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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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deckter Tisch erschien das Land den Kriegern Charles', die, seit sie Lucca ver¬
lassen, sich eben nicht der besten Tage erfreut hatten. Es galt nun, aus dem
Gebirge zu debouchiren. Bei den außerordentlichen Schwierigkeiten, welche
der Transport des Geschützes mit sich brachte, war der Marsch des französi¬
schen Gros derart verlangsamt worden, daß die Avantgarde unter dem Mar¬
schall von Gye einen Vorsprung von 1^ Tagen gewonnen hatte. Sie hatte
eine Stärke von nur 160 Gensdarmes und 800 Schweizern, sowie einige leichte
Geschütze; aber sie besaß die Kühnheit und die Umsicht, sich sofort des Aus¬
gangs des Engpasses von Respiccio zu bemächtigen und ihn Angesichts des
so ungeheuer überlegenen Feindes besetzt zu halten. -- Am Ausgange des
Alpenpasses nämlich lagerten die Feinde, aber nicht, wie es sachgemäß gewesen
wäre, dem DeMe gegenüber, sondern seitwärts desselben, indem sie
nordöstlich von Fornovo auf dem rechten Ufer des Taro, wahrscheinlich etwas
oberhalb Ozzano, die im Flußthal ziehende Straße nach Parma sperrten,
die nach Asti aber, welche das nördliche Taro-User begleitete, unmittelbar
flankirten. Und eine dieser beiden Straßen mußte König Charles jedenfalls
gewinnen, wenn er den Nordostfuß des Apennin erreichen wollte. -- Als die
französische Borhut sich am Ausgang des Respizzio-Passes festsetzte, wurde sie
von den Stradioten angegriffen; aber der Schuß eines einzigen Falkonets,
der das Pferd eines Albanesen tödtete, jagte diese wilden Gesellen in die
Flucht; denn sie waren, wie Commes versichert, an dergleichen gar nicht
gewöhnt.

Es scheint jedoch, als ob sich die Wirkung eines so entschlossenen Auf¬
tretens der französischen Avantgarde nicht auf die Reihen der flüchtigen Stra¬
dioten beschränkte. Die Kühnheit des Marschalls von Gye machte auch die
vorsorglicher Proveditoren der Venetianer so stutzig, daß sie im Kriegsrathe
zu bedenken gaben, ob es nicht besser sei. den Kampf mit einem Verzweifelten
zu vermeiden. Ein gefangener Schweizer-Hauptmann, Namens Heils, der ein
guter Menschenkenner gewesen zu sein scheint, benutzte die Gemüthsstimmung
der Italiener, um ihre Besorgnisse durch Uebertreibung der französisches
Streitkräfte zu vermehren. Schon neigte sich die Meinung der italienisches
Hauptleute dahin, daß man gut thue, dem Feinde eine goldene Brücke zu
bauen, als der Gesandte Fernando's von Castilien mit Nachdruck für die ent¬
gegengesetzte Anschauung eintrat. Lasse man jetzt den König entkommen,
werde er von Novara und Asti aus, also im unbestrittenen Besitze Piemonts,
zu jeder Zeit im Stande sein, die lombardische Ebene mit Krieg zu überziehst'
Dieser Grund leuchtete ein, und der Herold Charles', welcher freien DurchM
zu verlangen kam, wurde abgewiesen.

Das französische Heer (einschließlich 2000 Dienern und Packknechten noch


deckter Tisch erschien das Land den Kriegern Charles', die, seit sie Lucca ver¬
lassen, sich eben nicht der besten Tage erfreut hatten. Es galt nun, aus dem
Gebirge zu debouchiren. Bei den außerordentlichen Schwierigkeiten, welche
der Transport des Geschützes mit sich brachte, war der Marsch des französi¬
schen Gros derart verlangsamt worden, daß die Avantgarde unter dem Mar¬
schall von Gye einen Vorsprung von 1^ Tagen gewonnen hatte. Sie hatte
eine Stärke von nur 160 Gensdarmes und 800 Schweizern, sowie einige leichte
Geschütze; aber sie besaß die Kühnheit und die Umsicht, sich sofort des Aus¬
gangs des Engpasses von Respiccio zu bemächtigen und ihn Angesichts des
so ungeheuer überlegenen Feindes besetzt zu halten. — Am Ausgange des
Alpenpasses nämlich lagerten die Feinde, aber nicht, wie es sachgemäß gewesen
wäre, dem DeMe gegenüber, sondern seitwärts desselben, indem sie
nordöstlich von Fornovo auf dem rechten Ufer des Taro, wahrscheinlich etwas
oberhalb Ozzano, die im Flußthal ziehende Straße nach Parma sperrten,
die nach Asti aber, welche das nördliche Taro-User begleitete, unmittelbar
flankirten. Und eine dieser beiden Straßen mußte König Charles jedenfalls
gewinnen, wenn er den Nordostfuß des Apennin erreichen wollte. — Als die
französische Borhut sich am Ausgang des Respizzio-Passes festsetzte, wurde sie
von den Stradioten angegriffen; aber der Schuß eines einzigen Falkonets,
der das Pferd eines Albanesen tödtete, jagte diese wilden Gesellen in die
Flucht; denn sie waren, wie Commes versichert, an dergleichen gar nicht
gewöhnt.

