Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.halten hat. Man kann noch heute zu Gunsten dieser nachtheiligen Einrich¬ Die altpreußische Zerreißung der Mittelinstanz wirkte bisher nicht in halten hat. Man kann noch heute zu Gunsten dieser nachtheiligen Einrich¬ Die altpreußische Zerreißung der Mittelinstanz wirkte bisher nicht in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0080" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133368"/> <p xml:id="ID_242" prev="#ID_241"> halten hat. Man kann noch heute zu Gunsten dieser nachtheiligen Einrich¬<lb/> tung von ganz gescheidten Männern Aeußerungen hören wie die: die Leute<lb/> fühlen sich doch als Rheinländer, Pommern, Preußen u. s. w. Als ob da¬<lb/> mit etwas über die Zweckmäßigkeit der Verwaltungsgliederungen ausgesagt<lb/> wäre. Als Rheinländer fühlen sich nicht nur die Bewohner der preußischen<lb/> Rheinprovinz, sondern auch die großherzoglichen Hessen, die badischen Pfälzer<lb/> und selbst die Anwohner des Oberrheins. Wenn die Geschichte den politischen<lb/> Partikularismus dieser Landschaften einmal verschwinden ließe, so duften wir<lb/> nach jenen klugen Leuten auch nicht mehr an eine administrative Gliederung<lb/> derselben denken, während doch die Lebensverhältnisse der Nheinumwohner<lb/> recht verschiedene sociale Organismen aufzeigen.</p><lb/> <p xml:id="ID_243" next="#ID_244"> Die altpreußische Zerreißung der Mittelinstanz wirkte bisher nicht in<lb/> ihrer ganzen Fehlerhaftigkeit aus folgenden Gründen. Die Stellung der<lb/> Provinzialbchörden, also der oberen Mittelinstanz, neben den Bezirksregie¬<lb/> rungen, also der unteren Mittelinstanz, war ein Durcheinander von Coordi-<lb/> nation und Superordination. Einige Provinzialbchörden waren unmittelbar<lb/> d. h. ohne Vermittelung der unteren Mittelinstanz den Localbehörden über¬<lb/> geordnet. Andrerseits verkehrten die Centralbehörden d. h. die Ministerien<lb/> unmittelbar mit der unteren Mittelinstanz d. h. mit den Regierungen. Die<lb/> Provinzen waren also Verwaltungskörper vom weiteren Umfcing als die Re¬<lb/> gierungsbezirke, sie gingen mit den ihnen überwiesenen Gegenständen durch<lb/> die Regierungsbezirke durch, aber mit der Ueberordnung der Provinzialbchör¬<lb/> den über die Regierungen hatte es nicht viel auf sich. Die Stellung der Ober¬<lb/> präsidenten hat von jeher an einer auffälligen Unklarheit gelitten. In den<lb/> Händen bedeutender Persönlichkeiten war sie sehr wirksam, in anderen Händen<lb/> gar nicht. So gestaltete sich die Theilung der Mittelinstanz mehr zu einer<lb/> Coordination verschiedener Behörden von weiterem und engerem Wirkungs¬<lb/> kreis, als zu einer Ueberfüllung der Jnstanzenleiter. Von guter Wirkung<lb/> war die Theilung demnach nicht. Es ist immer ein Uebelstand für die Re¬<lb/> gierten, es hemmt immer die Lebendigkeit organischer Verbände, unmittelbar von<lb/> verschiedenen Punkten abzuhängen, wenn auch in verschiedenen Beziehungen.<lb/> Und doch hängt von der richtigen Bildung der Mittelinstanz in einem<lb/> großen Staat außerordentlich viel ab. Enthält die Mittelinstanz zuviel coor-<lb/> dinirte Glieder von kleinem Wirkungskreis, wie es bei der französischen De-<lb/> partcmentalverfasfung der Fall, so entstehen die Uebelstände einer falschen<lb/> Centralisation. Die Mittelinstanz ist den Localbehörden zu nahe und das<lb/> Centrum drückt zu sehr auf die Mittelinst.anz, die nicht zu der nöthigen rela¬<lb/> tiven Selbständigkeit gelangt. Besteht dagegen die Mittelinstanz aus zu we¬<lb/> nig Gliedern von zu großem Wirkungskreis, so lockert sich das Gefüge des<lb/> ganzen Staates. Entweder die Localbehörden gelangen zu einer gefährlichen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0080]
