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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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die Zeit, die sich an den Mysterien der Masonei, der Rosenkreuzer und der
Illuminaten erbaute, aus und neben den Landsmannschaften die Studenten¬
orden entstehen.

In den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts fing die Freimaurerei
in Nord- und Mitteldeutschland an bekannter zu werden. Sie wuchs rasch
an Ansehen, sie erlebte ihre große Zeit, wo Lessing in ihrem Sinne schrieb,
wo der Sieger von Leuthen in einer ihrer Logen den Hammer führte, wo
Goethe und Herder und eine lange Reihe anderer glänzender Namen ihren
blauverbrämten Meisterschurz trugen. Es verstand sich beinahe von selbst,
daß die studirende Jugend nicht zurückbleiben konnte. Das Geheimnißvolle,
das Spiel mit Symbolen reizte, die würdevollen Titel, die hohen Zwecke, von
denen man aus dieser verschleierten Welt lauten, aber nicht anschlagen hörte,
thaten ein Uebriges. Man kam sich bedeutender, inhaltreicher, mannhafter
vor, wenn man auf seiner Kneipe etwas der Art aufführen konnte wie
draußen der Philister. Abenteuerliche, überspannte, viel herumgekommene Köpfe
boten sich zur Erfüllung der hieraus hervorgegangnen Wünsche an, gründeten
lvgenartige Klubs, warben Mitglieder und leiteten mit Feierlichkeit den Hocus-
Pocus der Zusammenkünfte, und so gab es bald auf den deutschen Hoch¬
schulen eine ganze Anzahl von Orden: Constantisten, Unitisten, Jucundisten,
Desparatisten, schwarze Brüder, einen Fensterorden, Amicisten u. s. w.

Die Mehrzahl dieser Gesellschaften hätte aller Wahrscheinlichkeit nach
keinen andern letzten Zweck, als die Landsmannschaften. Nur der Nimbus
des Geheimnißvollen und ein paar neue Bräuche und Symbole kamen hinzu.
Einige wollten anfänglich, wie ihr Vorbild, die Freimaureret, reformirend
wirken, Sitte und Anstand pflegen und das gesellige Leben verschönern. Bei
andern sollte die Frömmigkeit geweckt und wach erhalten werden. Wieder bei
andern mischten sich auch wohl, wie später bei der Burschenschaft, mehr oder
weniger unklare Ahnungen und Bestrebungen ein, die sich mit Politik befaßten.
Anklänge an die Gedanken, die 1789 das alte Frankreich umwarfen und das
heilige römische Reich in seinem wurmstichigen Gebälk knistern und knacken
ließen, dunkle Empfindungen, daß von Preußen her eine Reform zu erwarten,
Echos von Amerika herüber, das damals die englische Kette abschüttelte
u- d. Eine weitere Aehnlichkeit mit der Burschenschaft hatten diese Orden
darin, daß sie keinen Unterschied der Landschaften gelten ließen, sondern ihre
Mitglieder aus allen Strichen Deutschlands nahmen, ein Verfahren, das in¬
deß nicht sowohl in dem Bewußtsein, daß alle Deutschen Eins seien, als in
der Freimaurerei seine Wurzel hatte, wo die Loge die gesammte christliche
Menschheit umfassen sollte. Der Vergleich hinkt also hier einigermaßen.

Alle jene hohen Ideen waren indeß bet den meisten Orden von Anfang
kaum ernst gemeint, und gewiß wurden sie nicht auf die Dauer gepfle^-"


die Zeit, die sich an den Mysterien der Masonei, der Rosenkreuzer und der
Illuminaten erbaute, aus und neben den Landsmannschaften die Studenten¬
orden entstehen.

In den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts fing die Freimaurerei
in Nord- und Mitteldeutschland an bekannter zu werden. Sie wuchs rasch
an Ansehen, sie erlebte ihre große Zeit, wo Lessing in ihrem Sinne schrieb,
wo der Sieger von Leuthen in einer ihrer Logen den Hammer führte, wo
Goethe und Herder und eine lange Reihe anderer glänzender Namen ihren
blauverbrämten Meisterschurz trugen. Es verstand sich beinahe von selbst,
daß die studirende Jugend nicht zurückbleiben konnte. Das Geheimnißvolle,
das Spiel mit Symbolen reizte, die würdevollen Titel, die hohen Zwecke, von
denen man aus dieser verschleierten Welt lauten, aber nicht anschlagen hörte,
thaten ein Uebriges. Man kam sich bedeutender, inhaltreicher, mannhafter
vor, wenn man auf seiner Kneipe etwas der Art aufführen konnte wie
draußen der Philister. Abenteuerliche, überspannte, viel herumgekommene Köpfe
boten sich zur Erfüllung der hieraus hervorgegangnen Wünsche an, gründeten
lvgenartige Klubs, warben Mitglieder und leiteten mit Feierlichkeit den Hocus-
Pocus der Zusammenkünfte, und so gab es bald auf den deutschen Hoch¬
schulen eine ganze Anzahl von Orden: Constantisten, Unitisten, Jucundisten,
Desparatisten, schwarze Brüder, einen Fensterorden, Amicisten u. s. w.

