Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

deutschen Studentenwohnungen begnügen, sondern stets für jeden einzelnen
zwei sehr geräumige und elegant eingerichtete Zimmer beanspruchen. Wir
sind also genöthigt, uns noch einen zweiten Gebäude-Complex von derselben
Gestalt und Ausdehnung hinzuzudenken, um etwa 150 Studenten und ca. 20
Fellows, wenn wir ein College von reichlich mittlerer Größe annehmen, un¬
terzubringen und außerdem noch für die in vielen solcher Anstalten sehr gro߬
artige Bibliothek Platz zu gewinnen. Unmittelbar an das College stößt ge¬
wöhnlich ein prachtvoller, oft parkähnlich großer Garten mit üppig grünen
Rasenplätzen, sorgfältig gehegten Blumenbeeten, zierlichen Springbrunnen,
künstlichen Teichen und uralten, schattigen Baumgruppen, unter denen sogar
in dem Park von Magdalen College in Oxford, dem schönsten von allen, zahme
Hirsche und Rehe in kleinen Rudeln .friedlich grasen. Bedenkt man, daß
Cambridge 17, Oxford gar 21 solcher theils größerer, theils kleinerer Gebäude
besitzt und rechnet man dazu noch die anderen zu der Universität gehörigen
monumentalen Bauten, wie die verschiedenen öffentlichen Bibliotheken, Museen,
Druckereien, so kann man in der That für diese Oerter von etwa 30,000
Einwohnern die stolze Bezeichnung Städte von Palästen, wie namentlich Ox¬
ford manchmal genannt wird, nur gerechtfertigt finden.

So erscheinen diese englischen Wohnsitze gelehrter Studien, die mit den
reichsten wissenschaftlichen Schätzen, mit einem wahren Ueberfluß an Hülss¬
auellen, mit allen Erfordernissen und Privilegien zu einer ungestörten und
unabhängigen Pflege der Studien ausgestattet sind, auf den ersten Blick als
wahrhaft ideale Pflegestätten der Wissenschaft. Betrachten wir aber, was mit
diesen großartigen, beneidenswerthen Mitteln für die Wissenschaft erreicht wird,
fo finden wir das Resultat -- und darüber machen sich auch die aufgeklärte¬
ren Engländer selber keine Illusionen -- leider den aufgewandten Mitteln
sehr wenig entsprechend. Daß dem so ist, wird schwerlich bestritten werden
nach einer genaueren Prüfung der Organisation der beiden Universitäten ihrer
Unterrichtsgegenstände und ihrer Unterrichtsmethode.

Was zunächst die gegenwärtige Organisation derselben betrifft, so ist zu
dem schon Angedeuteten nur wenig hinzuzufügen. Die Universität als eine
Körperschaft wird gebildet von dem lebenslänglich ernannten Kanzler und
dem alle 4 Jahre wechselnden Vicekanzler -- ersterer stets einer der vornehm¬
sten Adligen des Landes, letzterer statutenmäßig stets ein Präsident eines der
Colleges, -- ferner den besonders angestellten Universitäts - Professoren, den
Präsidenten und.Fellows der Colleges und den übrigen stimmfähigen Mit¬
gliedern derselben. Zu diesen stimmfähigen Mitgliedern gehören aber nicht
bloß die in irgend einer Stellung an der Universität beschäftigten oder an¬
wesenden, sondern auch solche Personen, welche die Universität nach Erlangung
des für die dauernde Mitgliedschaft erforderlichen akademischen Grades eines


deutschen Studentenwohnungen begnügen, sondern stets für jeden einzelnen
zwei sehr geräumige und elegant eingerichtete Zimmer beanspruchen. Wir
sind also genöthigt, uns noch einen zweiten Gebäude-Complex von derselben
Gestalt und Ausdehnung hinzuzudenken, um etwa 150 Studenten und ca. 20
Fellows, wenn wir ein College von reichlich mittlerer Größe annehmen, un¬
terzubringen und außerdem noch für die in vielen solcher Anstalten sehr gro߬
artige Bibliothek Platz zu gewinnen. Unmittelbar an das College stößt ge¬
wöhnlich ein prachtvoller, oft parkähnlich großer Garten mit üppig grünen
Rasenplätzen, sorgfältig gehegten Blumenbeeten, zierlichen Springbrunnen,
künstlichen Teichen und uralten, schattigen Baumgruppen, unter denen sogar
in dem Park von Magdalen College in Oxford, dem schönsten von allen, zahme
Hirsche und Rehe in kleinen Rudeln .friedlich grasen. Bedenkt man, daß
Cambridge 17, Oxford gar 21 solcher theils größerer, theils kleinerer Gebäude
besitzt und rechnet man dazu noch die anderen zu der Universität gehörigen
monumentalen Bauten, wie die verschiedenen öffentlichen Bibliotheken, Museen,
Druckereien, so kann man in der That für diese Oerter von etwa 30,000
Einwohnern die stolze Bezeichnung Städte von Palästen, wie namentlich Ox¬
ford manchmal genannt wird, nur gerechtfertigt finden.

