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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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endlich, last not least, auf die Aufhebung der bekannten drei Verfassungs¬
artikel 16, 16 und 18. Die Wiederherstellung des königlichen Planet für die
öffentliche Bekanntmachung amtlicher Verordnungen der römischen Kirchenoberen
wird nach Aufhebung des entgegenstehenden Artikel 16 allerdings wohl auf
dem Wege der Verwaltung erfolgen können. Ebenso die Anordnung, daß
die amtliche Correspondenz der inländischen Kirchenoberen mit ihren aus¬
wärtigen Häuptern nur durch Vermittlung oder wenigstens unter Vorwissen
der Staatsregierung geführt werden darf. Man soll gegen eine solche Ma߬
regel nicht den allzu wohlfeilen Einwand erheben, daß ja das Briefgeheimniß
unverletzlich und die Postschalter für alle Welt offen seien. Es ist ein Unter¬
schied, ob inländische Kirchenobere sich auf Befehle ihrer Oberen berufen dürfen,
die ihnen auf verbotenen Wege zugegangen oder die sie wenigstens der Staate
regierung nicht mitgetheilt, oder ob sie für eine solche Unterlassung strafbar
gemacht werden können. Hierzu würde es freilich eines Gesetzes bedürfen,
eines Gesetzes, das jedenfalls unentbehrlich werden wird an dem Tage, wo
die römische Kirche einem Papst gehorcht, den das deutsche Reich nicht aner¬
kennt. Ein solcher Fall kann alle Tage eintreten. Wir werden dann auch
einer ähnlichen Einrichtung bedürfen, wie der englische Testeid war, für alle
diejenigen Katholiken, welche öffentliche Aemter bekleiden wollen. Auch können
gesetzliche Strafen nothwendig werden gegen ungesetzliche Vikare geistlicher
Aemter und den Gehorsam, der ihnen ungesetzlich und zum Widerstand gegen
die Staatsgewalt geleistet wird. Die Sequestration des kirchlichen Stiftungs¬
vermögens kann durch den Mißbrauch desselben bei ungesetzlicher Verwaltung
nothwendig werden. Alle diese Dinge schlagen wir nicht etwa vor, aber wir
sehen die Nothwendigkeit von dergleichen Maßregeln voraus, wenn Rom
seinen Kampf gegen den deutschen Staat nicht einstellt. Und wo wäre auf
solche Einstellung die entfernteste Aussicht?

Von den Gesetzen zur preußischen Verwaltungsreform haben wir diesmal
den zweiten Jahrgang bekommen. Den ersten Jahrgang bildet die Kreis¬
ordnung von 1872, welche im Dezember des genannten Jahres durch den
König vollzogen wurde. Auch von den Verwaltungsgesetzen steht noch mancher
Jahrgang in Aussicht. Man erwäge, daß die Kreisordnung und die dies¬
jährige Provinzialordnung, sowie das Gesetz über die Verwaltungsgerichte
einstweilen nur für fünf Provinzen erlassen sind. Weiter in Aussicht ge¬
nommen sind: eine Landgemeindeordnung, eine Städteordnung, eine neue
Eintheilung der Staatsbehörden, die Ausdehnung der bisherigen Reformen
auf die noch nicht einbefaßten Provinzen, die Wiederaufnahme des Gesetzes
über die Bildung einer Provinz Berlin. So viel steht bis jetzt in Aussicht,
aber noch manche Aufgabe wird sich an den Neubau knüpfen.

Was von dem bisher Geleisteten zu urtheilen, darüber haben wir uns


endlich, last not least, auf die Aufhebung der bekannten drei Verfassungs¬
artikel 16, 16 und 18. Die Wiederherstellung des königlichen Planet für die
öffentliche Bekanntmachung amtlicher Verordnungen der römischen Kirchenoberen
wird nach Aufhebung des entgegenstehenden Artikel 16 allerdings wohl auf
dem Wege der Verwaltung erfolgen können. Ebenso die Anordnung, daß
die amtliche Correspondenz der inländischen Kirchenoberen mit ihren aus¬
wärtigen Häuptern nur durch Vermittlung oder wenigstens unter Vorwissen
der Staatsregierung geführt werden darf. Man soll gegen eine solche Ma߬
regel nicht den allzu wohlfeilen Einwand erheben, daß ja das Briefgeheimniß
unverletzlich und die Postschalter für alle Welt offen seien. Es ist ein Unter¬
schied, ob inländische Kirchenobere sich auf Befehle ihrer Oberen berufen dürfen,
die ihnen auf verbotenen Wege zugegangen oder die sie wenigstens der Staate
regierung nicht mitgetheilt, oder ob sie für eine solche Unterlassung strafbar
gemacht werden können. Hierzu würde es freilich eines Gesetzes bedürfen,
eines Gesetzes, das jedenfalls unentbehrlich werden wird an dem Tage, wo
die römische Kirche einem Papst gehorcht, den das deutsche Reich nicht aner¬
kennt. Ein solcher Fall kann alle Tage eintreten. Wir werden dann auch
einer ähnlichen Einrichtung bedürfen, wie der englische Testeid war, für alle
diejenigen Katholiken, welche öffentliche Aemter bekleiden wollen. Auch können
gesetzliche Strafen nothwendig werden gegen ungesetzliche Vikare geistlicher
Aemter und den Gehorsam, der ihnen ungesetzlich und zum Widerstand gegen
die Staatsgewalt geleistet wird. Die Sequestration des kirchlichen Stiftungs¬
vermögens kann durch den Mißbrauch desselben bei ungesetzlicher Verwaltung
nothwendig werden. Alle diese Dinge schlagen wir nicht etwa vor, aber wir
sehen die Nothwendigkeit von dergleichen Maßregeln voraus, wenn Rom
seinen Kampf gegen den deutschen Staat nicht einstellt. Und wo wäre auf
solche Einstellung die entfernteste Aussicht?

