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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Weinlese. -- Aug. Schneegans. -- Französische und deutsche Schulpolitik.

Ein reicher Herbst! Das muß man sehen, dieses Leben und Weben
in den Weinbergen, dieses Jubeln und Jauchzen, diese freudige Bewegung
allüberall ob der ausgezeichneten Ernte. Die kleineren Städte und wein¬
bauenden Ortschaften des Elsasses gleichen fast, um mich einer, allerdings wie
immer, hinkenden Metapher zu bedienen, einer einzigen großen Kelter und
durch die Straßen weht jener eigenthümlich gesättigte, faß-säuerliche Geruch,
welcher an ausgepreßte Traber erinnert. Noch ein einziges solches Wein- und
Obstjahr, und alle Mühen und Nöthen der verflossenen trüben Zeiten sind
vergessen. Das wirkt mehr, als selbst die besten Erfolge der Politik und
Verwaltung.

Der Weinbaukongreß in Colmar ist indessen seinem Ende entgegen
gegangen. Von den durch den Kaiser von Deutschland gewidmeten Ehren¬
preisen ist der erste, ein prachtvolles, künstlerisch ausgezeichnetes Trinkhorn,
der oberelsässischen Gemeinde Rcichenweier zu Theil geworden. Auch sonst
ist der Kongreß nicht zu karg gewesen mit der Austheilung von Preisen, an
die Aussteller. Zuerkennung von Medaillen 2c. In den gleichzeitigen Sitz¬
ungen des allgemeinen deutschen Weinbauvereins, welche in dem Colmarer
Stadttheater abgehalten worden, sind viele gute Worte gesprochen und Reden
gehalten worden über die Meinfälschung und wie man ihr am Energisch¬
sten entgegen wirken, über die Reblaus, und wie man sich vor ihr schützen
könne, über rationellen Weinbau, Bodenbearbeitung, Düngung u. s. w.

Es traf sich gut, daß gerade einige Tage vor Eröffnung des Kongresses
das Urtheil des Zuchtpolizeigerichtes gegen zwei der hauptsächlichsten elsässi-
schen Weinfabrikanten verkündet worden war. Ueber den Verlauf dieses inter¬
essanten Monstre - Prozesses habe ich Ihnen seiner Zeit genaueres berichtet.
Das Urtheil lautete für Beide auf je 6 Mon. Gefängniß und 1000 resp.
300 M. Geldbuße. Es ist bis in die weitesten Kreise des Publikums mit
großer Befriedigung aufgenommen worden. Da indessen dem Antrag der
Staatsbehörde auf Confiscation der noch vorhandenen und in den Kellern
der beiden Delinquenten mit Beschlag belegten sog. Weine seitens des Tribu¬
nals nicht stattgegeben worden, so ist, wie ich vernehme, von der erstern
Cassationsrecurs gegen das Urtheil ergriffen worden. Die Sache kommt also
nach Leipzig. Unter den verschiedenen Toasten, welche bei dem Festessen der
Dinologen ausgebracht worden sind, brachte u. A. Herr Buhl aus Deides-
heim in der Rheinpfalz, eine anerkannte Koryphäe in Sachen des Weinbaus,
der Stadt Colmar einen Gruß aus der Pfalz, betonte aber dabei, daß gleich¬
wohl das Elsaß in der rationellen Behandlung des Weines noch sehr hinter



Weinlese. — Aug. Schneegans. — Französische und deutsche Schulpolitik.

Ein reicher Herbst! Das muß man sehen, dieses Leben und Weben
in den Weinbergen, dieses Jubeln und Jauchzen, diese freudige Bewegung
allüberall ob der ausgezeichneten Ernte. Die kleineren Städte und wein¬
bauenden Ortschaften des Elsasses gleichen fast, um mich einer, allerdings wie
immer, hinkenden Metapher zu bedienen, einer einzigen großen Kelter und
durch die Straßen weht jener eigenthümlich gesättigte, faß-säuerliche Geruch,
welcher an ausgepreßte Traber erinnert. Noch ein einziges solches Wein- und
Obstjahr, und alle Mühen und Nöthen der verflossenen trüben Zeiten sind
vergessen. Das wirkt mehr, als selbst die besten Erfolge der Politik und
Verwaltung.

Der Weinbaukongreß in Colmar ist indessen seinem Ende entgegen
gegangen. Von den durch den Kaiser von Deutschland gewidmeten Ehren¬
preisen ist der erste, ein prachtvolles, künstlerisch ausgezeichnetes Trinkhorn,
der oberelsässischen Gemeinde Rcichenweier zu Theil geworden. Auch sonst
ist der Kongreß nicht zu karg gewesen mit der Austheilung von Preisen, an
die Aussteller. Zuerkennung von Medaillen 2c. In den gleichzeitigen Sitz¬
ungen des allgemeinen deutschen Weinbauvereins, welche in dem Colmarer
Stadttheater abgehalten worden, sind viele gute Worte gesprochen und Reden
gehalten worden über die Meinfälschung und wie man ihr am Energisch¬
sten entgegen wirken, über die Reblaus, und wie man sich vor ihr schützen
könne, über rationellen Weinbau, Bodenbearbeitung, Düngung u. s. w.