So erscheinen diese englischen Wohnsitze gelehrter Studien, die mit den
reichsten wissenschaftlichen Schätzen, mit einem wahren Ueberfluß an Hülss¬
auellen, mit allen Erfordernissen und Privilegien zu einer ungestörten und
unabhängigen Pflege der Studien ausgestattet sind, auf den ersten Blick als
wahrhaft ideale Pflegestätten der Wissenschaft. Betrachten wir aber, was mit
diesen großartigen, beneidenswerthen Mitteln für die Wissenschaft erreicht wird,
fo finden wir das Resultat — und darüber machen sich auch die aufgeklärte¬
ren Engländer selber keine Illusionen — leider den aufgewandten Mitteln
sehr wenig entsprechend. Daß dem so ist, wird schwerlich bestritten werden
nach einer genaueren Prüfung der Organisation der beiden Universitäten ihrer
Unterrichtsgegenstände und ihrer Unterrichtsmethode.

Was zunächst die gegenwärtige Organisation derselben betrifft, so ist zu
dem schon Angedeuteten nur wenig hinzuzufügen. Die Universität als eine
Körperschaft wird gebildet von dem lebenslänglich ernannten Kanzler und
dem alle 4 Jahre wechselnden Vicekanzler — ersterer stets einer der vornehm¬
sten Adligen des Landes, letzterer statutenmäßig stets ein Präsident eines der
Colleges, — ferner den besonders angestellten Universitäts - Professoren, den
Präsidenten und.Fellows der Colleges und den übrigen stimmfähigen Mit¬
gliedern derselben. Zu diesen stimmfähigen Mitgliedern gehören aber nicht
bloß die in irgend einer Stellung an der Universität beschäftigten oder an¬
wesenden, sondern auch solche Personen, welche die Universität nach Erlangung
des für die dauernde Mitgliedschaft erforderlichen akademischen Grades eines


