit der evangelischen Kirche keine Gefahr, denn die kirchlichen Behörden werden dann durch einen Wahlmodus entstehen, welcher verbürgt, daß sie eben so wohl das Vertrauen des Landesherrn als der Synoden genießen. Das Recht des Veto's aber gegenüber den Beschlüssen derselben hat doch nur eine verzögernde Wirkung, indem es sie zu einer er¬ neuerten Berathung nöthigt. Und daß die formelle Sanktion des Landes¬ herrn hinzutreten muß, damit die Beschlüsse der Synoden gesetzliche Kraft erhalten, darin können wir nur eine Stärkung, nicht eine Schwächung der Kirche erkennen. Die landesherrliche Autorität verbürgt den Einklang zwischen Kirche und Staat und verleiht so den kirchlichen Ordnungen einen Werth, den wir im pädagogischen Interesse nicht gering anschlagen dürfen. Die Beschickung der Synoden endlich durch Personen, denen der Landesherr sein besonderes Vertrauen schenkt, wird eine Schutzwehr gegen das Vorwalten extremer Richtungen bilden. Alles in Allem genommen, ist das landesherrliche Kirchenregiment nicht sowohl eine Beschränkung der Freiheit der Kirche als vielmehr eine Steigerung ihrer Kraft; sie ist weniger eine Erhöhung der Machtvollkommenheit des Landesherrn, als ein schwieriger und mühevoller Dienst desselben im Interesse der Kirche. Seine Einwirkung ist eine so be¬ schränkte, daß neuerdings, wenn auch, wie wir meinen, mit Unrecht behauptet worden ist, es lohne sich nicht das landesherrliche Kirchenregiment festzu¬ halten.**) Das wären also die einzigen Beschränkungen, von denen die Freikirche sich entledigen würde. Denn die Maigesetze würden fast ausnahmslos auch auf die Freikirche Anwendung finden, da dieselben nicht aus der Bethätigung der Kirchengewalt, des Landesherrn, sondern der Kirchenhoheit des Staates entsprungen sind. Sie würden wohl hier und da Modifikationen erleiden, ihrem größten Theile nach aber bestehen bleiben. Nach wie vor würde der ") Vergl. H. Krummacher, Das evangelische Landeskirchenthnm in Deutschland. Syno¬ dalfragen. Heft Z. S. 21. "* ) Wasscrschlebcn, Das landesherrliche Kirchemcgiment. Deutsche Zeit- und Streitfragen. Heft 1«. S. 3S.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/172
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/172>, abgerufen am 22.07.2024.