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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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folgung, die nach Ausbruch der französischen Revolution von Seiten der Be¬
hörden über sie verhängt wurde, wieder an die Burschenschaft erinnern. In¬
deß lief es damals, wie wir sehen werden, glimpflicher ab, als 1834, wo in
Preußen etwa ein Dutzend schwarz-roth-goldne Schwärmer, weil sie, freilich
ein bischen unklar, aber nicht besonders ungestüm, ungefähr das gewollt, was
^ir jetzt, gelobt sei Gott! in Fülle haben -- allerdings nicht aus den Hän¬
den von Studentlein. Marktschreiern des Nationalvereins, allweisen Professoren
und noch ein wenig weiseren Zeitungsschreibern, auch nicht aus denen von
Schützen- und Sängerbrüdern, sondern durch das Genie eines großen gott¬
begnadeter Staatsmanns und die Kraft des preußischen Heeres haben --
Wo, sage ich, ein Dutzend oder mehr Studenten in aller Form wegen bur¬
schenschaftlicher Umtriebe zum Tode verurtheilt wurden, elf oder zwölf zum
Beile, einer zum Rade! Die Zeit von 1794, die sonst mit Verurtheilungen
Sum Schwerte und Rade keineswegs sparsam war, begnügte sich mit Relega¬
tionen. Höchstens wurde Einer oder der Andere dann unter die Soldaten
gesteckt. Man sieht, hier hinkt mein Vergleich zum zweiten Male. Er soll's
aller nicht wieder thun.

Nach Laukhard wäre die Mosellaner-Landsmannschaft in den
dreißiger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts aus der Vereinigung der in
Jena studirenden Rheinländer zu gemeinschaftlichen Gelagen und Ausflügen
entstanden, und der Beiname des Wirthes in Porstendorf. bei dem sie viel
verkehrt, und welcher seiner Herkunft zufolge der Mosellaner geheißen, hätte
^es allmälig auf ihren ganzen Kreis übertragen. Besondere Gesetze und Be¬
hüte hätte man ursprünglich nicht besessen. Man wäre vielmehr nur nach
den Grundsätzen mit einander umgegangen, die sich bei ähnlichen Kamerad¬
schaften überall natürlich als Regeln ergeben, und welche gute Freundschaft
on halten. Beleidigungen, welche ein Mitglied der Gesellschaft dem andern zu-
fügt, auf gütlichem Wege auszugleichen, von Fremden ausgehende mit dem
Degen zu rächen, sich gemeinschaftlich zu vergnügen, sich gegenseitig in der
^°es zu helfen und sich dem Beschluß der Mehrheit zu unterwerfen gebieten.
Am Laufe der Zeit hätte sich dann eine Anzahl spezieller Gebräuche und Ge¬
setze entwickelt, und um das Jahr 1760 wäre ein vollständiges System des
landsmannschaftlichen Rechtes der Mosellaner aufgestellt worden, und zwar
"us folgender Ursache.

In Folge der großen Ereignisse damaliger Zeit nahm, wie meine Quelle
^richtet, die Gesellschaft der rheinischen Studenten Jenas eine gewisse poli¬
tische Färbung an. Die dort sich aufhaltenden Musensöhne ergriffen im
siebenjährigen Kriege lebhaft Partei für und wider. Einige waren für die
kaiserlichen und die Reichstruppen, andere redeten (Gott wird ihren armen^Seelen jetzt hoffentlich die Dummheit verziehen haben) gar den Franzosen ^


folgung, die nach Ausbruch der französischen Revolution von Seiten der Be¬
hörden über sie verhängt wurde, wieder an die Burschenschaft erinnern. In¬
deß lief es damals, wie wir sehen werden, glimpflicher ab, als 1834, wo in
Preußen etwa ein Dutzend schwarz-roth-goldne Schwärmer, weil sie, freilich
ein bischen unklar, aber nicht besonders ungestüm, ungefähr das gewollt, was
^ir jetzt, gelobt sei Gott! in Fülle haben — allerdings nicht aus den Hän¬
den von Studentlein. Marktschreiern des Nationalvereins, allweisen Professoren
und noch ein wenig weiseren Zeitungsschreibern, auch nicht aus denen von
Schützen- und Sängerbrüdern, sondern durch das Genie eines großen gott¬
begnadeter Staatsmanns und die Kraft des preußischen Heeres haben —
Wo, sage ich, ein Dutzend oder mehr Studenten in aller Form wegen bur¬
schenschaftlicher Umtriebe zum Tode verurtheilt wurden, elf oder zwölf zum
Beile, einer zum Rade! Die Zeit von 1794, die sonst mit Verurtheilungen
Sum Schwerte und Rade keineswegs sparsam war, begnügte sich mit Relega¬
tionen. Höchstens wurde Einer oder der Andere dann unter die Soldaten
gesteckt. Man sieht, hier hinkt mein Vergleich zum zweiten Male. Er soll's
aller nicht wieder thun.

