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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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lauter gegangen und mit in Nordamerika gewesen war, 1783 nach Jena
gekommen wäre. Derselbe beredete die Mosellaner, sich wieder Gesetze zu
geben und Beamte zu wählen, und die Schwarzen, mit jenen zusammenzu¬
treten, um den Amieistenorden wiederherzustellen. Dies geschah zunächst in
reformirter Gestalt. Man merzte die schlimmsten Vorschriften der alten Sta¬
tuten aus, fügte vielleicht ein paar liberale Phrasen hinzu, die G. in Amerika
gehört oder aus Thomas Payne geschöpft haben konnte, dessen erstes Buch
"Lommon LLNKL" damals großes Aufsehen machte, und nahm alle Mosellaner
in den erneuerten Orden auf, der nun hier wie bald nachher auch in Gießen
wieder viel Zulauf fand. Die Reform vermochte sich aber nicht zu behaupten.
1786 wurde der Orden wieder der alte, die früheren Gesetze wurden sammt
und sonders wieder eingeführt, und wieder galt die Regel, daß nur die alten
Burschen der Mosellaner Landsmannschaft Mitglieder des Ordens sein konnten-
Orden wie Landsmannschaft zeichneten sich auch jetzt wieder durch ungemeine
Fertigkeit auf der Mensur und vor dem Bierfaß aus, die Senioren waren
Wüstlinge, und die meisten Uebrigen eiferten ihnen nach.

Noch einmal zweigten sich die Besseren ab. Sie gründeten 1790 eine
Winkelloge, welche für ihre Mitglieder als Grundgesetz Vermeidung des Duells,
pünctliche Bezahlung der Schulden und fleißiges Studiren aufstellte. Artig¬
keit und stilles Verhalten erwarben ihnen einen guten Namen bei jedermann-
Sie waren wirklich einmal eine Blüthe am Baume des Ordens, die zur
Frucht reifte und erfreuen konnte. Sie müssen der Mutterloge damit einiger¬
maßen imponirt haben oder ihr harmlos vorgekommen sein; denn sie duldeten
sie neben sich.

1791 wurden wieder viele Amicisten relegirt, und wieder schien es, als
ob die Verbindung eingegangen wäre, aber in Wahrheit bestand sie noch
volle sieben Jahre fort. Endlich jedoch kam eine Katastrophe, der sie wirk¬
lich erlag.

Jetzt war es, wo die Amieisten nicht mehr blos mit mehr oder minder
nachsichtigen Rectoren, Sammthandschuhe tragenden Universitätsrichtern und
lahmen Pedellen, sondern mit den Staatsregierungen, und nicht blos wegen
Paukereien und Straßenskandalen, sondern -- Platz für den Elephanten!-^
wegen hochverräterischer Umtriebe in Conflict geriethen. Die französische
Revolution war ausgebrochen, auch die deutschen Kronen waren in Gefahr
Ritter v. Zimmermann und Schirach's Magazin bewiesen haarscharf, daß die
Berliner Deisten und Aufklärer und die Pariser Jacobiner im Grunde dasselbe,
und daß die Freimaurer eigentlich Schuld an dem Schreckensregiment in Frank¬
reich waren. Was Wunder, das auch auf die Amicisten, die ja von cinco
Menschen, der in Amerika gewesen, wieder aufgethan waren, schwerer Ve^
dacht fiel. 1794 kam es in Regensburg zu einem förmlichen Reichstags^


lauter gegangen und mit in Nordamerika gewesen war, 1783 nach Jena
gekommen wäre. Derselbe beredete die Mosellaner, sich wieder Gesetze zu
geben und Beamte zu wählen, und die Schwarzen, mit jenen zusammenzu¬
treten, um den Amieistenorden wiederherzustellen. Dies geschah zunächst in
reformirter Gestalt. Man merzte die schlimmsten Vorschriften der alten Sta¬
tuten aus, fügte vielleicht ein paar liberale Phrasen hinzu, die G. in Amerika
gehört oder aus Thomas Payne geschöpft haben konnte, dessen erstes Buch
„Lommon LLNKL" damals großes Aufsehen machte, und nahm alle Mosellaner
in den erneuerten Orden auf, der nun hier wie bald nachher auch in Gießen
wieder viel Zulauf fand. Die Reform vermochte sich aber nicht zu behaupten.
1786 wurde der Orden wieder der alte, die früheren Gesetze wurden sammt
und sonders wieder eingeführt, und wieder galt die Regel, daß nur die alten
Burschen der Mosellaner Landsmannschaft Mitglieder des Ordens sein konnten-
Orden wie Landsmannschaft zeichneten sich auch jetzt wieder durch ungemeine
Fertigkeit auf der Mensur und vor dem Bierfaß aus, die Senioren waren
Wüstlinge, und die meisten Uebrigen eiferten ihnen nach.

