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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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In derselben Weise, wie die Pflanzen, hat B. Hehn auch die Hausthiere
behandelt, die wir der Fremde verdanken. Denn selbst der Haushahn ist in
Europa viel jünger, als man denken sollte, und die Haustaube kam erst mit
dem Beginn des 6. Jahrhunderts v. Chr. von der syrischen Küste den
Griechen zu. Wie die Taube am Euphrat und in Kleinasien als heilig verehrt
wurde, so hegten sie die Griechen als Vogel der Aphrodite, und mit dem
Cultus dieser Göttin ward die Haustaube in Italien eingeführt, von wo sie
sich über ganz Europa ausbreitete.

Auch der Pfau scheint mit dem Heradienst zuerst auf griechischen Boden
gelangt zu sein, und ward dort selner Schönheit wegen so gesucht, daß ein
Paar mit 10000 Drachmen bezahlt wurde. Merkwürdiger Weise muß der
Pfau, der aus Ostindien stammt, mit der griechischen Herrschaft und Koloni¬
sation nach Alexander's des Großen Zeiten eine Rückwanderung ins innere
Asien angetreten haben, indem sämmtliche asiatischen Pfauennamen dem Grie¬
chischen entlehnt sind. Den späteren Römern diente der Pfau als Leckerbissen
bei üppigen Mahlen, und wurde deshalb ein Gegenstand landwirthschaftlicher
Industrie. Es wurden mit großen Kosten Pfauenparks angelegt, und von
der Apenninenhalbinsel kamen nun die Pfauen in das übrige Europa.

Ebenso wurden die Fasanen, deren Heimath "im Zauberlande Kolchis
am mythusberühmten Flusse ?Ka.8is" war, für die Tafeln der reichen Römer
massenhaft in Italien gezüchtet und das ganze Mittelalter hindurch in den
fürstlichen Fasanerien gehalten, so daß sie jetzt in Europa gänzlich eingebürgert
sind, und in manchen Gegenden, namentlich in Böhmen, im Zustande voll¬
kommener Freiheit leben.

Wie man aus diesen kurzen Andeutungen sieht, enthält das vorliegende
Werk einen wahren Schatz von neuen Aufschlüssen über alle in Betracht kom¬
menden Fragen, und die Resultate der ernstesten Forschungen sind dabei in
so anziehender Weise geschildert, daß kein Leser das Buch ohne großen gei¬
v. R.-D. stigen Genuß aus der Hand legen wird.




Kunst.
(Die Folkunger von Edmund Kretschmer.)

Im Laufe der jüngstverflossenen Wochen haben wir hier in rascher Auf¬
einanderfolge eine Anzahl von Aufführungen der Oper "die Folkunger",
gehört. Zu diesem Werke hat H. S. Mosenthal das Textbuch gedichtet und


In derselben Weise, wie die Pflanzen, hat B. Hehn auch die Hausthiere
behandelt, die wir der Fremde verdanken. Denn selbst der Haushahn ist in
Europa viel jünger, als man denken sollte, und die Haustaube kam erst mit
dem Beginn des 6. Jahrhunderts v. Chr. von der syrischen Küste den
Griechen zu. Wie die Taube am Euphrat und in Kleinasien als heilig verehrt
wurde, so hegten sie die Griechen als Vogel der Aphrodite, und mit dem
Cultus dieser Göttin ward die Haustaube in Italien eingeführt, von wo sie
sich über ganz Europa ausbreitete.

Auch der Pfau scheint mit dem Heradienst zuerst auf griechischen Boden
gelangt zu sein, und ward dort selner Schönheit wegen so gesucht, daß ein
Paar mit 10000 Drachmen bezahlt wurde. Merkwürdiger Weise muß der
Pfau, der aus Ostindien stammt, mit der griechischen Herrschaft und Koloni¬
sation nach Alexander's des Großen Zeiten eine Rückwanderung ins innere
Asien angetreten haben, indem sämmtliche asiatischen Pfauennamen dem Grie¬
chischen entlehnt sind. Den späteren Römern diente der Pfau als Leckerbissen
bei üppigen Mahlen, und wurde deshalb ein Gegenstand landwirthschaftlicher
Industrie. Es wurden mit großen Kosten Pfauenparks angelegt, und von
der Apenninenhalbinsel kamen nun die Pfauen in das übrige Europa.

