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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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besetzten. Es leuchtet ein. um wie vieles geringer die Kraft dieser deutschen
Colonisation gegenüber der späterer Jahrhunderte sein mußte. Ungeheurer
Grundbesitz war in den Ostmarken der Krone zugefallen, denn alles eroberte
Land galt als Königsgut. Weite Strecken desselben jedoch wurden an die
Kirche und an königliche Vasallen als Lehen oder als Eigenthum übergeben.
Ganz besonders die Kirche mußte daraus Nutzen ziehen. Denn wie sie über¬
haupt fast die einzige, jedenfalls die stärkste geistige Macht jener Epoche dar¬
stellt, so ist sie auch auf wirthschaftlichen Gebiete am Rationellsten verfahren
und hat als Lehrmeisterin auch hier sich erwiesen. Das Erzstift Salzburg
besaß schon 861 große Gütercomplexe an acht Orten des später als Neustädter
Viertel bezeichneten Winkels zwischen Semmering, Wiener Wald und Ungarns
Grenze und erhielt in demselben Jahre Besitzungen auf jetzt ungarischen
Boden, Stein am Anger und Pinkafeld (Comitat Eisenburg), geschenkt, 865
aber andere Güter an der. Grenze der heutigen Steiermark, 889 wiederum
solche um Kaniza. Den Passauer Landbischof Alberich beschenkte König Lud¬
wig der Deutsche mit Hufen am Nußbach (in Nieder - Oesterreich) und bei
Oedenburg (in Ungarn); einem anderen Landbischof, Madalwin übergab
König Arnulf (1- 899) Güter in Pannonien. Das Bisthum Freisingen em¬
pfing von Chozil eine Besitzung am Plattensee; derselbe Fürst bedachte auch
das Bisthum Regensburg mit Liegenschaften, wie schon sein Vater dem
bairischen Kloster Nieder-Altaich solche an der Szala zugewandt hatte.

, Auch deutsche Edelleute werden als Grundbesitzer in Pannonien erwähnt.
866 besitzt ein gewisser Hezilo (Heinrich Heinz) ein Gut bei Mosaburg, noch
früher, 860, erscheinen zwei deutsche Grundbesitzer, Amalgar und Waltilo, am
Nußbach bei Wien, um 889 andere in Pinkafeld und um Kaniza.

Wie stark aber die Einwanderung Deutscher überhaupt war, das wird
am Besten deutlich durch die zahlreichen Orte mit deutschem Namen, die nach
den Urkunden des 9. Jahrhunderts durch ganz Pannonien verbreitet sind,
freilich nur zum Theil in ihrer Lage nachgewiesen werden können. Schon
der deutsche Name des heutigen Szalavär, Mosaburg, ist dafür bezeichnend;
in derselben Gegend erscheinen Orte wie Waltungesbach, Hraba-giskeit, Chi-
richstetin (Kirchstätten), Wempaldesdorf; bei Kaniza unfern der Drau lag ein
Ruginesveld. Im Fürstenthume Priwinas überhaupt werden um 860
acht Dörfer mit deutschem Namen angeführt, darunter sechs mit der besonders
auf bairischen Sprachgebiete häusigen Endung -- chirichun (-- kirchen), wie
Jsangriweschirichun, Lindolveschirichun u. a. Auch Oedenburg wird, und
Zwar schon 860, als Odinburg genannt, ungerechnet die ziemlich dichte Reihe
der deutschen Dörfer im Neustädter Viertel.

Ueber die Entstehungsart und -zeit dieser Orte liegt tiefes Dunkel. Klar
ist, daß sie schon längst bestanden, ehe die Urkunden ihrer gedenken, und daß


besetzten. Es leuchtet ein. um wie vieles geringer die Kraft dieser deutschen
Colonisation gegenüber der späterer Jahrhunderte sein mußte. Ungeheurer
Grundbesitz war in den Ostmarken der Krone zugefallen, denn alles eroberte
Land galt als Königsgut. Weite Strecken desselben jedoch wurden an die
Kirche und an königliche Vasallen als Lehen oder als Eigenthum übergeben.
Ganz besonders die Kirche mußte daraus Nutzen ziehen. Denn wie sie über¬
haupt fast die einzige, jedenfalls die stärkste geistige Macht jener Epoche dar¬
stellt, so ist sie auch auf wirthschaftlichen Gebiete am Rationellsten verfahren
und hat als Lehrmeisterin auch hier sich erwiesen. Das Erzstift Salzburg
besaß schon 861 große Gütercomplexe an acht Orten des später als Neustädter
Viertel bezeichneten Winkels zwischen Semmering, Wiener Wald und Ungarns
Grenze und erhielt in demselben Jahre Besitzungen auf jetzt ungarischen
Boden, Stein am Anger und Pinkafeld (Comitat Eisenburg), geschenkt, 865
aber andere Güter an der. Grenze der heutigen Steiermark, 889 wiederum
solche um Kaniza. Den Passauer Landbischof Alberich beschenkte König Lud¬
wig der Deutsche mit Hufen am Nußbach (in Nieder - Oesterreich) und bei
Oedenburg (in Ungarn); einem anderen Landbischof, Madalwin übergab
König Arnulf (1- 899) Güter in Pannonien. Das Bisthum Freisingen em¬
pfing von Chozil eine Besitzung am Plattensee; derselbe Fürst bedachte auch
das Bisthum Regensburg mit Liegenschaften, wie schon sein Vater dem
bairischen Kloster Nieder-Altaich solche an der Szala zugewandt hatte.

, Auch deutsche Edelleute werden als Grundbesitzer in Pannonien erwähnt.
866 besitzt ein gewisser Hezilo (Heinrich Heinz) ein Gut bei Mosaburg, noch
früher, 860, erscheinen zwei deutsche Grundbesitzer, Amalgar und Waltilo, am
Nußbach bei Wien, um 889 andere in Pinkafeld und um Kaniza.

Wie stark aber die Einwanderung Deutscher überhaupt war, das wird
am Besten deutlich durch die zahlreichen Orte mit deutschem Namen, die nach
den Urkunden des 9. Jahrhunderts durch ganz Pannonien verbreitet sind,
freilich nur zum Theil in ihrer Lage nachgewiesen werden können. Schon
der deutsche Name des heutigen Szalavär, Mosaburg, ist dafür bezeichnend;
in derselben Gegend erscheinen Orte wie Waltungesbach, Hraba-giskeit, Chi-
richstetin (Kirchstätten), Wempaldesdorf; bei Kaniza unfern der Drau lag ein
Ruginesveld. Im Fürstenthume Priwinas überhaupt werden um 860
acht Dörfer mit deutschem Namen angeführt, darunter sechs mit der besonders
auf bairischen Sprachgebiete häusigen Endung — chirichun (— kirchen), wie
Jsangriweschirichun, Lindolveschirichun u. a. Auch Oedenburg wird, und
Zwar schon 860, als Odinburg genannt, ungerechnet die ziemlich dichte Reihe
der deutschen Dörfer im Neustädter Viertel.

Ueber die Entstehungsart und -zeit dieser Orte liegt tiefes Dunkel. Klar
ist, daß sie schon längst bestanden, ehe die Urkunden ihrer gedenken, und daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/435>, abgerufen am 06.02.2025.