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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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als in ihrer Hauswirthschaft, daß sie lieber mit den Händen in dem Schoß
die Noth herannahen sehen, als sich zur Einführung einer bewährten und
nützlichen Neuerung darin zu entschließen.

Im Angesicht dieser allgemein menschlichen Eigenschaft, ist die Initiative
hervorragender Menschenfreunde zur Verbesserung der Hauswirthschaft eine
der wichtigsten und nothwendigsten Aufgaben. Da aber der Fall nur aus¬
nahmsweise eintritt, daß die hiezu erforderlichen Mittel aus freiem Antrieb
von Privatpersonen geboten und in Anwendung gebracht worden, so kann
selbst der eingefleischteste Gegner der Einmischung der Regierung in die Privat¬
wirthschaft nicht leugnen, daß die Initiative der Negierung in diesem Wir¬
kungskreis eine außerordentlich segensreiche werden und die Wohlthaten einer,
in künftiger Zeit doch sicher sich entwickelnden Einrichtung dem Volke vielleicht
um ganze Generationen früher zuführen kann.

Die Aufgabe, welche durch die große, in Folge der Einführung der Ma¬
schinen entstandnen Umwälzung sich bezüglich der Hauswirthschaft aufdrängt,
ist aber folgende: einen Ersatz zu finden für das Spinnen und ver¬
wandte häusliche Arbeiten,^welche bis vor Kurzem die Masse
der weidlichen und sogar der männlichen Bevölkerung, na¬
mentlich auf dem Lande, im größrer Theil des Jahres be¬
schäftigt haben.

Diese Aufgabe ist nicht theoretisch, sie ist nur praktisch zu lösen, und
zwar dadurch, daß man eine Untersuchung darüber anstellt, in welcher Weise
es unter günstigen Umständen in verschiedenen Gegenden bereits gelungen ist,
die alte Hausarbeit durch die neue Hausindustrie zu ersetzen. Die letztere
unterscheidet sich nämlich von der ersteren dadurch, daß sie, statt blos für die
Familie, -- für den Weltmarkt arbeitet, daß sie statt gegen die Maschine und
die von ihr getragene Groß-Jndustrie einen ohnmächtigen Kampf zu verlän¬
gern, sich derselben anschmiegt, sich mit ihr verbindet und von ihr gestützt
und sie stützend gerade dadurch und durch die bessere technische Ausbildung
und intelligentere Führung der Arbeiter die Gesammt-Gewerbthätigkeit des
Landes mittelst größerer Güte und Wohlfeilheit der Producte auch dem Aus¬
lande gegenüber concurrenzfähiger macht. Die moderne Hausindustrie unter¬
scheidet sich von der alten Hausarbeit noch dadurch, daß sie den Familien,
welche sie betreiben, nicht blos eine Ausgabe für die Bekleidung, u. f. N>-
spart, sondern einen directen Verdienst zuführt, mit welchem sie unter Um¬
ständen sogar allein die Lebensbedürfnisse zu bestreiten im Stande ist, wäh¬
rend der Ertrag der Landwirthschaft zurückgelegt werden kann. Landwirth¬
schaft und Hausindustrie bilden dann eine Art gegenseitiger Versicherung,
welche über die schlechten Jahre der einen oder der anderen hinweghilft und
sie in den Stand setzt, einen ausgiebigen Nothpfennig zurückzulegen für Fälle,


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als in ihrer Hauswirthschaft, daß sie lieber mit den Händen in dem Schoß
die Noth herannahen sehen, als sich zur Einführung einer bewährten und
nützlichen Neuerung darin zu entschließen.

Im Angesicht dieser allgemein menschlichen Eigenschaft, ist die Initiative
hervorragender Menschenfreunde zur Verbesserung der Hauswirthschaft eine
der wichtigsten und nothwendigsten Aufgaben. Da aber der Fall nur aus¬
nahmsweise eintritt, daß die hiezu erforderlichen Mittel aus freiem Antrieb
von Privatpersonen geboten und in Anwendung gebracht worden, so kann
selbst der eingefleischteste Gegner der Einmischung der Regierung in die Privat¬
wirthschaft nicht leugnen, daß die Initiative der Negierung in diesem Wir¬
kungskreis eine außerordentlich segensreiche werden und die Wohlthaten einer,
in künftiger Zeit doch sicher sich entwickelnden Einrichtung dem Volke vielleicht
um ganze Generationen früher zuführen kann.

Die Aufgabe, welche durch die große, in Folge der Einführung der Ma¬
schinen entstandnen Umwälzung sich bezüglich der Hauswirthschaft aufdrängt,
ist aber folgende: einen Ersatz zu finden für das Spinnen und ver¬
wandte häusliche Arbeiten,^welche bis vor Kurzem die Masse
der weidlichen und sogar der männlichen Bevölkerung, na¬
mentlich auf dem Lande, im größrer Theil des Jahres be¬
schäftigt haben.

Diese Aufgabe ist nicht theoretisch, sie ist nur praktisch zu lösen, und
zwar dadurch, daß man eine Untersuchung darüber anstellt, in welcher Weise
es unter günstigen Umständen in verschiedenen Gegenden bereits gelungen ist,
die alte Hausarbeit durch die neue Hausindustrie zu ersetzen. Die letztere
unterscheidet sich nämlich von der ersteren dadurch, daß sie, statt blos für die
Familie, — für den Weltmarkt arbeitet, daß sie statt gegen die Maschine und
die von ihr getragene Groß-Jndustrie einen ohnmächtigen Kampf zu verlän¬
gern, sich derselben anschmiegt, sich mit ihr verbindet und von ihr gestützt
und sie stützend gerade dadurch und durch die bessere technische Ausbildung
und intelligentere Führung der Arbeiter die Gesammt-Gewerbthätigkeit des
Landes mittelst größerer Güte und Wohlfeilheit der Producte auch dem Aus¬
lande gegenüber concurrenzfähiger macht. Die moderne Hausindustrie unter¬
scheidet sich von der alten Hausarbeit noch dadurch, daß sie den Familien,
welche sie betreiben, nicht blos eine Ausgabe für die Bekleidung, u. f. N>-
spart, sondern einen directen Verdienst zuführt, mit welchem sie unter Um¬
ständen sogar allein die Lebensbedürfnisse zu bestreiten im Stande ist, wäh¬
rend der Ertrag der Landwirthschaft zurückgelegt werden kann. Landwirth¬
schaft und Hausindustrie bilden dann eine Art gegenseitiger Versicherung,
welche über die schlechten Jahre der einen oder der anderen hinweghilft und
sie in den Stand setzt, einen ausgiebigen Nothpfennig zurückzulegen für Fälle,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/162>, abgerufen am 22.07.2024.