Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.Jahre 1752 entnimmt. Im Volksmunde wird sie sich noch einfacher aus.
Zum Schlüsse heißt es dann bezeichnend, noch jetzt zeige man den Ort,
Die Sage oder richtiger die Mythe des Rattenfängers von Hameln wird Was aber war gemeint? Wer ist der keltische Dudelsackspfeiser von Jahre 1752 entnimmt. Im Volksmunde wird sie sich noch einfacher aus.
Zum Schlüsse heißt es dann bezeichnend, noch jetzt zeige man den Ort,
Die Sage oder richtiger die Mythe des Rattenfängers von Hameln wird Was aber war gemeint? Wer ist der keltische Dudelsackspfeiser von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0508" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133796"/> <p xml:id="ID_1728" prev="#ID_1727"> Jahre 1752 entnimmt. Im Volksmunde wird sie sich noch einfacher aus.<lb/> nehmen; indeß dient sie dem Zwecke, dem ich bei diesem Aufsatze verfolge,<lb/> auch in dem Alexandriner-Bratenrocke zur Genüge. Der Zopf, der Kirkpatricks<lb/> Verse verdeutschte, singt folgendermaßen:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_9" type="poem"> <l> „Vom grauen Alter her pflanzt sich an diesem Ort<lb/> Noch stets von Kind zu Kind ein seltnes Märchen fort.<lb/> Ein Pfeifer, der nur halb aus scheelen Augen blickte<lb/> Und durch die Zauberkunst die Neugier oft berückte,<lb/> Ließ einst des Dudelsacks unreizbaren Gesang<lb/> In solche Töne gehn, als nie ein Spiel erklang.<lb/> Das junge Landvolk läuft entzückt von allen Seiten<lb/> Und läßt in Tanz und Sprung sich willig von ihm leiten.<lb/> Er bringt sie an den Berg, den wir noch jetzo schaun.<lb/> Der Berg (wer schwört dies wohl, wer denkt es ohne Graun?)<lb/> Springt in der Mitte auf und läßt in tiefen Gründen<lb/> Des Schreckens und der Nacht gar keine Grenzen finden.<lb/> Der Bös'wicht, dem das Herz mit Satansfreuden lacht,<lb/> Springt in die Gruft hinein, weil noch aus neuer Macht<lb/> Der Pfeife Ton erschallt und der bethörte Haufen<lb/> In gleichem Freudensprung sich drängt, ihm nachzulaufen.<lb/> Der Höhlen krumme Wand erschüttert ob dem Schall<lb/> Und schickt durch Nacht und Graus den ersten Widerhall.<lb/> Drauf schließt sich schnell und fest ihr kaum gesenkter Rachen,<lb/> Und Tausend müssen hier ihr End' und Grabstätt machen."</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1729"> Zum Schlüsse heißt es dann bezeichnend, noch jetzt zeige man den Ort,<lb/> wo die jungen Landleute dem schrecklichen Dudelsackspfeiser in die Todes¬<lb/> schlucht tanzend nachgesprungen. Niemand wage sich gern in die Gegend.<lb/> Wer dahin komme,</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_10" type="poem"> <l> „hört noch den Gesang,<lb/> Sein klingend Ohr vernimmt das Zauberspiel ganz helle,<lb/> Er weiset zitternd hin und denkt, er weist die Stelle."</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1730"> Die Sage oder richtiger die Mythe des Rattenfängers von Hameln wird<lb/> ursprünglich eine ähnliche Gestalt gehabt haben wie die vom Belfaster Dudel¬<lb/> sackspfeifer. Ein unheimlicher Fremder erscheint und lockt durch Musik die<lb/> jungen Leute des Ortes tanzend mit sich in einen Berg, in die Unterwelt,<lb/> von wo die Verschwundenen sich bisweilen einsamen Wanderern mit Gesang<lb/> vernehmen lassen. In der Form, welche die Mythe in dem genannten fran¬<lb/> zösischen Dorfe angenommen hat, ist der Zug, daß es Menschen sind, die der<lb/> Zauberer entführt, anfänglich ohne Zweifel ebenfalls vorhanden gewesen und<lb/> nur verloren gegangen, als das Verständniß oder die Ahnung dessen, was<lb/> gemeint war, allmählig erlosch.</p><lb/> <p xml:id="ID_1731" next="#ID_1732"> Was aber war gemeint? Wer ist der keltische Dudelsackspfeiser von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0508]
Jahre 1752 entnimmt. Im Volksmunde wird sie sich noch einfacher aus.
nehmen; indeß dient sie dem Zwecke, dem ich bei diesem Aufsatze verfolge,
auch in dem Alexandriner-Bratenrocke zur Genüge. Der Zopf, der Kirkpatricks
Verse verdeutschte, singt folgendermaßen:
„Vom grauen Alter her pflanzt sich an diesem Ort
Noch stets von Kind zu Kind ein seltnes Märchen fort.
Ein Pfeifer, der nur halb aus scheelen Augen blickte
Und durch die Zauberkunst die Neugier oft berückte,
Ließ einst des Dudelsacks unreizbaren Gesang
In solche Töne gehn, als nie ein Spiel erklang.
Das junge Landvolk läuft entzückt von allen Seiten
Und läßt in Tanz und Sprung sich willig von ihm leiten.
Er bringt sie an den Berg, den wir noch jetzo schaun.
Der Berg (wer schwört dies wohl, wer denkt es ohne Graun?)
Springt in der Mitte auf und läßt in tiefen Gründen
Des Schreckens und der Nacht gar keine Grenzen finden.
Der Bös'wicht, dem das Herz mit Satansfreuden lacht,
Springt in die Gruft hinein, weil noch aus neuer Macht
Der Pfeife Ton erschallt und der bethörte Haufen
In gleichem Freudensprung sich drängt, ihm nachzulaufen.
Der Höhlen krumme Wand erschüttert ob dem Schall
Und schickt durch Nacht und Graus den ersten Widerhall.
Drauf schließt sich schnell und fest ihr kaum gesenkter Rachen,
Und Tausend müssen hier ihr End' und Grabstätt machen."
Zum Schlüsse heißt es dann bezeichnend, noch jetzt zeige man den Ort,
wo die jungen Landleute dem schrecklichen Dudelsackspfeiser in die Todes¬
schlucht tanzend nachgesprungen. Niemand wage sich gern in die Gegend.
Wer dahin komme,
„hört noch den Gesang,
Sein klingend Ohr vernimmt das Zauberspiel ganz helle,
Er weiset zitternd hin und denkt, er weist die Stelle."
Die Sage oder richtiger die Mythe des Rattenfängers von Hameln wird
ursprünglich eine ähnliche Gestalt gehabt haben wie die vom Belfaster Dudel¬
sackspfeifer. Ein unheimlicher Fremder erscheint und lockt durch Musik die
jungen Leute des Ortes tanzend mit sich in einen Berg, in die Unterwelt,
von wo die Verschwundenen sich bisweilen einsamen Wanderern mit Gesang
vernehmen lassen. In der Form, welche die Mythe in dem genannten fran¬
zösischen Dorfe angenommen hat, ist der Zug, daß es Menschen sind, die der
Zauberer entführt, anfänglich ohne Zweifel ebenfalls vorhanden gewesen und
nur verloren gegangen, als das Verständniß oder die Ahnung dessen, was
gemeint war, allmählig erlosch.
Was aber war gemeint? Wer ist der keltische Dudelsackspfeiser von
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