Es scheint jedoch, als ob sich die Wirkung eines so entschlossenen Auf¬
tretens der französischen Avantgarde nicht auf die Reihen der flüchtigen Stra¬
dioten beschränkte. Die Kühnheit des Marschalls von Gye machte auch die
vorsorglicher Proveditoren der Venetianer so stutzig, daß sie im Kriegsrathe
zu bedenken gaben, ob es nicht besser sei. den Kampf mit einem Verzweifelten
zu vermeiden. Ein gefangener Schweizer-Hauptmann, Namens Heils, der ein
guter Menschenkenner gewesen zu sein scheint, benutzte die Gemüthsstimmung
der Italiener, um ihre Besorgnisse durch Uebertreibung der französisches
Streitkräfte zu vermehren. Schon neigte sich die Meinung der italienisches
Hauptleute dahin, daß man gut thue, dem Feinde eine goldene Brücke zu
bauen, als der Gesandte Fernando's von Castilien mit Nachdruck für die ent¬
gegengesetzte Anschauung eintrat. Lasse man jetzt den König entkommen,
werde er von Novara und Asti aus, also im unbestrittenen Besitze Piemonts,
zu jeder Zeit im Stande sein, die lombardische Ebene mit Krieg zu überziehst'
Dieser Grund leuchtete ein, und der Herold Charles', welcher freien DurchM
zu verlangen kam, wurde abgewiesen.

Das französische Heer (einschließlich 2000 Dienern und Packknechten noch


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[0372] deckter Tisch erschien das Land den Kriegern Charles', die, seit sie Lucca ver¬ lassen, sich eben nicht der besten Tage erfreut hatten. Es galt nun, aus dem Gebirge zu debouchiren. Bei den außerordentlichen Schwierigkeiten, welche der Transport des Geschützes mit sich brachte, war der Marsch des französi¬ schen Gros derart verlangsamt worden, daß die Avantgarde unter dem Mar¬ schall von Gye einen Vorsprung von 1^ Tagen gewonnen hatte. Sie hatte eine Stärke von nur 160 Gensdarmes und 800 Schweizern, sowie einige leichte Geschütze; aber sie besaß die Kühnheit und die Umsicht, sich sofort des Aus¬ gangs des Engpasses von Respiccio zu bemächtigen und ihn Angesichts des so ungeheuer überlegenen Feindes besetzt zu halten. — Am Ausgange des Alpenpasses nämlich lagerten die Feinde, aber nicht, wie es sachgemäß gewesen wäre, dem DeMe gegenüber, sondern seitwärts desselben, indem sie nordöstlich von Fornovo auf dem rechten Ufer des Taro, wahrscheinlich etwas oberhalb Ozzano, die im Flußthal ziehende Straße nach Parma sperrten, die nach Asti aber, welche das nördliche Taro-User begleitete, unmittelbar flankirten. Und eine dieser beiden Straßen mußte König Charles jedenfalls gewinnen, wenn er den Nordostfuß des Apennin erreichen wollte. — Als die französische Borhut sich am Ausgang des Respizzio-Passes festsetzte, wurde sie von den Stradioten angegriffen; aber der Schuß eines einzigen Falkonets, der das Pferd eines Albanesen tödtete, jagte diese wilden Gesellen in die Flucht; denn sie waren, wie Commes versichert, an dergleichen gar nicht gewöhnt. Es scheint jedoch, als ob sich die Wirkung eines so entschlossenen Auf¬ tretens der französischen Avantgarde nicht auf die Reihen der flüchtigen Stra¬ dioten beschränkte. Die Kühnheit des Marschalls von Gye machte auch die vorsorglicher Proveditoren der Venetianer so stutzig, daß sie im Kriegsrathe zu bedenken gaben, ob es nicht besser sei. den Kampf mit einem Verzweifelten zu vermeiden. Ein gefangener Schweizer-Hauptmann, Namens Heils, der ein guter Menschenkenner gewesen zu sein scheint, benutzte die Gemüthsstimmung der Italiener, um ihre Besorgnisse durch Uebertreibung der französisches Streitkräfte zu vermehren. Schon neigte sich die Meinung der italienisches Hauptleute dahin, daß man gut thue, dem Feinde eine goldene Brücke zu bauen, als der Gesandte Fernando's von Castilien mit Nachdruck für die ent¬ gegengesetzte Anschauung eintrat. Lasse man jetzt den König entkommen, werde er von Novara und Asti aus, also im unbestrittenen Besitze Piemonts, zu jeder Zeit im Stande sein, die lombardische Ebene mit Krieg zu überziehst' Dieser Grund leuchtete ein, und der Herold Charles', welcher freien DurchM zu verlangen kam, wurde abgewiesen. Das französische Heer (einschließlich 2000 Dienern und Packknechten noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/372>, abgerufen am 06.02.2025.