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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Wort, die meisten waren so gescheidt, daß sie als eifrige Anhänger Preußens
auftraten. "Vivat Korns, vivat, magnus, vivÄt l^-iÄvi'ieus livx!" konnte
man alle Tage bei Commersen und auf den Straßen singen hören. (Ich
hätte dabei sein und tapfer mitsingen mögen, wenn ich nicht die Freude und
die Ehre gehabt hätte, Besserem aus nächster Nähe im Stillen mein Vioen
zuzujubeln.) Ganz besonders preußisch gesinnt aber waren unsere Mosellaner,
"welche bei ihren Zusammenkünften es sich in die Hände schwuren, sollte der
König Fritz noch serner unglücklich sein und seine Feinde nicht durch die
Lappen jagen, den Säbel zu ergreifen, Husaren zu werden und ganz Deutsch'
land bis an die Mosel für den König gewinnen zu helfen" (wofür ihnen
alles Thörichte, was weiterhin von ihnen zu melden sein wird, schlankweg
vergessen und vergeben sein soll -- das heißt, wenn die guten Jungen ihren
Schwur nicht etwa erst nach dem zehnten Schoppen ablegten.) Häufig kam es
in den Wirthshäusern zu gewaltigen Debatten, die mit Schlägereien und
Duellen endigten. Die Mosellaner drückten sich wegwerfend über die Roß-
bacher "Reißaus" Armee aus, spotteten mit Stichelreden auf die kleinen
deutschen Landesväter (die in der That meist recht spaßige Potentatenknirpse
und mitunter auch recht niederträchtige Wichtel waren) und rissen beim Leop
(jua,in donum schnöde Witze über die Reichsverfassung. Entrüstet erhoben
sich die Andersgesinnten zum Widerspruch gegen solchen Frevel und zur Ver¬
theidigung der verhöhnten Personen und Institute. "Solche Apologien wu"
den aber nicht angenommen, man trommelte die Apologeten aus," und wenn
sie nicht nachgaben, entstand eine Prügelei, wobei die Preußischen regelmäßig
Sieger blieben (was mich als Vorspuk späterer -- ich meine, viel späterer
Ereignisse freut, da einmal geprügelt sein mußte).

Mit der Zeit wurde die Universitätsbehörde auf diese Zänkereien auf'
merksam, und es erfolgte ein Verbot gegen alles öffentliche Raisonniren über
die kriegführenden Mächte; ja als bei einem Fronleichnamsfeste zu Erfu^
einige Mosellaner trunkenen Muthes sich vermessen hatten, Schimpfreden
gegen den Kaiser, die kleinen deutschen Souveräne und namentlich gegen den
Kurfürsten von Mainz, dem Erfurt damals gehörte, auszustoßen, mischte si^
her Herzog von Weimar hinein, schickte die respect- und pietätlosen Gesellen
auf zwei Monate zum Studium guter Sitte in der Einsamkeit nach ^
Wartburg und befahl seinem unterthänigsten Prorector in Jena, streng d^
rauf zu halten, daß seine Studenten sich fürderhin nicht mehr um die Kriegs
Händel stritten und noch weniger ungebührlich von großen Herren redeten-
was Maßen und was Gestalten u. f. w. Darauf ließ der Senat alle Aben^
die Versammlungsorte der Studirenden, besonders die Rasenmühle und den
halben Mond, wo die Mosellaner ihr Wesen trieben, sorgfältig beobacht^
und jeden, der freie Reden führte, auf das Tabulae bringen, und als d?


Wort, die meisten waren so gescheidt, daß sie als eifrige Anhänger Preußens
auftraten. „Vivat Korns, vivat, magnus, vivÄt l^-iÄvi'ieus livx!" konnte
man alle Tage bei Commersen und auf den Straßen singen hören. (Ich
hätte dabei sein und tapfer mitsingen mögen, wenn ich nicht die Freude und
die Ehre gehabt hätte, Besserem aus nächster Nähe im Stillen mein Vioen
zuzujubeln.) Ganz besonders preußisch gesinnt aber waren unsere Mosellaner,
„welche bei ihren Zusammenkünften es sich in die Hände schwuren, sollte der
König Fritz noch serner unglücklich sein und seine Feinde nicht durch die
Lappen jagen, den Säbel zu ergreifen, Husaren zu werden und ganz Deutsch'
land bis an die Mosel für den König gewinnen zu helfen" (wofür ihnen
alles Thörichte, was weiterhin von ihnen zu melden sein wird, schlankweg
vergessen und vergeben sein soll — das heißt, wenn die guten Jungen ihren
Schwur nicht etwa erst nach dem zehnten Schoppen ablegten.) Häufig kam es
in den Wirthshäusern zu gewaltigen Debatten, die mit Schlägereien und
Duellen endigten. Die Mosellaner drückten sich wegwerfend über die Roß-
bacher „Reißaus" Armee aus, spotteten mit Stichelreden auf die kleinen
deutschen Landesväter (die in der That meist recht spaßige Potentatenknirpse
und mitunter auch recht niederträchtige Wichtel waren) und rissen beim Leop
(jua,in donum schnöde Witze über die Reichsverfassung. Entrüstet erhoben
sich die Andersgesinnten zum Widerspruch gegen solchen Frevel und zur Ver¬
theidigung der verhöhnten Personen und Institute. „Solche Apologien wu»
den aber nicht angenommen, man trommelte die Apologeten aus," und wenn
sie nicht nachgaben, entstand eine Prügelei, wobei die Preußischen regelmäßig
Sieger blieben (was mich als Vorspuk späterer — ich meine, viel späterer
Ereignisse freut, da einmal geprügelt sein mußte).

Mit der Zeit wurde die Universitätsbehörde auf diese Zänkereien auf'
merksam, und es erfolgte ein Verbot gegen alles öffentliche Raisonniren über
die kriegführenden Mächte; ja als bei einem Fronleichnamsfeste zu Erfu^
einige Mosellaner trunkenen Muthes sich vermessen hatten, Schimpfreden
gegen den Kaiser, die kleinen deutschen Souveräne und namentlich gegen den
Kurfürsten von Mainz, dem Erfurt damals gehörte, auszustoßen, mischte si^
her Herzog von Weimar hinein, schickte die respect- und pietätlosen Gesellen
auf zwei Monate zum Studium guter Sitte in der Einsamkeit nach ^
Wartburg und befahl seinem unterthänigsten Prorector in Jena, streng d^
rauf zu halten, daß seine Studenten sich fürderhin nicht mehr um die Kriegs
Händel stritten und noch weniger ungebührlich von großen Herren redeten-
was Maßen und was Gestalten u. f. w. Darauf ließ der Senat alle Aben^
die Versammlungsorte der Studirenden, besonders die Rasenmühle und den
halben Mond, wo die Mosellaner ihr Wesen trieben, sorgfältig beobacht^
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/410>, abgerufen am 06.02.2025.