Es traf sich gut, daß gerade einige Tage vor Eröffnung des Kongresses
das Urtheil des Zuchtpolizeigerichtes gegen zwei der hauptsächlichsten elsässi-
schen Weinfabrikanten verkündet worden war. Ueber den Verlauf dieses inter¬
essanten Monstre - Prozesses habe ich Ihnen seiner Zeit genaueres berichtet.
Das Urtheil lautete für Beide auf je 6 Mon. Gefängniß und 1000 resp.
300 M. Geldbuße. Es ist bis in die weitesten Kreise des Publikums mit
großer Befriedigung aufgenommen worden. Da indessen dem Antrag der
Staatsbehörde auf Confiscation der noch vorhandenen und in den Kellern
der beiden Delinquenten mit Beschlag belegten sog. Weine seitens des Tribu¬
nals nicht stattgegeben worden, so ist, wie ich vernehme, von der erstern
Cassationsrecurs gegen das Urtheil ergriffen worden. Die Sache kommt also
nach Leipzig. Unter den verschiedenen Toasten, welche bei dem Festessen der
Dinologen ausgebracht worden sind, brachte u. A. Herr Buhl aus Deides-
heim in der Rheinpfalz, eine anerkannte Koryphäe in Sachen des Weinbaus,
der Stadt Colmar einen Gruß aus der Pfalz, betonte aber dabei, daß gleich¬
wohl das Elsaß in der rationellen Behandlung des Weines noch sehr hinter


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[0113] Weinlese. — Aug. Schneegans. — Französische und deutsche Schulpolitik. Ein reicher Herbst! Das muß man sehen, dieses Leben und Weben in den Weinbergen, dieses Jubeln und Jauchzen, diese freudige Bewegung allüberall ob der ausgezeichneten Ernte. Die kleineren Städte und wein¬ bauenden Ortschaften des Elsasses gleichen fast, um mich einer, allerdings wie immer, hinkenden Metapher zu bedienen, einer einzigen großen Kelter und durch die Straßen weht jener eigenthümlich gesättigte, faß-säuerliche Geruch, welcher an ausgepreßte Traber erinnert. Noch ein einziges solches Wein- und Obstjahr, und alle Mühen und Nöthen der verflossenen trüben Zeiten sind vergessen. Das wirkt mehr, als selbst die besten Erfolge der Politik und Verwaltung. Der Weinbaukongreß in Colmar ist indessen seinem Ende entgegen gegangen. Von den durch den Kaiser von Deutschland gewidmeten Ehren¬ preisen ist der erste, ein prachtvolles, künstlerisch ausgezeichnetes Trinkhorn, der oberelsässischen Gemeinde Rcichenweier zu Theil geworden. Auch sonst ist der Kongreß nicht zu karg gewesen mit der Austheilung von Preisen, an die Aussteller. Zuerkennung von Medaillen 2c. In den gleichzeitigen Sitz¬ ungen des allgemeinen deutschen Weinbauvereins, welche in dem Colmarer Stadttheater abgehalten worden, sind viele gute Worte gesprochen und Reden gehalten worden über die Meinfälschung und wie man ihr am Energisch¬ sten entgegen wirken, über die Reblaus, und wie man sich vor ihr schützen könne, über rationellen Weinbau, Bodenbearbeitung, Düngung u. s. w. Es traf sich gut, daß gerade einige Tage vor Eröffnung des Kongresses das Urtheil des Zuchtpolizeigerichtes gegen zwei der hauptsächlichsten elsässi- schen Weinfabrikanten verkündet worden war. Ueber den Verlauf dieses inter¬ essanten Monstre - Prozesses habe ich Ihnen seiner Zeit genaueres berichtet. Das Urtheil lautete für Beide auf je 6 Mon. Gefängniß und 1000 resp. 300 M. Geldbuße. Es ist bis in die weitesten Kreise des Publikums mit großer Befriedigung aufgenommen worden. Da indessen dem Antrag der Staatsbehörde auf Confiscation der noch vorhandenen und in den Kellern der beiden Delinquenten mit Beschlag belegten sog. Weine seitens des Tribu¬ nals nicht stattgegeben worden, so ist, wie ich vernehme, von der erstern Cassationsrecurs gegen das Urtheil ergriffen worden. Die Sache kommt also nach Leipzig. Unter den verschiedenen Toasten, welche bei dem Festessen der Dinologen ausgebracht worden sind, brachte u. A. Herr Buhl aus Deides- heim in der Rheinpfalz, eine anerkannte Koryphäe in Sachen des Weinbaus, der Stadt Colmar einen Gruß aus der Pfalz, betonte aber dabei, daß gleich¬ wohl das Elsaß in der rationellen Behandlung des Weines noch sehr hinter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/113>, abgerufen am 22.07.2024.