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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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wenn Ney energisch operire. "Das Schicksal Frankreichs" so schrieb ihm
Soult "liegt in Ihren Händen. Deshalb zögern Sie keinen Augenblick, die
Bewegung auszuführen, welche der Kaiser Ihnen befiehlt." -- Eben diese
Bewegung war jedoch nicht ausführbar, weil dem Marschall bei Quatre-Bras
wenn auch bei Weitem nicht das ganze englische Heer, so doch eine Macht
gegenüber stand, vor welcher sich nicht einfach rechts abschwenken ließ. Da
aber der Einblick in den Befehl des Kaisers das Corps Erlon in der Rich¬
tung auf Ligny von Quatre-Bras abzog, während directe Ordres von Ney
es bald darauf wieder"dorthin beriefen, so ging dies Corps, kreuz- und quer-
marschirend, dem Kampf an beiden Stellen verloren: die einzige Frucht
von Napoleons irrthümlichen Verfügungen und zugleich die Ursache, welche
den erfolgreichen Widerstand der Engländer überhaupt ermöglichte. --

Indessen nahm die Schlacht von Ligny ihren Fortgang, welcher auch in
taktischer Beziehung den Absichten Mneisenau's nicht entsprach. "Die allmäh-
lige Verwendung der Corps und deren Brigaden schob die Truppen in einer
Weise untereinander, daß die einheitliche Leitung, wozu die Verfügung über
eine starke Reserve gehört, darunter litt. Die rechtzeitige gegenseitige Unter¬
stützung der drei Waffen kam nicht zur vollen Durchführung; die Schlacht
brannte wie naß gewordenes Pulver an der langen Dauer der Dors-
llefechte ab, in welchen die Infanterie sich aufrieb, ohne dem Kampfe eine
Wendung zum Siege geben zu können."

Der historische Gang der Schlacht soll hier nur ganz kurz mit den Worten
geschildert werden, die ihm der Bericht Blücher's an den König (von Grvl^
niann's Hand geschrieben) widmet. Es heißt da: "Am Abend hatte der
Feind Se. Amand-la-Haye; wir hielten uns aber auf den Höhen hinter dem
Dorfe und hinderten das Debouchiren. Im Dorfe Ligny hielt sich das (Ke¬
nnst und beide Theile waren in demselben. So war der Zustand in dein
Augenblick, wo es begann, finster zu werden, und ich glaubte die Sache für
uns entschieden, da ich mit drei Armee-Corps der ganzen Stärke des Feindes
widerstanden hatte und am folgenden Tage die Ankunft des IV. Armee-Corps
und der Wellington'schen Armee durchaus zu unserm Vortheil entscheiden
mußte. -- Mit einbrechender Nacht gelang es aber dem Feinde, zwischen Ligny
und Sombrefse durchzubrechen und die Ligny vertheidigenden Truppen in der
linken Flanke zu nehmen. Die feindliche Kolonne, die hier durchbrach, be¬
stand aus Kürassierer, reitender Artillerie und Infanterie. Mir blieb in diesem
Augenblick keine Reserve an Infanterie übrig und ich ließ daher den Feind
durch die Kavallerie angreifen .... Es gelang ihm aber gegen unser Cen¬
trum vorzudringen und sich zu behaupten. -- Durch diese Lage der Dinge
wurde ich bewogen, den rechten Flügel während der Nacht auf Tilly und


wenn Ney energisch operire. „Das Schicksal Frankreichs" so schrieb ihm
Soult „liegt in Ihren Händen. Deshalb zögern Sie keinen Augenblick, die
Bewegung auszuführen, welche der Kaiser Ihnen befiehlt." — Eben diese
Bewegung war jedoch nicht ausführbar, weil dem Marschall bei Quatre-Bras
wenn auch bei Weitem nicht das ganze englische Heer, so doch eine Macht
gegenüber stand, vor welcher sich nicht einfach rechts abschwenken ließ. Da
aber der Einblick in den Befehl des Kaisers das Corps Erlon in der Rich¬
tung auf Ligny von Quatre-Bras abzog, während directe Ordres von Ney
es bald darauf wieder"dorthin beriefen, so ging dies Corps, kreuz- und quer-
marschirend, dem Kampf an beiden Stellen verloren: die einzige Frucht
von Napoleons irrthümlichen Verfügungen und zugleich die Ursache, welche
den erfolgreichen Widerstand der Engländer überhaupt ermöglichte. —

Indessen nahm die Schlacht von Ligny ihren Fortgang, welcher auch in
taktischer Beziehung den Absichten Mneisenau's nicht entsprach. „Die allmäh-
lige Verwendung der Corps und deren Brigaden schob die Truppen in einer
Weise untereinander, daß die einheitliche Leitung, wozu die Verfügung über
eine starke Reserve gehört, darunter litt. Die rechtzeitige gegenseitige Unter¬
stützung der drei Waffen kam nicht zur vollen Durchführung; die Schlacht
brannte wie naß gewordenes Pulver an der langen Dauer der Dors-
llefechte ab, in welchen die Infanterie sich aufrieb, ohne dem Kampfe eine
Wendung zum Siege geben zu können."

Der historische Gang der Schlacht soll hier nur ganz kurz mit den Worten
geschildert werden, die ihm der Bericht Blücher's an den König (von Grvl^
niann's Hand geschrieben) widmet. Es heißt da: „Am Abend hatte der
Feind Se. Amand-la-Haye; wir hielten uns aber auf den Höhen hinter dem
Dorfe und hinderten das Debouchiren. Im Dorfe Ligny hielt sich das (Ke¬
nnst und beide Theile waren in demselben. So war der Zustand in dein
Augenblick, wo es begann, finster zu werden, und ich glaubte die Sache für
uns entschieden, da ich mit drei Armee-Corps der ganzen Stärke des Feindes
widerstanden hatte und am folgenden Tage die Ankunft des IV. Armee-Corps
und der Wellington'schen Armee durchaus zu unserm Vortheil entscheiden
mußte. — Mit einbrechender Nacht gelang es aber dem Feinde, zwischen Ligny
und Sombrefse durchzubrechen und die Ligny vertheidigenden Truppen in der
linken Flanke zu nehmen. Die feindliche Kolonne, die hier durchbrach, be¬
stand aus Kürassierer, reitender Artillerie und Infanterie. Mir blieb in diesem
Augenblick keine Reserve an Infanterie übrig und ich ließ daher den Feind
durch die Kavallerie angreifen .... Es gelang ihm aber gegen unser Cen¬
trum vorzudringen und sich zu behaupten. — Durch diese Lage der Dinge
wurde ich bewogen, den rechten Flügel während der Nacht auf Tilly und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/457>, abgerufen am 06.02.2025.