halten hat. Man kann noch heute zu Gunsten dieser nachtheiligen Einrich¬
tung von ganz gescheidten Männern Aeußerungen hören wie die: die Leute
fühlen sich doch als Rheinländer, Pommern, Preußen u. s. w. Als ob da¬
mit etwas über die Zweckmäßigkeit der Verwaltungsgliederungen ausgesagt
wäre. Als Rheinländer fühlen sich nicht nur die Bewohner der preußischen
Rheinprovinz, sondern auch die großherzoglichen Hessen, die badischen Pfälzer
und selbst die Anwohner des Oberrheins. Wenn die Geschichte den politischen
Partikularismus dieser Landschaften einmal verschwinden ließe, so duften wir
nach jenen klugen Leuten auch nicht mehr an eine administrative Gliederung
derselben denken, während doch die Lebensverhältnisse der Nheinumwohner
recht verschiedene sociale Organismen aufzeigen.
Die altpreußische Zerreißung der Mittelinstanz wirkte bisher nicht in
ihrer ganzen Fehlerhaftigkeit aus folgenden Gründen. Die Stellung der
Provinzialbchörden, also der oberen Mittelinstanz, neben den Bezirksregie¬
rungen, also der unteren Mittelinstanz, war ein Durcheinander von Coordi-
nation und Superordination. Einige Provinzialbchörden waren unmittelbar
d. h. ohne Vermittelung der unteren Mittelinstanz den Localbehörden über¬
geordnet. Andrerseits verkehrten die Centralbehörden d. h. die Ministerien
unmittelbar mit der unteren Mittelinstanz d. h. mit den Regierungen. Die
Provinzen waren also Verwaltungskörper vom weiteren Umfcing als die Re¬
gierungsbezirke, sie gingen mit den ihnen überwiesenen Gegenständen durch
die Regierungsbezirke durch, aber mit der Ueberordnung der Provinzialbchör¬
den über die Regierungen hatte es nicht viel auf sich. Die Stellung der Ober¬
präsidenten hat von jeher an einer auffälligen Unklarheit gelitten. In den
Händen bedeutender Persönlichkeiten war sie sehr wirksam, in anderen Händen
gar nicht. So gestaltete sich die Theilung der Mittelinstanz mehr zu einer
Coordination verschiedener Behörden von weiterem und engerem Wirkungs¬
kreis, als zu einer Ueberfüllung der Jnstanzenleiter. Von guter Wirkung
war die Theilung demnach nicht. Es ist immer ein Uebelstand für die Re¬
gierten, es hemmt immer die Lebendigkeit organischer Verbände, unmittelbar von
verschiedenen Punkten abzuhängen, wenn auch in verschiedenen Beziehungen.
Und doch hängt von der richtigen Bildung der Mittelinstanz in einem
großen Staat außerordentlich viel ab. Enthält die Mittelinstanz zuviel coor-
dinirte Glieder von kleinem Wirkungskreis, wie es bei der französischen De-
partcmentalverfasfung der Fall, so entstehen die Uebelstände einer falschen
Centralisation. Die Mittelinstanz ist den Localbehörden zu nahe und das
Centrum drückt zu sehr auf die Mittelinst.anz, die nicht zu der nöthigen rela¬
tiven Selbständigkeit gelangt. Besteht dagegen die Mittelinstanz aus zu we¬
nig Gliedern von zu großem Wirkungskreis, so lockert sich das Gefüge des
ganzen Staates. Entweder die Localbehörden gelangen zu einer gefährlichen.
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