Die Mehrzahl dieser Gesellschaften hätte aller Wahrscheinlichkeit nach
keinen andern letzten Zweck, als die Landsmannschaften. Nur der Nimbus
des Geheimnißvollen und ein paar neue Bräuche und Symbole kamen hinzu.
Einige wollten anfänglich, wie ihr Vorbild, die Freimaureret, reformirend
wirken, Sitte und Anstand pflegen und das gesellige Leben verschönern. Bei
andern sollte die Frömmigkeit geweckt und wach erhalten werden. Wieder bei
andern mischten sich auch wohl, wie später bei der Burschenschaft, mehr oder
weniger unklare Ahnungen und Bestrebungen ein, die sich mit Politik befaßten.
Anklänge an die Gedanken, die 1789 das alte Frankreich umwarfen und das
heilige römische Reich in seinem wurmstichigen Gebälk knistern und knacken
ließen, dunkle Empfindungen, daß von Preußen her eine Reform zu erwarten,
Echos von Amerika herüber, das damals die englische Kette abschüttelte
u- d. Eine weitere Aehnlichkeit mit der Burschenschaft hatten diese Orden
darin, daß sie keinen Unterschied der Landschaften gelten ließen, sondern ihre
Mitglieder aus allen Strichen Deutschlands nahmen, ein Verfahren, das in¬
deß nicht sowohl in dem Bewußtsein, daß alle Deutschen Eins seien, als in
der Freimaurerei seine Wurzel hatte, wo die Loge die gesammte christliche
Menschheit umfassen sollte. Der Vergleich hinkt also hier einigermaßen.

Alle jene hohen Ideen waren indeß bet den meisten Orden von Anfang
kaum ernst gemeint, und gewiß wurden sie nicht auf die Dauer gepfle^-"


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[0407] die Zeit, die sich an den Mysterien der Masonei, der Rosenkreuzer und der Illuminaten erbaute, aus und neben den Landsmannschaften die Studenten¬ orden entstehen. In den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts fing die Freimaurerei in Nord- und Mitteldeutschland an bekannter zu werden. Sie wuchs rasch an Ansehen, sie erlebte ihre große Zeit, wo Lessing in ihrem Sinne schrieb, wo der Sieger von Leuthen in einer ihrer Logen den Hammer führte, wo Goethe und Herder und eine lange Reihe anderer glänzender Namen ihren blauverbrämten Meisterschurz trugen. Es verstand sich beinahe von selbst, daß die studirende Jugend nicht zurückbleiben konnte. Das Geheimnißvolle, das Spiel mit Symbolen reizte, die würdevollen Titel, die hohen Zwecke, von denen man aus dieser verschleierten Welt lauten, aber nicht anschlagen hörte, thaten ein Uebriges. Man kam sich bedeutender, inhaltreicher, mannhafter vor, wenn man auf seiner Kneipe etwas der Art aufführen konnte wie draußen der Philister. Abenteuerliche, überspannte, viel herumgekommene Köpfe boten sich zur Erfüllung der hieraus hervorgegangnen Wünsche an, gründeten lvgenartige Klubs, warben Mitglieder und leiteten mit Feierlichkeit den Hocus- Pocus der Zusammenkünfte, und so gab es bald auf den deutschen Hoch¬ schulen eine ganze Anzahl von Orden: Constantisten, Unitisten, Jucundisten, Desparatisten, schwarze Brüder, einen Fensterorden, Amicisten u. s. w. Die Mehrzahl dieser Gesellschaften hätte aller Wahrscheinlichkeit nach keinen andern letzten Zweck, als die Landsmannschaften. Nur der Nimbus des Geheimnißvollen und ein paar neue Bräuche und Symbole kamen hinzu. Einige wollten anfänglich, wie ihr Vorbild, die Freimaureret, reformirend wirken, Sitte und Anstand pflegen und das gesellige Leben verschönern. Bei andern sollte die Frömmigkeit geweckt und wach erhalten werden. Wieder bei andern mischten sich auch wohl, wie später bei der Burschenschaft, mehr oder weniger unklare Ahnungen und Bestrebungen ein, die sich mit Politik befaßten. Anklänge an die Gedanken, die 1789 das alte Frankreich umwarfen und das heilige römische Reich in seinem wurmstichigen Gebälk knistern und knacken ließen, dunkle Empfindungen, daß von Preußen her eine Reform zu erwarten, Echos von Amerika herüber, das damals die englische Kette abschüttelte u- d. Eine weitere Aehnlichkeit mit der Burschenschaft hatten diese Orden darin, daß sie keinen Unterschied der Landschaften gelten ließen, sondern ihre Mitglieder aus allen Strichen Deutschlands nahmen, ein Verfahren, das in¬ deß nicht sowohl in dem Bewußtsein, daß alle Deutschen Eins seien, als in der Freimaurerei seine Wurzel hatte, wo die Loge die gesammte christliche Menschheit umfassen sollte. Der Vergleich hinkt also hier einigermaßen. Alle jene hohen Ideen waren indeß bet den meisten Orden von Anfang kaum ernst gemeint, und gewiß wurden sie nicht auf die Dauer gepfle^-"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/407>, abgerufen am 06.02.2025.