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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band.

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Lande ist die Thronnachfolge bestimmt geregelt: der älteste Sohn der ersten
dem Stamme der Wada ""gehörigen Frau des Sultans ist der Nachfolger
des Vaters; in Darfur dagegen ist der Tod des Sultans das Signal zu
schrecklichen inneren Kriegen, während deren natürlich alle Verbindungen ab¬
geschnitten sind. Diese Verzögerung benutzte Nachtigal, um sehr wichtige
geographische Studien vorzunehmen. Nach Verlauf von mehreren Monaten
wurde die Straße nach Darfur wieder frei, nachdem es dem Sohne des Sul¬
tans gelungen war, seine Anerkennung zu erzwingen. Fast waren vier Jahre
vergangen, seitdem Nachtigal Tripolis verlassen; seine Gesundheit war er¬
schöpft und er fühlte daher eine begreifliche Eile, wieder in civilisirte Land¬
striche zu gelangen. Er schlug also in starken Märschen die Richtung auf
Darfur ein. Dieses Land ist außerordentlich reich an Wild und Wasservögeln;
mit jedem Schritt stößt man auf ungeheuere Heerden von Antilopen; der Ele¬
phant, der nach Norden immer seltener wird, findet sich dort in großer Zahl;
or. Nachtigal hat in jenen Gegenden auch das Rhinoceros mit zwei
Hörnern angetroffen, er hat mehrere getödtet und einige Specimina mitgebracht.
Man findet in Darfur wahre Wälder von Tänarium; von Zeit zu Zeit
stößt man auf große Ströme von 2 -- 300 Meter Breite; ihre Betten sind
vollständig trocken, aber man hat in dieselben nur eine Vertiefung einzugraben,
und man ist sicher, schon bei geringer Tiefe auf Wasser zu stoßen. Nachtigal
schätzt die Bevölkerung von Darfur auf ungefähr vier Millionen Einwohner;
der Reisende hat diese Zahl durch ziemlich genaue Anhaltspunkte feststellen
können, denn wenige Länder in jenem Erdtheile sind so gut verwaltet wie
jenes: das ganze Land ist in Provinzen eingetheilt, die Provinzen in Bezirke,
die Bezirke in Kreise, die Kreise in Dörfer. Die Hauptstadt von Darfur ist
Fashum, und befindet sich dieselbe zehn Tagemarsche von der Wadai-Grenze
entfernt. Ihre vornehmlichsten Einwohner sind Kaufleute, die Handel mit
den Nilgegenden treiben. Von Fashum aus richtete Nachtigal seinen Weg
auf Khastum und gelangte in eine weite Wüste, in welcher man 34 Tage
zu reisen hat, ohne auf einen Brunnen zu stoßen; die Araber ersetzen die
fehlenden Brunnen durch dicke Bäume, deren Stämme sich leicht aushöhlen
lassen und in welche sie das Wasser gießen, dessen sie unterwegs nöthig haben;
jeder dieser Bäume saßt an Wasser die Ladung von 30 bis 40 Kameelen,
d. h. von 3 bis 400 Centnern, in sich; es giebt deren, die selbst bis zu 1000
Centnern aufzunehmen vermögen.

An der Grenze von Darfur traf Dr. Nachtigal in einem Orte, welcher
den Namen El Maid führt, den General-Gouverneur von Sudan, welcher an
der Spitze der Truppen des Vizekönigs von Aegypten gegen Darfur marschirte.
Bekanntlich war das Resultat jenes Feldzuges die Eroberung von Darfur
durch Aegypten. Mehr als dreihundert Jahre lang hatte die durch diesen


Grenzboten IV. 187b. 14

Lande ist die Thronnachfolge bestimmt geregelt: der älteste Sohn der ersten
dem Stamme der Wada «»gehörigen Frau des Sultans ist der Nachfolger
des Vaters; in Darfur dagegen ist der Tod des Sultans das Signal zu
schrecklichen inneren Kriegen, während deren natürlich alle Verbindungen ab¬
geschnitten sind. Diese Verzögerung benutzte Nachtigal, um sehr wichtige
geographische Studien vorzunehmen. Nach Verlauf von mehreren Monaten
wurde die Straße nach Darfur wieder frei, nachdem es dem Sohne des Sul¬
tans gelungen war, seine Anerkennung zu erzwingen. Fast waren vier Jahre
vergangen, seitdem Nachtigal Tripolis verlassen; seine Gesundheit war er¬
schöpft und er fühlte daher eine begreifliche Eile, wieder in civilisirte Land¬
striche zu gelangen. Er schlug also in starken Märschen die Richtung auf
Darfur ein. Dieses Land ist außerordentlich reich an Wild und Wasservögeln;
mit jedem Schritt stößt man auf ungeheuere Heerden von Antilopen; der Ele¬
phant, der nach Norden immer seltener wird, findet sich dort in großer Zahl;
or. Nachtigal hat in jenen Gegenden auch das Rhinoceros mit zwei
Hörnern angetroffen, er hat mehrere getödtet und einige Specimina mitgebracht.
Man findet in Darfur wahre Wälder von Tänarium; von Zeit zu Zeit
stößt man auf große Ströme von 2 — 300 Meter Breite; ihre Betten sind
vollständig trocken, aber man hat in dieselben nur eine Vertiefung einzugraben,
und man ist sicher, schon bei geringer Tiefe auf Wasser zu stoßen. Nachtigal
schätzt die Bevölkerung von Darfur auf ungefähr vier Millionen Einwohner;
der Reisende hat diese Zahl durch ziemlich genaue Anhaltspunkte feststellen
können, denn wenige Länder in jenem Erdtheile sind so gut verwaltet wie
jenes: das ganze Land ist in Provinzen eingetheilt, die Provinzen in Bezirke,
die Bezirke in Kreise, die Kreise in Dörfer. Die Hauptstadt von Darfur ist
Fashum, und befindet sich dieselbe zehn Tagemarsche von der Wadai-Grenze
entfernt. Ihre vornehmlichsten Einwohner sind Kaufleute, die Handel mit
den Nilgegenden treiben. Von Fashum aus richtete Nachtigal seinen Weg
auf Khastum und gelangte in eine weite Wüste, in welcher man 34 Tage
zu reisen hat, ohne auf einen Brunnen zu stoßen; die Araber ersetzen die
fehlenden Brunnen durch dicke Bäume, deren Stämme sich leicht aushöhlen
lassen und in welche sie das Wasser gießen, dessen sie unterwegs nöthig haben;
jeder dieser Bäume saßt an Wasser die Ladung von 30 bis 40 Kameelen,
d. h. von 3 bis 400 Centnern, in sich; es giebt deren, die selbst bis zu 1000
Centnern aufzunehmen vermögen.