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0091" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133379"/>
          <p xml:id="ID_273" prev="#ID_272"> deutschen Studentenwohnungen begnügen, sondern stets für jeden einzelnen<lb/>
zwei sehr geräumige und elegant eingerichtete Zimmer beanspruchen. Wir<lb/>
sind also genöthigt, uns noch einen zweiten Gebäude-Complex von derselben<lb/>
Gestalt und Ausdehnung hinzuzudenken, um etwa 150 Studenten und ca. 20<lb/>
Fellows, wenn wir ein College von reichlich mittlerer Größe annehmen, un¬<lb/>
terzubringen und außerdem noch für die in vielen solcher Anstalten sehr gro߬<lb/>
artige Bibliothek Platz zu gewinnen. Unmittelbar an das College stößt ge¬<lb/>
wöhnlich ein prachtvoller, oft parkähnlich großer Garten mit üppig grünen<lb/>
Rasenplätzen, sorgfältig gehegten Blumenbeeten, zierlichen Springbrunnen,<lb/>
künstlichen Teichen und uralten, schattigen Baumgruppen, unter denen sogar<lb/>
in dem Park von Magdalen College in Oxford, dem schönsten von allen, zahme<lb/>
Hirsche und Rehe in kleinen Rudeln .friedlich grasen. Bedenkt man, daß<lb/>
Cambridge 17, Oxford gar 21 solcher theils größerer, theils kleinerer Gebäude<lb/>
besitzt und rechnet man dazu noch die anderen zu der Universität gehörigen<lb/>
monumentalen Bauten, wie die verschiedenen öffentlichen Bibliotheken, Museen,<lb/>
Druckereien, so kann man in der That für diese Oerter von etwa 30,000<lb/>
Einwohnern die stolze Bezeichnung Städte von Palästen, wie namentlich Ox¬<lb/>
ford manchmal genannt wird, nur gerechtfertigt finden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_274"> So erscheinen diese englischen Wohnsitze gelehrter Studien, die mit den<lb/>
reichsten wissenschaftlichen Schätzen, mit einem wahren Ueberfluß an Hülss¬<lb/>
auellen, mit allen Erfordernissen und Privilegien zu einer ungestörten und<lb/>
unabhängigen Pflege der Studien ausgestattet sind, auf den ersten Blick als<lb/>
wahrhaft ideale Pflegestätten der Wissenschaft. Betrachten wir aber, was mit<lb/>
diesen großartigen, beneidenswerthen Mitteln für die Wissenschaft erreicht wird,<lb/>
fo finden wir das Resultat &#x2014; und darüber machen sich auch die aufgeklärte¬<lb/>
ren Engländer selber keine Illusionen &#x2014; leider den aufgewandten Mitteln<lb/>
sehr wenig entsprechend. Daß dem so ist, wird schwerlich bestritten werden<lb/>
nach einer genaueren Prüfung der Organisation der beiden Universitäten ihrer<lb/>
Unterrichtsgegenstände und ihrer Unterrichtsmethode.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_275" next="#ID_276"> Was zunächst die gegenwärtige Organisation derselben betrifft, so ist zu<lb/>
dem schon Angedeuteten nur wenig hinzuzufügen. Die Universität als eine<lb/>
Körperschaft wird gebildet von dem lebenslänglich ernannten Kanzler und<lb/>
dem alle 4 Jahre wechselnden Vicekanzler &#x2014; ersterer stets einer der vornehm¬<lb/>
sten Adligen des Landes, letzterer statutenmäßig stets ein Präsident eines der<lb/>
Colleges, &#x2014; ferner den besonders angestellten Universitäts - Professoren, den<lb/>
Präsidenten und.Fellows der Colleges und den übrigen stimmfähigen Mit¬<lb/>
gliedern derselben. Zu diesen stimmfähigen Mitgliedern gehören aber nicht<lb/>
bloß die in irgend einer Stellung an der Universität beschäftigten oder an¬<lb/>
wesenden, sondern auch solche Personen, welche die Universität nach Erlangung<lb/>
des für die dauernde Mitgliedschaft erforderlichen akademischen Grades eines</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0091] deutschen Studentenwohnungen begnügen, sondern stets für jeden einzelnen zwei sehr geräumige und elegant eingerichtete Zimmer beanspruchen. Wir sind also genöthigt, uns noch einen zweiten Gebäude-Complex von derselben Gestalt und Ausdehnung hinzuzudenken, um etwa 150 Studenten und ca. 20 Fellows, wenn wir ein College von reichlich mittlerer Größe annehmen, un¬ terzubringen und außerdem noch für die in vielen solcher Anstalten sehr gro߬ artige Bibliothek Platz zu gewinnen. Unmittelbar an das College stößt ge¬ wöhnlich ein prachtvoller, oft parkähnlich großer Garten mit üppig grünen Rasenplätzen, sorgfältig gehegten Blumenbeeten, zierlichen Springbrunnen, künstlichen Teichen und uralten, schattigen Baumgruppen, unter denen sogar in dem Park von Magdalen College in Oxford, dem schönsten von allen, zahme Hirsche und Rehe in kleinen Rudeln .friedlich grasen. Bedenkt man, daß Cambridge 17, Oxford gar 21 solcher theils größerer, theils kleinerer Gebäude besitzt und rechnet man dazu noch die anderen zu der Universität gehörigen monumentalen Bauten, wie die verschiedenen öffentlichen Bibliotheken, Museen, Druckereien, so kann man in der That für diese Oerter von etwa 30,000 Einwohnern die stolze Bezeichnung Städte von Palästen, wie namentlich Ox¬ ford manchmal genannt wird, nur gerechtfertigt finden. So erscheinen diese englischen Wohnsitze gelehrter Studien, die mit den reichsten wissenschaftlichen Schätzen, mit einem wahren Ueberfluß an Hülss¬ auellen, mit allen Erfordernissen und Privilegien zu einer ungestörten und unabhängigen Pflege der Studien ausgestattet sind, auf den ersten Blick als wahrhaft ideale Pflegestätten der Wissenschaft. Betrachten wir aber, was mit diesen großartigen, beneidenswerthen Mitteln für die Wissenschaft erreicht wird, fo finden wir das Resultat — und darüber machen sich auch die aufgeklärte¬ ren Engländer selber keine Illusionen — leider den aufgewandten Mitteln sehr wenig entsprechend. Daß dem so ist, wird schwerlich bestritten werden nach einer genaueren Prüfung der Organisation der beiden Universitäten ihrer Unterrichtsgegenstände und ihrer Unterrichtsmethode. Was zunächst die gegenwärtige Organisation derselben betrifft, so ist zu dem schon Angedeuteten nur wenig hinzuzufügen. Die Universität als eine Körperschaft wird gebildet von dem lebenslänglich ernannten Kanzler und dem alle 4 Jahre wechselnden Vicekanzler — ersterer stets einer der vornehm¬ sten Adligen des Landes, letzterer statutenmäßig stets ein Präsident eines der Colleges, — ferner den besonders angestellten Universitäts - Professoren, den Präsidenten und.Fellows der Colleges und den übrigen stimmfähigen Mit¬ gliedern derselben. Zu diesen stimmfähigen Mitgliedern gehören aber nicht bloß die in irgend einer Stellung an der Universität beschäftigten oder an¬ wesenden, sondern auch solche Personen, welche die Universität nach Erlangung des für die dauernde Mitgliedschaft erforderlichen akademischen Grades eines

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/91
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/91>, abgerufen am 06.02.2025.