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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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hatten ein Buch, das heißt ein Exemplar des Statuts, welches zugleich als
Meister- und Gesellenrolle diente. Da wo das Buch war, wurde auch der
Gottesdienst für die Hütte gehalten. Wenn also z. B. ein Gesell in einer
Hütte "ohne Buch" starb, so war der Meister jener Hütte verpflichtet an die
nächste, ordentliche Hütte Anzeige zu machen; dann wurde an der letzteren
die erforderliche Seelenmesse gehalten. Ebenso wurden Differenzen zwischen
Meister und Gesellen durch Urtheil der Hütte "mit Büchern" geschlichtet.
Alle Meister, welche Büchsen haben, wenn nicht in der Hütte Bücher sind,
sollen den Ueberschuß des Geldes an die Hütte abgeben, wo Bücher sind.
Ginge dem Meister einer Hütte der letzteren Art sein Bau aus und könnte
er keine Gesellen mehr halten, so soll er sein Buch und was er an Geld hat
nach Straßburg zum Werkmeister schicken.

Uebrigens war der Meister, welcher eines der Bücher hinter sich hatte
verpflichtet, bei seinem Gelübde der Ordnung dafür zu sorgen, daß es weder
durch ihn, noch durch jemand anders ausgeschrieben, gegeben oder geliehen
würde, damit die Bücher bei ihren- Kräften bleiben. Einzelne
Artikel können mündlich oder schriftlich denen mitgetheilt werden, die ihrer
bedürfen.

Abgrenzung und Zweck der Bauhütte wird wie üblich an der Spitze
des Statuts, hier also z. B. in der Bestätigungsurkund Maximilian's
folgendermaßen festgestellt: Es sind etliche Ordnungen des Steinmetzen¬
werks zu Straßburg und ihrer Bruderschaft, Uebung und Handelung
halben des abgemeldeten Handwerks Gott zu Lob und redlicher
Aufrichtung und Beständigkeit desselben aufgerichtet worden.
Nämlich, da rechte Freundschaft, Einhelligkeit und Gehorsam ein Fundament
alles guten ist -- darum und um gemeinen Nutzen und Frommen aller Fürsten,
Grafen, freien Herrn, Städten, Stiftern und Klöstern, die Ki reden, C hö re
oder anderes großes Steinwerk und Gebäu jetzt machen oder in
künftigen Zeiten machen möchten, daß die destobefser versorgt und versehen
würden, und auch um Nutz und Nothdurft willen aller Meister und Gesellen
des ganzen gemeinen Handwerks des Steinwerks.....ist bestimmt worden,
was hernach folgt.

Hier finden wir also dieselben Motive wieder, welchen nicht allein bei den
verwandten Zünften der Kunsthandwerke, sondern bei allen Zünften angeführt
werden: ein gottesdienstlicher, technischer und wirthschaftlicher
Zweck.

Die Corporation sorgt also für Herstellung eines Altars, für die nöthigen
Lichter, Feierlichkeiten und Messen. Alles dies wird aus der gemeinschaftlichen
Kasse bestritten, in welche die Beiträge und Strafgelder fließen. Wir bemerk¬
ten schon früher einmal, daß die religiöse Seite des Bundes nicht eine neben-


hatten ein Buch, das heißt ein Exemplar des Statuts, welches zugleich als
Meister- und Gesellenrolle diente. Da wo das Buch war, wurde auch der
Gottesdienst für die Hütte gehalten. Wenn also z. B. ein Gesell in einer
Hütte „ohne Buch" starb, so war der Meister jener Hütte verpflichtet an die
nächste, ordentliche Hütte Anzeige zu machen; dann wurde an der letzteren
die erforderliche Seelenmesse gehalten. Ebenso wurden Differenzen zwischen
Meister und Gesellen durch Urtheil der Hütte „mit Büchern" geschlichtet.
Alle Meister, welche Büchsen haben, wenn nicht in der Hütte Bücher sind,
sollen den Ueberschuß des Geldes an die Hütte abgeben, wo Bücher sind.
Ginge dem Meister einer Hütte der letzteren Art sein Bau aus und könnte
er keine Gesellen mehr halten, so soll er sein Buch und was er an Geld hat
nach Straßburg zum Werkmeister schicken.

Uebrigens war der Meister, welcher eines der Bücher hinter sich hatte
verpflichtet, bei seinem Gelübde der Ordnung dafür zu sorgen, daß es weder
durch ihn, noch durch jemand anders ausgeschrieben, gegeben oder geliehen
würde, damit die Bücher bei ihren- Kräften bleiben. Einzelne
Artikel können mündlich oder schriftlich denen mitgetheilt werden, die ihrer
bedürfen.

Abgrenzung und Zweck der Bauhütte wird wie üblich an der Spitze
des Statuts, hier also z. B. in der Bestätigungsurkund Maximilian's
folgendermaßen festgestellt: Es sind etliche Ordnungen des Steinmetzen¬
werks zu Straßburg und ihrer Bruderschaft, Uebung und Handelung
halben des abgemeldeten Handwerks Gott zu Lob und redlicher
Aufrichtung und Beständigkeit desselben aufgerichtet worden.
Nämlich, da rechte Freundschaft, Einhelligkeit und Gehorsam ein Fundament
alles guten ist — darum und um gemeinen Nutzen und Frommen aller Fürsten,
Grafen, freien Herrn, Städten, Stiftern und Klöstern, die Ki reden, C hö re
oder anderes großes Steinwerk und Gebäu jetzt machen oder in
künftigen Zeiten machen möchten, daß die destobefser versorgt und versehen
würden, und auch um Nutz und Nothdurft willen aller Meister und Gesellen
des ganzen gemeinen Handwerks des Steinwerks.....ist bestimmt worden,
was hernach folgt.

Hier finden wir also dieselben Motive wieder, welchen nicht allein bei den
verwandten Zünften der Kunsthandwerke, sondern bei allen Zünften angeführt
werden: ein gottesdienstlicher, technischer und wirthschaftlicher
Zweck.

Die Corporation sorgt also für Herstellung eines Altars, für die nöthigen
Lichter, Feierlichkeiten und Messen. Alles dies wird aus der gemeinschaftlichen
Kasse bestritten, in welche die Beiträge und Strafgelder fließen. Wir bemerk¬
ten schon früher einmal, daß die religiöse Seite des Bundes nicht eine neben-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/152>, abgerufen am 03.07.2024.