Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.er zu reden gewöhnt ist, von einem solchen Werke seines Gedächtnisses Gutes Der Eindruck dieser Schrift ist durch größere Auszüge in Tageszeitungen er zu reden gewöhnt ist, von einem solchen Werke seines Gedächtnisses Gutes Der Eindruck dieser Schrift ist durch größere Auszüge in Tageszeitungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133800"/> <p xml:id="ID_1742" prev="#ID_1741"> er zu reden gewöhnt ist, von einem solchen Werke seines Gedächtnisses Gutes<lb/> versprechen. Die eigene Gruppirung und Entwickelung der Gedanken, die<lb/> Localfarbe für den bestimmten Kreis der jeweilig versammelten Hörer u. s. w.<lb/> wird jeder Redner unserer Parteien als eine selbstverständliche Mitgift be¬<lb/> trachten und mitbringen. Aber Allen, die in solcher Weise öffentlich wirken<lb/> wollen. Allen, die auch in kleineren und kleinsten Kreisen der Ausbreitung der<lb/> Socialdemokratie entgegenzutreten berufen sind, kann der Besitz und die immer<lb/> erneute Lectüre der Treitschke'schen Schrift nicht warm genug empfohlen<lb/> werden. Bor Allem werden sie durch diese Schrift die. wie die meisten<lb/> Erzeugnisse der Feder Treitschke's, eigentlich und im edelsten Sinne des Wortes<lb/> eine gedruckte Rede ist — gehoben und erhoben werden, angeweht von dem<lb/> warmen Hauche tiefster und wahrster patriotischer Begeisterung und Erregung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1743" next="#ID_1744"> Der Eindruck dieser Schrift ist durch größere Auszüge in Tageszeitungen<lb/> auch aus jene Kreise der Bevölkerung übertragen worden, welche die Social¬<lb/> demokratie noch zu gewinnen hoffte. Und vielleicht ist diese Wahrnehmung,<lb/> verbunden mit der im eigenen Lager der Socialdemokratie — wenigstens bei<lb/> den Führern — vorhandenen Erkenntniß, daß keine Druckschrift des letzten<lb/> Jahrzehnts M)r solche Wunden geschlagen, ihr eine so empfindliche Einbuße<lb/> an öffentlicher Achtung eingetragen hat, wie diese, ein Grund mit gewesen<lb/> zu jener Einigung aller socialen Parteien Deutschlands auf Grundlage eines<lb/> neuen Parteiprogramms, die sich in den jüngsten Wochen in der Hauptstadt<lb/> des Herzogs von Gotha vollzogen hat. Es giebt ja andere Gründe genug<lb/> für jene Einigung, innere und äußere, solche, die der bethörten Menge vorge¬<lb/> flunkert werden können, und solche, die wir als die wahren durchschauen. Es<lb/> that dringend noth, die dünnen Haufen, die untereinander in wilder Fehde<lb/> lebten, um ein einziges Banner zu sammeln. Um diesen Preis mußten auch<lb/> die Führer, die sich seit einer Reihe von Jahren gegenseitig mit allem nur<lb/> denkbaren Schimpf beworfen hatten, sich öffentlich den Bruderkuß reichen.<lb/> Solange man sich kräftig genug allein fühlte, schimpfte man sich. Das<lb/> Sprüchwort vom Schlagen und Bertragen charakterisirt die Herren zur Genüge,<lb/> auch wenn sie sich selbst gegenseitig nun in Ruhe lassen. Aber das Bewußt¬<lb/> sein der eigenen Schwäche war nicht das einzige Motiv der Einigung. Man<lb/> erkennt in den den Gothaer Congreß vorbereitenden Reden, in den diesem<lb/> Borhaben gewidmeten Artikeln der socialdemokratischen Presse, in den Ver¬<lb/> handlungen des Congresses selbst und in dem neuen Parteiprogramm unschwer<lb/> ein anderes Motiv, welches natürlich der eigenen gläubigen Gemeinde gegen¬<lb/> über ebenso wenig eingestanden wird, wie das Motiv der Schwäche. Wer<lb/> aber gewöhnt ist, durch die Berge von Lügen hindurchzusehen, welche der so¬<lb/> cialdemokratische Phrasenschwall emporwachsen läßt, wer den anmuthigen<lb/> Scherz der socialistischen Führer kennt, überall von Stärke und Sieg zu reden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0512]
er zu reden gewöhnt ist, von einem solchen Werke seines Gedächtnisses Gutes
versprechen. Die eigene Gruppirung und Entwickelung der Gedanken, die
Localfarbe für den bestimmten Kreis der jeweilig versammelten Hörer u. s. w.