Nach Laukhard wäre die Mosellaner-Landsmannschaft in den
dreißiger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts aus der Vereinigung der in
Jena studirenden Rheinländer zu gemeinschaftlichen Gelagen und Ausflügen
entstanden, und der Beiname des Wirthes in Porstendorf. bei dem sie viel
verkehrt, und welcher seiner Herkunft zufolge der Mosellaner geheißen, hätte
^es allmälig auf ihren ganzen Kreis übertragen. Besondere Gesetze und Be¬
hüte hätte man ursprünglich nicht besessen. Man wäre vielmehr nur nach
den Grundsätzen mit einander umgegangen, die sich bei ähnlichen Kamerad¬
schaften überall natürlich als Regeln ergeben, und welche gute Freundschaft
on halten. Beleidigungen, welche ein Mitglied der Gesellschaft dem andern zu-
fügt, auf gütlichem Wege auszugleichen, von Fremden ausgehende mit dem
Degen zu rächen, sich gemeinschaftlich zu vergnügen, sich gegenseitig in der
^°es zu helfen und sich dem Beschluß der Mehrheit zu unterwerfen gebieten.
Am Laufe der Zeit hätte sich dann eine Anzahl spezieller Gebräuche und Ge¬
setze entwickelt, und um das Jahr 1760 wäre ein vollständiges System des
landsmannschaftlichen Rechtes der Mosellaner aufgestellt worden, und zwar
"us folgender Ursache.

In Folge der großen Ereignisse damaliger Zeit nahm, wie meine Quelle
^richtet, die Gesellschaft der rheinischen Studenten Jenas eine gewisse poli¬
tische Färbung an. Die dort sich aufhaltenden Musensöhne ergriffen im
siebenjährigen Kriege lebhaft Partei für und wider. Einige waren für die
kaiserlichen und die Reichstruppen, andere redeten (Gott wird ihren armen^Seelen jetzt hoffentlich die Dummheit verziehen haben) gar den Franzosen ^


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[0409] folgung, die nach Ausbruch der französischen Revolution von Seiten der Be¬ hörden über sie verhängt wurde, wieder an die Burschenschaft erinnern. In¬ deß lief es damals, wie wir sehen werden, glimpflicher ab, als 1834, wo in Preußen etwa ein Dutzend schwarz-roth-goldne Schwärmer, weil sie, freilich ein bischen unklar, aber nicht besonders ungestüm, ungefähr das gewollt, was ^ir jetzt, gelobt sei Gott! in Fülle haben — allerdings nicht aus den Hän¬ den von Studentlein. Marktschreiern des Nationalvereins, allweisen Professoren und noch ein wenig weiseren Zeitungsschreibern, auch nicht aus denen von Schützen- und Sängerbrüdern, sondern durch das Genie eines großen gott¬ begnadeter Staatsmanns und die Kraft des preußischen Heeres haben — Wo, sage ich, ein Dutzend oder mehr Studenten in aller Form wegen bur¬ schenschaftlicher Umtriebe zum Tode verurtheilt wurden, elf oder zwölf zum Beile, einer zum Rade! Die Zeit von 1794, die sonst mit Verurtheilungen Sum Schwerte und Rade keineswegs sparsam war, begnügte sich mit Relega¬ tionen. Höchstens wurde Einer oder der Andere dann unter die Soldaten gesteckt. Man sieht, hier hinkt mein Vergleich zum zweiten Male. Er soll's aller nicht wieder thun. Nach Laukhard wäre die Mosellaner-Landsmannschaft in den dreißiger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts aus der Vereinigung der in Jena studirenden Rheinländer zu gemeinschaftlichen Gelagen und Ausflügen entstanden, und der Beiname des Wirthes in Porstendorf. bei dem sie viel verkehrt, und welcher seiner Herkunft zufolge der Mosellaner geheißen, hätte ^es allmälig auf ihren ganzen Kreis übertragen. Besondere Gesetze und Be¬ hüte hätte man ursprünglich nicht besessen. Man wäre vielmehr nur nach den Grundsätzen mit einander umgegangen, die sich bei ähnlichen Kamerad¬ schaften überall natürlich als Regeln ergeben, und welche gute Freundschaft on halten. Beleidigungen, welche ein Mitglied der Gesellschaft dem andern zu- fügt, auf gütlichem Wege auszugleichen, von Fremden ausgehende mit dem Degen zu rächen, sich gemeinschaftlich zu vergnügen, sich gegenseitig in der ^°es zu helfen und sich dem Beschluß der Mehrheit zu unterwerfen gebieten. Am Laufe der Zeit hätte sich dann eine Anzahl spezieller Gebräuche und Ge¬ setze entwickelt, und um das Jahr 1760 wäre ein vollständiges System des landsmannschaftlichen Rechtes der Mosellaner aufgestellt worden, und zwar "us folgender Ursache. In Folge der großen Ereignisse damaliger Zeit nahm, wie meine Quelle ^richtet, die Gesellschaft der rheinischen Studenten Jenas eine gewisse poli¬ tische Färbung an. Die dort sich aufhaltenden Musensöhne ergriffen im siebenjährigen Kriege lebhaft Partei für und wider. Einige waren für die kaiserlichen und die Reichstruppen, andere redeten (Gott wird ihren armen^Seelen jetzt hoffentlich die Dummheit verziehen haben) gar den Franzosen ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/409>, abgerufen am 06.02.2025.