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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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nach dem Gewitter des vorigen Tages anhaltendes Regenwetter brachte, so
beschloß er einen Ruhetag. -- Da, um Mittag, als er sich eben mit Ge'rard
und Grouchy über die Wirkung unterhielt, welche sein Sieg auf die pariser
Jakobiner hervorbringen werde, empfing er die Meldung, die Engländer
(welche er längst auf dem Rückzüge nach Brüssel wähnte) ständen noch bei
Quatre-Bras. Sofort beschloß er, sie anzugreifen; aber er hatte, wie tags-
zuvvr, den Vormittag verloren, und diese Zeitversäumniß, welche der Ueber¬
schätzung des Sieges von Ligny entsprang, kam jener dello allianeo Blücher's
und Wellington's zu Gute, die das Verderben Napoleons werden sollte.




Um die Mittagsstunde des 17. Juni sandte Napoleon an Ney den Be¬
fehl, die Engländer bei Quatre-Bras aufs Neue anzugreifen und zu verjagen.
Wir werden sehen, daß dieselben bereits vorher ihren Rückzug angetreten.
Gleichzeitig theilte der Kaiser seine Armee von Neuem. Den Haupttheil, zu
welchem auch Ney stoßen sollte, 72,420 Mann mit 240 Geschützen, wollte er
selbst gegen Wellington führen, den kleineren Theil, 28,840 Mann mit 78
Geschützen, erhielt Marschall Grouchy, um die Preußen aufzusuchen und ihre
Niederlage zu vollenden. Dem Marquis war nicht wohl bei diesem selbstän¬
digen Commando; er bat den Kaiser, ihn davon zu entbinden, weil er
glaube, mit 30,000 Mann nichts gegen Blücher ausrichten zu können; aber
Napoleon schlug dies Begehren mit Schärfe ab. So marschierte Grouchy
denn zunächst nach Gembloux und meldete von dort her um 10 Uhr abends,
daß die Preußen sich anscheinend getheilt hätten; eine Abtheilung scheine be¬
stimmt, sich mit Wellington zu vereinen, während das Centrum unter Blücher
sich auf Lüttich zurückziehe. -- Um 2 Uhr früh (18. Juni) präcisirte er diese
Meldung noch und theilte mit, daß er selbst seinen Marsch auf Corbais und
Wavre fortsetzen wollte.

Lord Wellington hatte am Morgen des 17. Juni bei Quatrebras noch
Alles gefunden. wie er es tagsvorher verlassen; zur Fortsetzung einer selbstän¬
digen Offensive fühlte er sich jedoch zu schwach; er beschloß, sich nach Mont
Se. Jean zurückzuziehn (2^ Meile südlich von Brüssel), hier die ganze
Armee zu concentriren und den Kampf mit Napoleons Hauptmacht dort an¬
zunehmen, falls er wenigstens mit einem preußischen Corps unterstützt werde.
Nach der Schlacht hoffte er dann in Verbindung mit Blücher zur Offensive
übergehn zu können.

Um 10 Uhr vormittags trat der Herzog den Rückzug an, welchen Graf
Urbridge mit 38 Escadrons deckte. Ney folgte, und da Uxbridge bei Ge-
nappe eine Kolonne seiner Kavallerie halten ließ, um den Franzosen das
Debouchiren aus dem Dcsilee des Dyle-Ueberganges zu erschweren, so
kam es hier noch zu einem für die Engländer höchst ehrenvollen Reitergefecht.


nach dem Gewitter des vorigen Tages anhaltendes Regenwetter brachte, so
beschloß er einen Ruhetag. — Da, um Mittag, als er sich eben mit Ge'rard
und Grouchy über die Wirkung unterhielt, welche sein Sieg auf die pariser
Jakobiner hervorbringen werde, empfing er die Meldung, die Engländer
(welche er längst auf dem Rückzüge nach Brüssel wähnte) ständen noch bei
Quatre-Bras. Sofort beschloß er, sie anzugreifen; aber er hatte, wie tags-
zuvvr, den Vormittag verloren, und diese Zeitversäumniß, welche der Ueber¬
schätzung des Sieges von Ligny entsprang, kam jener dello allianeo Blücher's
und Wellington's zu Gute, die das Verderben Napoleons werden sollte.




Um die Mittagsstunde des 17. Juni sandte Napoleon an Ney den Be¬
fehl, die Engländer bei Quatre-Bras aufs Neue anzugreifen und zu verjagen.
Wir werden sehen, daß dieselben bereits vorher ihren Rückzug angetreten.
Gleichzeitig theilte der Kaiser seine Armee von Neuem. Den Haupttheil, zu
welchem auch Ney stoßen sollte, 72,420 Mann mit 240 Geschützen, wollte er
selbst gegen Wellington führen, den kleineren Theil, 28,840 Mann mit 78
Geschützen, erhielt Marschall Grouchy, um die Preußen aufzusuchen und ihre
Niederlage zu vollenden. Dem Marquis war nicht wohl bei diesem selbstän¬
digen Commando; er bat den Kaiser, ihn davon zu entbinden, weil er
glaube, mit 30,000 Mann nichts gegen Blücher ausrichten zu können; aber
Napoleon schlug dies Begehren mit Schärfe ab. So marschierte Grouchy
denn zunächst nach Gembloux und meldete von dort her um 10 Uhr abends,
daß die Preußen sich anscheinend getheilt hätten; eine Abtheilung scheine be¬
stimmt, sich mit Wellington zu vereinen, während das Centrum unter Blücher
sich auf Lüttich zurückziehe. — Um 2 Uhr früh (18. Juni) präcisirte er diese
Meldung noch und theilte mit, daß er selbst seinen Marsch auf Corbais und
Wavre fortsetzen wollte.

