Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.versprechen mußten, die tauglichsten Mitglieder ihrer Landsmannschaft ebenfalls Die Aufnahme wurde unter B's. Regiment feierlicher und umständlicher. Die Amicisten suchten in Gemeinschaft mit den Mosellanern in jedem ') Dieselbe scheint dadurch nicht an Gesittung gewonnen zu haben. Wenigstens war
Gießen 1778 wohl die roheste der deutschen Universitäten. Die Studenten prügelten sich M täglich, machten einander auf der Straße "das wüste Gesicht" und "den armen Eulcnkappcr -- Unsläthereien, die ich nicht zu beschreiben wage -- und zechten, daß sich die Balken bogen- versprechen mußten, die tauglichsten Mitglieder ihrer Landsmannschaft ebenfalls Die Aufnahme wurde unter B's. Regiment feierlicher und umständlicher. Die Amicisten suchten in Gemeinschaft mit den Mosellanern in jedem ') Dieselbe scheint dadurch nicht an Gesittung gewonnen zu haben. Wenigstens war
Gießen 1778 wohl die roheste der deutschen Universitäten. Die Studenten prügelten sich M täglich, machten einander auf der Straße „das wüste Gesicht" und „den armen Eulcnkappcr — Unsläthereien, die ich nicht zu beschreiben wage — und zechten, daß sich die Balken bogen- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0414" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133702"/> <p xml:id="ID_1328" prev="#ID_1327"> versprechen mußten, die tauglichsten Mitglieder ihrer Landsmannschaft ebenfalls<lb/> zum Beitritt zu bewegen. Auch die Senioren der Sachsen, der Gothaer,<lb/> Mecklenburger und Liefländer sowie die anderer Verbindungen in den Orden<lb/> zu ziehen und gleichsam Generalsenior von ganz Jena zu werden, versuchte er,<lb/> indeß ohne Erfolg, da die Mitglieder jener Gesellschaften dagegen Widerspruch<lb/> erhoben. Nur die Verschmelzung mit den Mosellanern wurde durchgesetzt,<lb/> und zwar in der Weise, daß die Amicisten keinem Studenten das Licht ihres<lb/> Orients gewährten, der nicht vorher bei jenen recipirt worden war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1329"> Die Aufnahme wurde unter B's. Regiment feierlicher und umständlicher.<lb/> Während man zu Anfang nur versprochen, hatte, den Gesetzen des Ordens<lb/> gehorsam zu sein, sich nie ohne die höchste Noth von ihm zu trennen, seinen<lb/> Nutzen zu fördern, Schaden von ihm abzuwenden und seine Geheimnisse zu<lb/> verschweigen, „so wahr man als rechtschaffner Bursch zu leben gedenke," waren<lb/> jetzt bei der Reception vier Kerzen und zwei paar Degen auf dem Tische, von<lb/> denen die letzteren so gelegt waren, daß sie das Ordenszeichen bildeten, und<lb/> der Candidat sprach in einem Zusatz zu der bisherigen Aufnahmesormel den<lb/> Brüdern das Recht zu, falls er seinem Gelübde untreu würde, die Degen<lb/> wider ihn zu gebrauchen und ihn damit für seinen Bundesbruch zu strafen.<lb/> Später aber gestaltete sich dieß bei den Amicisten und ebenso bei den übrigen<lb/> Studentenorden zu einem förmlichen Eide, der dem der Freimaurer ähnlich<lb/> gewesen sein wird, und um dieselbe Zeit führte man auch erst zwei, dann<lb/> drei Grade ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1330"> Die Amicisten suchten in Gemeinschaft mit den Mosellanern in jedem<lb/> Betracht die Studentenschaft zu beherrschen, und wie die Mutterloge in Jena,<lb/> so die Töchter, die ihr bald nach ihrem Entstehen auf verschiedenen andern<lb/> Universitäten an die Seite traten. 1772 wurde von einigen Elsassern in<lb/> Gießen eine Amicistenloge gegründet, welche die Senioren der dort bestehenden<lb/> landschaftlichen Kränzchen der Pfälzer, Darmstädter, Zweibrücker und Wald¬<lb/> ecker an sich zog und dadurch, wie durch Unterdrückung der früher entstandenen<lb/> Orden der Hessen, Jucundisten und Fensterbrüder binnen Kurzem Herrin und<lb/> Meisterin in allen studentischen Angelegenheiten dieser Hochschule wurde*)-<lb/> In Halle gab es nur einzelne Amicisten. Dagegen stifteten relegirte Jenenser<lb/> auch in Erfurt eine Loge des Ordens. Dasselbe war in Göttingen, Marburg,<lb/> Altdorf und Tübingen der Fall. Ganz besonders aber florirte der Orden von<lb/> 1737 an in Erlangen; fast die Hälfte der Studenten zählte hier zu seinen<lb/> Angehörigen, und der Excesse, welche diese verübten, war kein Ende.