Ebenso wurden die Fasanen, deren Heimath „im Zauberlande Kolchis
am mythusberühmten Flusse ?Ka.8is« war, für die Tafeln der reichen Römer
massenhaft in Italien gezüchtet und das ganze Mittelalter hindurch in den
fürstlichen Fasanerien gehalten, so daß sie jetzt in Europa gänzlich eingebürgert
sind, und in manchen Gegenden, namentlich in Böhmen, im Zustande voll¬
kommener Freiheit leben.

Wie man aus diesen kurzen Andeutungen sieht, enthält das vorliegende
Werk einen wahren Schatz von neuen Aufschlüssen über alle in Betracht kom¬
menden Fragen, und die Resultate der ernstesten Forschungen sind dabei in
so anziehender Weise geschildert, daß kein Leser das Buch ohne großen gei¬
v. R.-D. stigen Genuß aus der Hand legen wird.




Kunst.
(Die Folkunger von Edmund Kretschmer.)

Im Laufe der jüngstverflossenen Wochen haben wir hier in rascher Auf¬
einanderfolge eine Anzahl von Aufführungen der Oper „die Folkunger",
gehört. Zu diesem Werke hat H. S. Mosenthal das Textbuch gedichtet und


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[0121] In derselben Weise, wie die Pflanzen, hat B. Hehn auch die Hausthiere behandelt, die wir der Fremde verdanken. Denn selbst der Haushahn ist in Europa viel jünger, als man denken sollte, und die Haustaube kam erst mit dem Beginn des 6. Jahrhunderts v. Chr. von der syrischen Küste den Griechen zu. Wie die Taube am Euphrat und in Kleinasien als heilig verehrt wurde, so hegten sie die Griechen als Vogel der Aphrodite, und mit dem Cultus dieser Göttin ward die Haustaube in Italien eingeführt, von wo sie sich über ganz Europa ausbreitete. Auch der Pfau scheint mit dem Heradienst zuerst auf griechischen Boden gelangt zu sein, und ward dort selner Schönheit wegen so gesucht, daß ein Paar mit 10000 Drachmen bezahlt wurde. Merkwürdiger Weise muß der Pfau, der aus Ostindien stammt, mit der griechischen Herrschaft und Koloni¬ sation nach Alexander's des Großen Zeiten eine Rückwanderung ins innere Asien angetreten haben, indem sämmtliche asiatischen Pfauennamen dem Grie¬ chischen entlehnt sind. Den späteren Römern diente der Pfau als Leckerbissen bei üppigen Mahlen, und wurde deshalb ein Gegenstand landwirthschaftlicher Industrie. Es wurden mit großen Kosten Pfauenparks angelegt, und von der Apenninenhalbinsel kamen nun die Pfauen in das übrige Europa. Ebenso wurden die Fasanen, deren Heimath „im Zauberlande Kolchis am mythusberühmten Flusse ?Ka.8is« war, für die Tafeln der reichen Römer massenhaft in Italien gezüchtet und das ganze Mittelalter hindurch in den fürstlichen Fasanerien gehalten, so daß sie jetzt in Europa gänzlich eingebürgert sind, und in manchen Gegenden, namentlich in Böhmen, im Zustande voll¬ kommener Freiheit leben. Wie man aus diesen kurzen Andeutungen sieht, enthält das vorliegende Werk einen wahren Schatz von neuen Aufschlüssen über alle in Betracht kom¬ menden Fragen, und die Resultate der ernstesten Forschungen sind dabei in so anziehender Weise geschildert, daß kein Leser das Buch ohne großen gei¬ v. R.-D. stigen Genuß aus der Hand legen wird. Kunst. (Die Folkunger von Edmund Kretschmer.) Im Laufe der jüngstverflossenen Wochen haben wir hier in rascher Auf¬ einanderfolge eine Anzahl von Aufführungen der Oper „die Folkunger", gehört. Zu diesem Werke hat H. S. Mosenthal das Textbuch gedichtet und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/121>, abgerufen am 22.07.2024.