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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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hinausbringen, wenn ihn der Luxus der Organe überhaupt noch leben läßt.
Indeß wir wiederholen: das Herrenhaus hat die Sache besser gemacht als
sie war. Mit den Füßen, welche das Herrenhaus hinzugesetzt, läßt sich
wenigstens gehen, während die Einrichtung der andern so ist, daß sie sich un¬
aufhörlich in einander verfilzen.

Der Minister des Innern, nachdem er im Abgeordnetenhaus mit dessen
Beschlüssen sich einig erklärt, sah sich nun doch außer Stande, die Verbesserung
des Herrenhauses lediglich zu bekämpfen. Eine glückliche Rolle spielte er
dabei nicht, und sein von uns zuweilen hier gerühmter von sens verließ ihn
gänzlich, als er in der Selbstverwaltung nicht eine Staatsfunktion, sondern
eine communale oder privatrechtliche Funktion, umrahmt und durchsetzt, wie
^ sich ausdrückte, mit staatlichen Organen erkennen wollte. Der Herr Minister
ist viel beschäftigt und hat, wie man sieht, nicht Zeit gefunden, sich die
Erkenntniß Gneist's anzueignen. So kam es, daß er nicht nur hinter
Forkenbeck, sondern auch hinter Kleist-Retzow zurückblieb, die beide das richtige
Verständniß der Sache bekundeten.

Am besten war wohl der Vorschlag Forkenbeck's, die Provinzialordnung
vorläufig zu beschränken auf die Bildung der Organe für die Provinzial-
gemeindeangelegenheiten, die Betheiligung von Laien an der provinziellen
Staatsverwaltung dagegen zu verschieben, bis einmal das Gesetz über die Neu¬
organisation der gesammten Staatsverwaltung in Frage kommen wird. Das
Herrenhaus hat diesem Vorschlag nicht zugestimmt, dessen Zweck jedoch auch
"uf dem beliebten Wege der Annahme der Commissionsbeschlüsse hoffentlich
Reicht wird.

Die Majorität des Abgeordnetenhauses hat sich mit ihren höchst mi߬
ratenen Beschlüssen so identificirt, daß sie die Abänderungen des Herren¬
hauses ablehnen wird, und wir können das nur als ein Glück betrachten,
sofern dadurch, da das Herrenhaus ebensowenig an Nachgeben denkt, der
verfehlte Gesetzesplan unterbleibt. Man will diesem Ausgang von manchen
Zeiten theils parlamentarische, theils gouvernementale Folge beimessen, an
^e wir nicht glauben, obwohl wir sie nicht beklagen würden- Zu erwähnen
^ noch, daß bei den Beschlüssen des Herrenhauses die Abneigung der städtischen
Vertreter, als Aufsichtsinstanz über die Städte einen Provinzialausschuß anzu¬
nehmen,'in dem der ländliche Grundbesitz die Ueberhand hat, allerdings ein
Mitwirkender Faktor gewesen ist. Aber es ist vergeblich, damit den Werth
^ Beschlüsse herabzusetzen. Das Herrenhaus hat mit denselben die Wahr-
5°'r bezeugt, daß die höheren Instanzen der Verwaltung staatlich und nicht
"ach Interessengruppen construirt sein müssen. Dieses Zeugniß verliert nichts
^°n seinem Werth. weil es abgelegt worden theils von Vertretern Nachtheil


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hinausbringen, wenn ihn der Luxus der Organe überhaupt noch leben läßt.
Indeß wir wiederholen: das Herrenhaus hat die Sache besser gemacht als
sie war. Mit den Füßen, welche das Herrenhaus hinzugesetzt, läßt sich
wenigstens gehen, während die Einrichtung der andern so ist, daß sie sich un¬
aufhörlich in einander verfilzen.

Der Minister des Innern, nachdem er im Abgeordnetenhaus mit dessen
Beschlüssen sich einig erklärt, sah sich nun doch außer Stande, die Verbesserung
des Herrenhauses lediglich zu bekämpfen. Eine glückliche Rolle spielte er
dabei nicht, und sein von uns zuweilen hier gerühmter von sens verließ ihn
gänzlich, als er in der Selbstverwaltung nicht eine Staatsfunktion, sondern
eine communale oder privatrechtliche Funktion, umrahmt und durchsetzt, wie
^ sich ausdrückte, mit staatlichen Organen erkennen wollte. Der Herr Minister
ist viel beschäftigt und hat, wie man sieht, nicht Zeit gefunden, sich die
Erkenntniß Gneist's anzueignen. So kam es, daß er nicht nur hinter
Forkenbeck, sondern auch hinter Kleist-Retzow zurückblieb, die beide das richtige
Verständniß der Sache bekundeten.

Am besten war wohl der Vorschlag Forkenbeck's, die Provinzialordnung
vorläufig zu beschränken auf die Bildung der Organe für die Provinzial-
gemeindeangelegenheiten, die Betheiligung von Laien an der provinziellen
Staatsverwaltung dagegen zu verschieben, bis einmal das Gesetz über die Neu¬
organisation der gesammten Staatsverwaltung in Frage kommen wird. Das
Herrenhaus hat diesem Vorschlag nicht zugestimmt, dessen Zweck jedoch auch
"uf dem beliebten Wege der Annahme der Commissionsbeschlüsse hoffentlich
Reicht wird.

Die Majorität des Abgeordnetenhauses hat sich mit ihren höchst mi߬
ratenen Beschlüssen so identificirt, daß sie die Abänderungen des Herren¬
hauses ablehnen wird, und wir können das nur als ein Glück betrachten,
sofern dadurch, da das Herrenhaus ebensowenig an Nachgeben denkt, der
verfehlte Gesetzesplan unterbleibt. Man will diesem Ausgang von manchen
Zeiten theils parlamentarische, theils gouvernementale Folge beimessen, an
^e wir nicht glauben, obwohl wir sie nicht beklagen würden- Zu erwähnen
^ noch, daß bei den Beschlüssen des Herrenhauses die Abneigung der städtischen
Vertreter, als Aufsichtsinstanz über die Städte einen Provinzialausschuß anzu¬
nehmen,'in dem der ländliche Grundbesitz die Ueberhand hat, allerdings ein
Mitwirkender Faktor gewesen ist. Aber es ist vergeblich, damit den Werth
^ Beschlüsse herabzusetzen. Das Herrenhaus hat mit denselben die Wahr-
5°'r bezeugt, daß die höheren Instanzen der Verwaltung staatlich und nicht
"ach Interessengruppen construirt sein müssen. Dieses Zeugniß verliert nichts
^°n seinem Werth. weil es abgelegt worden theils von Vertretern Nachtheil


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/397>, abgerufen am 06.02.2025.