Von den Gesetzen zur preußischen Verwaltungsreform haben wir diesmal
den zweiten Jahrgang bekommen. Den ersten Jahrgang bildet die Kreis¬
ordnung von 1872, welche im Dezember des genannten Jahres durch den
König vollzogen wurde. Auch von den Verwaltungsgesetzen steht noch mancher
Jahrgang in Aussicht. Man erwäge, daß die Kreisordnung und die dies¬
jährige Provinzialordnung, sowie das Gesetz über die Verwaltungsgerichte
einstweilen nur für fünf Provinzen erlassen sind. Weiter in Aussicht ge¬
nommen sind: eine Landgemeindeordnung, eine Städteordnung, eine neue
Eintheilung der Staatsbehörden, die Ausdehnung der bisherigen Reformen
auf die noch nicht einbefaßten Provinzen, die Wiederaufnahme des Gesetzes
über die Bildung einer Provinz Berlin. So viel steht bis jetzt in Aussicht,
aber noch manche Aufgabe wird sich an den Neubau knüpfen.

Was von dem bisher Geleisteten zu urtheilen, darüber haben wir uns


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[0521] endlich, last not least, auf die Aufhebung der bekannten drei Verfassungs¬ artikel 16, 16 und 18. Die Wiederherstellung des königlichen Planet für die öffentliche Bekanntmachung amtlicher Verordnungen der römischen Kirchenoberen wird nach Aufhebung des entgegenstehenden Artikel 16 allerdings wohl auf dem Wege der Verwaltung erfolgen können. Ebenso die Anordnung, daß die amtliche Correspondenz der inländischen Kirchenoberen mit ihren aus¬ wärtigen Häuptern nur durch Vermittlung oder wenigstens unter Vorwissen der Staatsregierung geführt werden darf. Man soll gegen eine solche Ma߬ regel nicht den allzu wohlfeilen Einwand erheben, daß ja das Briefgeheimniß unverletzlich und die Postschalter für alle Welt offen seien. Es ist ein Unter¬ schied, ob inländische Kirchenobere sich auf Befehle ihrer Oberen berufen dürfen, die ihnen auf verbotenen Wege zugegangen oder die sie wenigstens der Staate regierung nicht mitgetheilt, oder ob sie für eine solche Unterlassung strafbar gemacht werden können. Hierzu würde es freilich eines Gesetzes bedürfen, eines Gesetzes, das jedenfalls unentbehrlich werden wird an dem Tage, wo die römische Kirche einem Papst gehorcht, den das deutsche Reich nicht aner¬ kennt. Ein solcher Fall kann alle Tage eintreten. Wir werden dann auch einer ähnlichen Einrichtung bedürfen, wie der englische Testeid war, für alle diejenigen Katholiken, welche öffentliche Aemter bekleiden wollen. Auch können gesetzliche Strafen nothwendig werden gegen ungesetzliche Vikare geistlicher Aemter und den Gehorsam, der ihnen ungesetzlich und zum Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet wird. Die Sequestration des kirchlichen Stiftungs¬ vermögens kann durch den Mißbrauch desselben bei ungesetzlicher Verwaltung nothwendig werden. Alle diese Dinge schlagen wir nicht etwa vor, aber wir sehen die Nothwendigkeit von dergleichen Maßregeln voraus, wenn Rom seinen Kampf gegen den deutschen Staat nicht einstellt. Und wo wäre auf solche Einstellung die entfernteste Aussicht? Von den Gesetzen zur preußischen Verwaltungsreform haben wir diesmal den zweiten Jahrgang bekommen. Den ersten Jahrgang bildet die Kreis¬ ordnung von 1872, welche im Dezember des genannten Jahres durch den König vollzogen wurde. Auch von den Verwaltungsgesetzen steht noch mancher Jahrgang in Aussicht. Man erwäge, daß die Kreisordnung und die dies¬ jährige Provinzialordnung, sowie das Gesetz über die Verwaltungsgerichte einstweilen nur für fünf Provinzen erlassen sind. Weiter in Aussicht ge¬ nommen sind: eine Landgemeindeordnung, eine Städteordnung, eine neue Eintheilung der Staatsbehörden, die Ausdehnung der bisherigen Reformen auf die noch nicht einbefaßten Provinzen, die Wiederaufnahme des Gesetzes über die Bildung einer Provinz Berlin. So viel steht bis jetzt in Aussicht, aber noch manche Aufgabe wird sich an den Neubau knüpfen. Was von dem bisher Geleisteten zu urtheilen, darüber haben wir uns

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/521>, abgerufen am 06.02.2025.