An der Grenze von Darfur traf Dr. Nachtigal in einem Orte, welcher
den Namen El Maid führt, den General-Gouverneur von Sudan, welcher an
der Spitze der Truppen des Vizekönigs von Aegypten gegen Darfur marschirte.
Bekanntlich war das Resultat jenes Feldzuges die Eroberung von Darfur
durch Aegypten. Mehr als dreihundert Jahre lang hatte die durch diesen


Grenzboten IV. 187b. 14
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[0109] Lande ist die Thronnachfolge bestimmt geregelt: der älteste Sohn der ersten dem Stamme der Wada «»gehörigen Frau des Sultans ist der Nachfolger des Vaters; in Darfur dagegen ist der Tod des Sultans das Signal zu schrecklichen inneren Kriegen, während deren natürlich alle Verbindungen ab¬ geschnitten sind. Diese Verzögerung benutzte Nachtigal, um sehr wichtige geographische Studien vorzunehmen. Nach Verlauf von mehreren Monaten wurde die Straße nach Darfur wieder frei, nachdem es dem Sohne des Sul¬ tans gelungen war, seine Anerkennung zu erzwingen. Fast waren vier Jahre vergangen, seitdem Nachtigal Tripolis verlassen; seine Gesundheit war er¬ schöpft und er fühlte daher eine begreifliche Eile, wieder in civilisirte Land¬ striche zu gelangen. Er schlug also in starken Märschen die Richtung auf Darfur ein. Dieses Land ist außerordentlich reich an Wild und Wasservögeln; mit jedem Schritt stößt man auf ungeheuere Heerden von Antilopen; der Ele¬ phant, der nach Norden immer seltener wird, findet sich dort in großer Zahl; or. Nachtigal hat in jenen Gegenden auch das Rhinoceros mit zwei Hörnern angetroffen, er hat mehrere getödtet und einige Specimina mitgebracht. Man findet in Darfur wahre Wälder von Tänarium; von Zeit zu Zeit stößt man auf große Ströme von 2 — 300 Meter Breite; ihre Betten sind vollständig trocken, aber man hat in dieselben nur eine Vertiefung einzugraben, und man ist sicher, schon bei geringer Tiefe auf Wasser zu stoßen. Nachtigal schätzt die Bevölkerung von Darfur auf ungefähr vier Millionen Einwohner; der Reisende hat diese Zahl durch ziemlich genaue Anhaltspunkte feststellen können, denn wenige Länder in jenem Erdtheile sind so gut verwaltet wie jenes: das ganze Land ist in Provinzen eingetheilt, die Provinzen in Bezirke, die Bezirke in Kreise, die Kreise in Dörfer. Die Hauptstadt von Darfur ist Fashum, und befindet sich dieselbe zehn Tagemarsche von der Wadai-Grenze entfernt. Ihre vornehmlichsten Einwohner sind Kaufleute, die Handel mit den Nilgegenden treiben. Von Fashum aus richtete Nachtigal seinen Weg auf Khastum und gelangte in eine weite Wüste, in welcher man 34 Tage zu reisen hat, ohne auf einen Brunnen zu stoßen; die Araber ersetzen die fehlenden Brunnen durch dicke Bäume, deren Stämme sich leicht aushöhlen lassen und in welche sie das Wasser gießen, dessen sie unterwegs nöthig haben; jeder dieser Bäume saßt an Wasser die Ladung von 30 bis 40 Kameelen, d. h. von 3 bis 400 Centnern, in sich; es giebt deren, die selbst bis zu 1000 Centnern aufzunehmen vermögen. An der Grenze von Darfur traf Dr. Nachtigal in einem Orte, welcher den Namen El Maid führt, den General-Gouverneur von Sudan, welcher an der Spitze der Truppen des Vizekönigs von Aegypten gegen Darfur marschirte. Bekanntlich war das Resultat jenes Feldzuges die Eroberung von Darfur durch Aegypten. Mehr als dreihundert Jahre lang hatte die durch diesen Grenzboten IV. 187b. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_148596/109>, abgerufen am 23.07.2024.