Lord Wellington hatte am Morgen des 17. Juni bei Quatrebras noch
Alles gefunden. wie er es tagsvorher verlassen; zur Fortsetzung einer selbstän¬
digen Offensive fühlte er sich jedoch zu schwach; er beschloß, sich nach Mont
Se. Jean zurückzuziehn (2^ Meile südlich von Brüssel), hier die ganze
Armee zu concentriren und den Kampf mit Napoleons Hauptmacht dort an¬
zunehmen, falls er wenigstens mit einem preußischen Corps unterstützt werde.
Nach der Schlacht hoffte er dann in Verbindung mit Blücher zur Offensive
übergehn zu können.

Um 10 Uhr vormittags trat der Herzog den Rückzug an, welchen Graf
Urbridge mit 38 Escadrons deckte. Ney folgte, und da Uxbridge bei Ge-
nappe eine Kolonne seiner Kavallerie halten ließ, um den Franzosen das
Debouchiren aus dem Dcsilee des Dyle-Ueberganges zu erschweren, so
kam es hier noch zu einem für die Engländer höchst ehrenvollen Reitergefecht.


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[0459] nach dem Gewitter des vorigen Tages anhaltendes Regenwetter brachte, so beschloß er einen Ruhetag. — Da, um Mittag, als er sich eben mit Ge'rard und Grouchy über die Wirkung unterhielt, welche sein Sieg auf die pariser Jakobiner hervorbringen werde, empfing er die Meldung, die Engländer (welche er längst auf dem Rückzüge nach Brüssel wähnte) ständen noch bei Quatre-Bras. Sofort beschloß er, sie anzugreifen; aber er hatte, wie tags- zuvvr, den Vormittag verloren, und diese Zeitversäumniß, welche der Ueber¬ schätzung des Sieges von Ligny entsprang, kam jener dello allianeo Blücher's und Wellington's zu Gute, die das Verderben Napoleons werden sollte. Um die Mittagsstunde des 17. Juni sandte Napoleon an Ney den Be¬ fehl, die Engländer bei Quatre-Bras aufs Neue anzugreifen und zu verjagen. Wir werden sehen, daß dieselben bereits vorher ihren Rückzug angetreten. Gleichzeitig theilte der Kaiser seine Armee von Neuem. Den Haupttheil, zu welchem auch Ney stoßen sollte, 72,420 Mann mit 240 Geschützen, wollte er selbst gegen Wellington führen, den kleineren Theil, 28,840 Mann mit 78 Geschützen, erhielt Marschall Grouchy, um die Preußen aufzusuchen und ihre Niederlage zu vollenden. Dem Marquis war nicht wohl bei diesem selbstän¬ digen Commando; er bat den Kaiser, ihn davon zu entbinden, weil er glaube, mit 30,000 Mann nichts gegen Blücher ausrichten zu können; aber Napoleon schlug dies Begehren mit Schärfe ab. So marschierte Grouchy denn zunächst nach Gembloux und meldete von dort her um 10 Uhr abends, daß die Preußen sich anscheinend getheilt hätten; eine Abtheilung scheine be¬ stimmt, sich mit Wellington zu vereinen, während das Centrum unter Blücher sich auf Lüttich zurückziehe. — Um 2 Uhr früh (18. Juni) präcisirte er diese Meldung noch und theilte mit, daß er selbst seinen Marsch auf Corbais und Wavre fortsetzen wollte. Lord Wellington hatte am Morgen des 17. Juni bei Quatrebras noch Alles gefunden. wie er es tagsvorher verlassen; zur Fortsetzung einer selbstän¬ digen Offensive fühlte er sich jedoch zu schwach; er beschloß, sich nach Mont Se. Jean zurückzuziehn (2^ Meile südlich von Brüssel), hier die ganze Armee zu concentriren und den Kampf mit Napoleons Hauptmacht dort an¬ zunehmen, falls er wenigstens mit einem preußischen Corps unterstützt werde. Nach der Schlacht hoffte er dann in Verbindung mit Blücher zur Offensive übergehn zu können. Um 10 Uhr vormittags trat der Herzog den Rückzug an, welchen Graf Urbridge mit 38 Escadrons deckte. Ney folgte, und da Uxbridge bei Ge- nappe eine Kolonne seiner Kavallerie halten ließ, um den Franzosen das Debouchiren aus dem Dcsilee des Dyle-Ueberganges zu erschweren, so kam es hier noch zu einem für die Engländer höchst ehrenvollen Reitergefecht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/459>, abgerufen am 06.02.2025.