wird jeder Redner unserer Parteien als eine selbstverständliche Mitgift be¬
trachten und mitbringen. Aber Allen, die in solcher Weise öffentlich wirken
wollen. Allen, die auch in kleineren und kleinsten Kreisen der Ausbreitung der
Socialdemokratie entgegenzutreten berufen sind, kann der Besitz und die immer
erneute Lectüre der Treitschke'schen Schrift nicht warm genug empfohlen
werden. Bor Allem werden sie durch diese Schrift die. wie die meisten
Erzeugnisse der Feder Treitschke's, eigentlich und im edelsten Sinne des Wortes
eine gedruckte Rede ist — gehoben und erhoben werden, angeweht von dem
warmen Hauche tiefster und wahrster patriotischer Begeisterung und Erregung.
Der Eindruck dieser Schrift ist durch größere Auszüge in Tageszeitungen
auch aus jene Kreise der Bevölkerung übertragen worden, welche die Social¬
demokratie noch zu gewinnen hoffte. Und vielleicht ist diese Wahrnehmung,
verbunden mit der im eigenen Lager der Socialdemokratie — wenigstens bei
den Führern — vorhandenen Erkenntniß, daß keine Druckschrift des letzten
Jahrzehnts M)r solche Wunden geschlagen, ihr eine so empfindliche Einbuße
an öffentlicher Achtung eingetragen hat, wie diese, ein Grund mit gewesen
zu jener Einigung aller socialen Parteien Deutschlands auf Grundlage eines
neuen Parteiprogramms, die sich in den jüngsten Wochen in der Hauptstadt
des Herzogs von Gotha vollzogen hat. Es giebt ja andere Gründe genug
für jene Einigung, innere und äußere, solche, die der bethörten Menge vorge¬
flunkert werden können, und solche, die wir als die wahren durchschauen. Es
that dringend noth, die dünnen Haufen, die untereinander in wilder Fehde
lebten, um ein einziges Banner zu sammeln. Um diesen Preis mußten auch
die Führer, die sich seit einer Reihe von Jahren gegenseitig mit allem nur
denkbaren Schimpf beworfen hatten, sich öffentlich den Bruderkuß reichen.
Solange man sich kräftig genug allein fühlte, schimpfte man sich. Das
Sprüchwort vom Schlagen und Bertragen charakterisirt die Herren zur Genüge,
auch wenn sie sich selbst gegenseitig nun in Ruhe lassen. Aber das Bewußt¬
sein der eigenen Schwäche war nicht das einzige Motiv der Einigung. Man
erkennt in den den Gothaer Congreß vorbereitenden Reden, in den diesem
Borhaben gewidmeten Artikeln der socialdemokratischen Presse, in den Ver¬
handlungen des Congresses selbst und in dem neuen Parteiprogramm unschwer
ein anderes Motiv, welches natürlich der eigenen gläubigen Gemeinde gegen¬
über ebenso wenig eingestanden wird, wie das Motiv der Schwäche. Wer
aber gewöhnt ist, durch die Berge von Lügen hindurchzusehen, welche der so¬
cialdemokratische Phrasenschwall emporwachsen läßt, wer den anmuthigen
Scherz der socialistischen Führer kennt, überall von Stärke und Sieg zu reden
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