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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Gleichzeitig mit diesen Ereignissen geschah die Eroberung Planee"
mons durch Bülows Corps. Hier hatte General von Hiller den Vor¬
tritt. Zweimal wies die junge Garde, frisch wie sie war. den Sturm des
Is. Infanterie - und des 1. Schlesischen Landwehr-Regimentes ab. Der dritte
Sturm endlich, bei dem Gneisenau persönlich zur Stelle, gelang!

Als Napoleon dies doppelte Scheitern seiner Garden erkannte, brach er
in den Schrei aus: "L'We nun"

Ja, es war zu Ende! -- Die britische Armee ging jetzt ebenfalls zur
Offensive über; bald war ihre Kavallerie dem Kaiser so nahe, daß er ihr zu
seiner persönlichen Sicherheit die 4 Escadrons as serviee entgegen werfen
mußte und sich in eins der Reserve-Quarrees rettete. -- Eine ungeheuere
Verwirrung, eine furchtbare Panik, eine vollkommene Demoralisation brach
ein. Ney irrte zu Fuß, ohne Hut, mit zerbrochenen Degen auf dem Schlacht¬
felde umher; niemand gehorchte dem Marschall vou Frankreich mehr. Zwei
Garde-Quarrees der Reserve hielten noch zusammen; in ihren Reihen soll
das berühmte Wort gefallen sein: "La Fs.rak<z meurt se in? se rsuä
-- Ein einziges Kavallerie-Regiment, die ArellaÄiLrs n ekevul deckte in ge¬
schlossener Ordnung Napoleons Flucht.

Der allgemeine Directionspunkt der avancirenden Truppen, der Preußen
wie der Engländer, war la Belle-Alltance. Hier war es, wo Blücher
und Wellington persönlich zusammentrafen und einander herzlich umarmten,
Während das nächste preußische Trompeter-Chor das 'Is vsuin I-iuäa-
Mus blies. Da mochten sie denken, was ihnen Rückert so schön in den
Mund gelegt:


[Beginn Spaltensatz] Als Blücher, der Held, und Wellington
Als Sieger zusammentraten,
Die beiden, die sich lange schon
Gelärme aus ihren Thaten;
Da sprach zu Wellington Blücher bald:>
Du Held, so jung an Jahren,
An Klugheit und Bedacht so alt
Wie ich mit grauen Haaren!
[Spaltenumbruch] Da sprach zu Blücher Wellington:
Du Held von starker Tugend,
Von Locken so gealtert schon,
Das Herz so frisch von Jugend! --
Da stand der Jüngling und der Greis;
Sie gaben sich die Hände
Und fragten, ob auf dem Erdenkreis
Noch so ein Paar sich fände. [Ende Spaltensatz]

Erwägt man nun, was die Preußen den Engländern und den mit ihnen
stehenden Niederdeutschen und Niederländern bei Belle - Alliance geleistet, so
ist es dies: -- Als der furchtbare Kampf zwischen Reiterei und Fußvolk auf
^r Hochebene von Mont-Se.-Jean entscheidungslos hin und her wogte, da
^ar kein einziger englischer Truppentheil mehr intact, da hatte ein großer
Theil von Wellington's Armee das Schlachtfeld in der Richtung auf Brüssel
verlassen. Napoleon aber verfügte an frischen Truppen noch über seine 24
Garde-Bataillone und über das Armee-Corps Lobau nebst dessen Caval-


Grcnzl'öde" II. 187D.

Gleichzeitig mit diesen Ereignissen geschah die Eroberung Planee»
mons durch Bülows Corps. Hier hatte General von Hiller den Vor¬
tritt. Zweimal wies die junge Garde, frisch wie sie war. den Sturm des
Is. Infanterie - und des 1. Schlesischen Landwehr-Regimentes ab. Der dritte
Sturm endlich, bei dem Gneisenau persönlich zur Stelle, gelang!

Als Napoleon dies doppelte Scheitern seiner Garden erkannte, brach er
in den Schrei aus: „L'We nun"

Ja, es war zu Ende! — Die britische Armee ging jetzt ebenfalls zur
Offensive über; bald war ihre Kavallerie dem Kaiser so nahe, daß er ihr zu
seiner persönlichen Sicherheit die 4 Escadrons as serviee entgegen werfen
mußte und sich in eins der Reserve-Quarrees rettete. — Eine ungeheuere
Verwirrung, eine furchtbare Panik, eine vollkommene Demoralisation brach
ein. Ney irrte zu Fuß, ohne Hut, mit zerbrochenen Degen auf dem Schlacht¬
felde umher; niemand gehorchte dem Marschall vou Frankreich mehr. Zwei
Garde-Quarrees der Reserve hielten noch zusammen; in ihren Reihen soll
das berühmte Wort gefallen sein: „La Fs.rak<z meurt se in? se rsuä
— Ein einziges Kavallerie-Regiment, die ArellaÄiLrs n ekevul deckte in ge¬
schlossener Ordnung Napoleons Flucht.

Der allgemeine Directionspunkt der avancirenden Truppen, der Preußen
wie der Engländer, war la Belle-Alltance. Hier war es, wo Blücher
und Wellington persönlich zusammentrafen und einander herzlich umarmten,
Während das nächste preußische Trompeter-Chor das 'Is vsuin I-iuäa-
Mus blies. Da mochten sie denken, was ihnen Rückert so schön in den
Mund gelegt:


[Beginn Spaltensatz] Als Blücher, der Held, und Wellington
Als Sieger zusammentraten,
Die beiden, die sich lange schon
Gelärme aus ihren Thaten;
Da sprach zu Wellington Blücher bald:>
Du Held, so jung an Jahren,
An Klugheit und Bedacht so alt
Wie ich mit grauen Haaren!
[Spaltenumbruch] Da sprach zu Blücher Wellington:
Du Held von starker Tugend,
Von Locken so gealtert schon,
Das Herz so frisch von Jugend! —
Da stand der Jüngling und der Greis;
Sie gaben sich die Hände
Und fragten, ob auf dem Erdenkreis
Noch so ein Paar sich fände. [Ende Spaltensatz]

Erwägt man nun, was die Preußen den Engländern und den mit ihnen
stehenden Niederdeutschen und Niederländern bei Belle - Alliance geleistet, so
ist es dies: — Als der furchtbare Kampf zwischen Reiterei und Fußvolk auf
^r Hochebene von Mont-Se.-Jean entscheidungslos hin und her wogte, da
^ar kein einziger englischer Truppentheil mehr intact, da hatte ein großer
Theil von Wellington's Armee das Schlachtfeld in der Richtung auf Brüssel
verlassen. Napoleon aber verfügte an frischen Truppen noch über seine 24
Garde-Bataillone und über das Armee-Corps Lobau nebst dessen Caval-


Grcnzl'öde» II. 187D.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/469>, abgerufen am 06.02.2025.