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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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erlebt hat, so wird Niemand im Stande sein, etwa hervorragenden künst¬
lerischen Leistungen der Hauptdarsteller diesen Erfolg beizumessen. Nein, die
Macht der Dichtung einzig und allein ist es, welche das Königsberger Publi¬
kum bezwungen! Wie gewaltig die Wirkung der Dichtung sein muß, wenn
erst einmal wirkliche Künstler die beiden Hauptfiguren zur Darstellung bringen,
-- das läßt sich aus dem hier Erlebten mit ziemlicher Sicherheit ahnen!
Möchten die größeren Bühnen Deutschlands sich bald aufraffen, eine Probe
auf die Richtigkeit des eben Gesagten zu versuchen!

Der Name des Dichters, über dessen dramatische Erstgeburt wir hier be¬
richten, ist ein nicht ganz unbekannter: es ist Felix Dahn, ordentlicher
Professor des deutschen Rechtes an der Universität Königsberg, der seit dem
Herbst 1872 hier lebt und lehrt, also ein Gelehrter, dessen rechtshistorische
und historische Arbeiten ihm unter den Fach genossen einen geachteten Namen
verschafft haben. Schon mehrfach hatte Dahn in den letzten Jahren poetische
Schöpfungen veröffentlicht*), Gedichte epischen und lyrischen Inhaltes, unter
denen immerhin einzelne patriotische Lieder und einzelne Balladen und Ro¬
manzen eine wirklich poetische Begabung und ein nicht gewöhnliches Talent
dichterischer Formengebung an den Tag gelegt hatten. Alles bisher geleistete
aber ist weit übertroffen durch das erste Drama, das vor Kurzem im Buch¬
handel erschienen**) und nun sich auch auf der Bühne bewährt hat.

Auf dem Boden historischer Studien ist die Dichtung erwachsen und zwar
derjenigen Studien, die gerade in den letzten Jahren auch zu gelehrten Arbei¬
ten dem Verfasser Anlaß gegeben. Dahn behandelt hier wie in seinem rechts-
hiflorischen Werke die Geschichte des Westgothenreiches in Spanien. Bekannt¬
lich hieß der letzte Westgothenkönig Noderich, der nach ganz kurzer Negierung
bei dem Einbruch der Mauren unter Taret 711 in der Schlacht von Xerez
de la Frontera Thron und Leben eingebüßt hat.

Die Geschichte weiß von der Persönlichkeit dieses Noderich so gut wie
gar nichts; nur die nackten Thatsachen stehen fest, daß nach Witiza's Tode
mit Uebergehung seiner Söhne Roderich auf den Thron sich geschwungen, daß
die Söhne Witiza's an die Mauren in Nordafrika sich gewendet und daß
diese Mauren dann, gerufen also von einer Gothischen Partei, das Reich
Roderich's und der Westgothen im ersten Anlauf zu Boden geworfen. Im
späteren Mittelalter hat die Sage einzelne neue Züge zu diesem Bilde hinzu
erfunden. Spätere spanische Chronisten erzählen von der verrätherischen Thä-




Gedichte. Erste Sammlung. Stuttgart 1867. -- Gedichte. Zweite Sammlung in
zwei Abtheilungen. Stuttgart, 1872 u. 1873. -- Sind Götter? Die Halfred Sigswldsaga.
Stuttgart, 1874, -- Zwölf Balladen. Leipzig, Breitkopf K Härtel 187S.
-) König Roderich. Ein Trauerspiel in fünf Auszügen von Felix Dahn. Leipzig, I. F.
Hartknoch. 1875.

erlebt hat, so wird Niemand im Stande sein, etwa hervorragenden künst¬
lerischen Leistungen der Hauptdarsteller diesen Erfolg beizumessen. Nein, die
Macht der Dichtung einzig und allein ist es, welche das Königsberger Publi¬
kum bezwungen! Wie gewaltig die Wirkung der Dichtung sein muß, wenn
erst einmal wirkliche Künstler die beiden Hauptfiguren zur Darstellung bringen,
— das läßt sich aus dem hier Erlebten mit ziemlicher Sicherheit ahnen!
Möchten die größeren Bühnen Deutschlands sich bald aufraffen, eine Probe
auf die Richtigkeit des eben Gesagten zu versuchen!

Der Name des Dichters, über dessen dramatische Erstgeburt wir hier be¬
richten, ist ein nicht ganz unbekannter: es ist Felix Dahn, ordentlicher
Professor des deutschen Rechtes an der Universität Königsberg, der seit dem
Herbst 1872 hier lebt und lehrt, also ein Gelehrter, dessen rechtshistorische
und historische Arbeiten ihm unter den Fach genossen einen geachteten Namen
verschafft haben. Schon mehrfach hatte Dahn in den letzten Jahren poetische
Schöpfungen veröffentlicht*), Gedichte epischen und lyrischen Inhaltes, unter
denen immerhin einzelne patriotische Lieder und einzelne Balladen und Ro¬
manzen eine wirklich poetische Begabung und ein nicht gewöhnliches Talent
dichterischer Formengebung an den Tag gelegt hatten. Alles bisher geleistete
aber ist weit übertroffen durch das erste Drama, das vor Kurzem im Buch¬
handel erschienen**) und nun sich auch auf der Bühne bewährt hat.

Auf dem Boden historischer Studien ist die Dichtung erwachsen und zwar
derjenigen Studien, die gerade in den letzten Jahren auch zu gelehrten Arbei¬
ten dem Verfasser Anlaß gegeben. Dahn behandelt hier wie in seinem rechts-
hiflorischen Werke die Geschichte des Westgothenreiches in Spanien. Bekannt¬
lich hieß der letzte Westgothenkönig Noderich, der nach ganz kurzer Negierung
bei dem Einbruch der Mauren unter Taret 711 in der Schlacht von Xerez
de la Frontera Thron und Leben eingebüßt hat.

Die Geschichte weiß von der Persönlichkeit dieses Noderich so gut wie
gar nichts; nur die nackten Thatsachen stehen fest, daß nach Witiza's Tode
mit Uebergehung seiner Söhne Roderich auf den Thron sich geschwungen, daß
die Söhne Witiza's an die Mauren in Nordafrika sich gewendet und daß
diese Mauren dann, gerufen also von einer Gothischen Partei, das Reich
Roderich's und der Westgothen im ersten Anlauf zu Boden geworfen. Im
späteren Mittelalter hat die Sage einzelne neue Züge zu diesem Bilde hinzu
erfunden. Spätere spanische Chronisten erzählen von der verrätherischen Thä-




Gedichte. Erste Sammlung. Stuttgart 1867. — Gedichte. Zweite Sammlung in
zwei Abtheilungen. Stuttgart, 1872 u. 1873. — Sind Götter? Die Halfred Sigswldsaga.
Stuttgart, 1874, — Zwölf Balladen. Leipzig, Breitkopf K Härtel 187S.
-) König Roderich. Ein Trauerspiel in fünf Auszügen von Felix Dahn. Leipzig, I. F.
Hartknoch. 1875.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/96>, abgerufen am 06.02.2025.