Noch einmal zweigten sich die Besseren ab. Sie gründeten 1790 eine
Winkelloge, welche für ihre Mitglieder als Grundgesetz Vermeidung des Duells,
pünctliche Bezahlung der Schulden und fleißiges Studiren aufstellte. Artig¬
keit und stilles Verhalten erwarben ihnen einen guten Namen bei jedermann-
Sie waren wirklich einmal eine Blüthe am Baume des Ordens, die zur
Frucht reifte und erfreuen konnte. Sie müssen der Mutterloge damit einiger¬
maßen imponirt haben oder ihr harmlos vorgekommen sein; denn sie duldeten
sie neben sich.

1791 wurden wieder viele Amicisten relegirt, und wieder schien es, als
ob die Verbindung eingegangen wäre, aber in Wahrheit bestand sie noch
volle sieben Jahre fort. Endlich jedoch kam eine Katastrophe, der sie wirk¬
lich erlag.

Jetzt war es, wo die Amieisten nicht mehr blos mit mehr oder minder
nachsichtigen Rectoren, Sammthandschuhe tragenden Universitätsrichtern und
lahmen Pedellen, sondern mit den Staatsregierungen, und nicht blos wegen
Paukereien und Straßenskandalen, sondern -- Platz für den Elephanten!-^
wegen hochverräterischer Umtriebe in Conflict geriethen. Die französische
Revolution war ausgebrochen, auch die deutschen Kronen waren in Gefahr
Ritter v. Zimmermann und Schirach's Magazin bewiesen haarscharf, daß die
Berliner Deisten und Aufklärer und die Pariser Jacobiner im Grunde dasselbe,
und daß die Freimaurer eigentlich Schuld an dem Schreckensregiment in Frank¬
reich waren. Was Wunder, das auch auf die Amicisten, die ja von cinco
Menschen, der in Amerika gewesen, wieder aufgethan waren, schwerer Ve^
dacht fiel. 1794 kam es in Regensburg zu einem förmlichen Reichstags^


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[0418] lauter gegangen und mit in Nordamerika gewesen war, 1783 nach Jena gekommen wäre. Derselbe beredete die Mosellaner, sich wieder Gesetze zu geben und Beamte zu wählen, und die Schwarzen, mit jenen zusammenzu¬ treten, um den Amieistenorden wiederherzustellen. Dies geschah zunächst in reformirter Gestalt. Man merzte die schlimmsten Vorschriften der alten Sta¬ tuten aus, fügte vielleicht ein paar liberale Phrasen hinzu, die G. in Amerika gehört oder aus Thomas Payne geschöpft haben konnte, dessen erstes Buch „Lommon LLNKL" damals großes Aufsehen machte, und nahm alle Mosellaner in den erneuerten Orden auf, der nun hier wie bald nachher auch in Gießen wieder viel Zulauf fand. Die Reform vermochte sich aber nicht zu behaupten. 1786 wurde der Orden wieder der alte, die früheren Gesetze wurden sammt und sonders wieder eingeführt, und wieder galt die Regel, daß nur die alten Burschen der Mosellaner Landsmannschaft Mitglieder des Ordens sein konnten- Orden wie Landsmannschaft zeichneten sich auch jetzt wieder durch ungemeine Fertigkeit auf der Mensur und vor dem Bierfaß aus, die Senioren waren Wüstlinge, und die meisten Uebrigen eiferten ihnen nach. Noch einmal zweigten sich die Besseren ab. Sie gründeten 1790 eine Winkelloge, welche für ihre Mitglieder als Grundgesetz Vermeidung des Duells, pünctliche Bezahlung der Schulden und fleißiges Studiren aufstellte. Artig¬ keit und stilles Verhalten erwarben ihnen einen guten Namen bei jedermann- Sie waren wirklich einmal eine Blüthe am Baume des Ordens, die zur Frucht reifte und erfreuen konnte. Sie müssen der Mutterloge damit einiger¬ maßen imponirt haben oder ihr harmlos vorgekommen sein; denn sie duldeten sie neben sich. 1791 wurden wieder viele Amicisten relegirt, und wieder schien es, als ob die Verbindung eingegangen wäre, aber in Wahrheit bestand sie noch volle sieben Jahre fort. Endlich jedoch kam eine Katastrophe, der sie wirk¬ lich erlag. Jetzt war es, wo die Amieisten nicht mehr blos mit mehr oder minder nachsichtigen Rectoren, Sammthandschuhe tragenden Universitätsrichtern und lahmen Pedellen, sondern mit den Staatsregierungen, und nicht blos wegen Paukereien und Straßenskandalen, sondern -- Platz für den Elephanten!-^ wegen hochverräterischer Umtriebe in Conflict geriethen. Die französische Revolution war ausgebrochen, auch die deutschen Kronen waren in Gefahr Ritter v. Zimmermann und Schirach's Magazin bewiesen haarscharf, daß die Berliner Deisten und Aufklärer und die Pariser Jacobiner im Grunde dasselbe, und daß die Freimaurer eigentlich Schuld an dem Schreckensregiment in Frank¬ reich waren. Was Wunder, das auch auf die Amicisten, die ja von cinco Menschen, der in Amerika gewesen, wieder aufgethan waren, schwerer Ve^ dacht fiel. 1794 kam es in Regensburg zu einem förmlichen Reichstags^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/418>, abgerufen am 06.02.2025.