</p><lb/> <note xml:id="FID_90" place="foot"> ') Dieselbe scheint dadurch nicht an Gesittung gewonnen zu haben. Wenigstens war<lb/> Gießen 1778 wohl die roheste der deutschen Universitäten. Die Studenten prügelten sich M<lb/> täglich, machten einander auf der Straße „das wüste Gesicht" und „den armen Eulcnkappcr<lb/> — Unsläthereien, die ich nicht zu beschreiben wage — und zechten, daß sich die Balken bogen-</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0414]
versprechen mußten, die tauglichsten Mitglieder ihrer Landsmannschaft ebenfalls
zum Beitritt zu bewegen. Auch die Senioren der Sachsen, der Gothaer,
Mecklenburger und Liefländer sowie die anderer Verbindungen in den Orden
zu ziehen und gleichsam Generalsenior von ganz Jena zu werden, versuchte er,
indeß ohne Erfolg, da die Mitglieder jener Gesellschaften dagegen Widerspruch
erhoben. Nur die Verschmelzung mit den Mosellanern wurde durchgesetzt,
und zwar in der Weise, daß die Amicisten keinem Studenten das Licht ihres
Orients gewährten, der nicht vorher bei jenen recipirt worden war.
Die Aufnahme wurde unter B's. Regiment feierlicher und umständlicher.
Während man zu Anfang nur versprochen, hatte, den Gesetzen des Ordens
gehorsam zu sein, sich nie ohne die höchste Noth von ihm zu trennen, seinen
Nutzen zu fördern, Schaden von ihm abzuwenden und seine Geheimnisse zu
verschweigen, „so wahr man als rechtschaffner Bursch zu leben gedenke," waren
jetzt bei der Reception vier Kerzen und zwei paar Degen auf dem Tische, von
denen die letzteren so gelegt waren, daß sie das Ordenszeichen bildeten, und
der Candidat sprach in einem Zusatz zu der bisherigen Aufnahmesormel den
Brüdern das Recht zu, falls er seinem Gelübde untreu würde, die Degen
wider ihn zu gebrauchen und ihn damit für seinen Bundesbruch zu strafen.
Später aber gestaltete sich dieß bei den Amicisten und ebenso bei den übrigen
Studentenorden zu einem förmlichen Eide, der dem der Freimaurer ähnlich
gewesen sein wird, und um dieselbe Zeit führte man auch erst zwei, dann
drei Grade ein.
Die Amicisten suchten in Gemeinschaft mit den Mosellanern in jedem
Betracht die Studentenschaft zu beherrschen, und wie die Mutterloge in Jena,
so die Töchter, die ihr bald nach ihrem Entstehen auf verschiedenen andern
Universitäten an die Seite traten. 1772 wurde von einigen Elsassern in
Gießen eine Amicistenloge gegründet, welche die Senioren der dort bestehenden
landschaftlichen Kränzchen der Pfälzer, Darmstädter, Zweibrücker und Wald¬
ecker an sich zog und dadurch, wie durch Unterdrückung der früher entstandenen
Orden der Hessen, Jucundisten und Fensterbrüder binnen Kurzem Herrin und
Meisterin in allen studentischen Angelegenheiten dieser Hochschule wurde*)-
In Halle gab es nur einzelne Amicisten. Dagegen stifteten relegirte Jenenser
auch in Erfurt eine Loge des Ordens. Dasselbe war in Göttingen, Marburg,
Altdorf und Tübingen der Fall. Ganz besonders aber florirte der Orden von
1737 an in Erlangen; fast die Hälfte der Studenten zählte hier zu seinen
Angehörigen, und der Excesse, welche diese verübten, war kein Ende.
') Dieselbe scheint dadurch nicht an Gesittung gewonnen zu haben. Wenigstens war
Gießen 1778 wohl die roheste der deutschen Universitäten. Die Studenten prügelten sich M
täglich, machten einander auf der Straße „das wüste Gesicht" und „den armen Eulcnkappcr
— Unsläthereien, die ich nicht zu beschreiben wage — und zechten, daß sich die Balken bogen-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |