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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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die 14 schweren Geschütze, welche sich noch beim Heere befanden, über den
von Felsmauern zerrissenen Scheitel des Gebirges zu schaffen. Man behielt
also nur das Gabelpferd vor jedem Kanon, und in Zahl von 100 und 200
spannten sich an Stelle der abgematteter, elenden und unzuverlässigen Thiere
die wackeren oberdeutschen Knechte an guten Stricken vor je ein Geschütz. So
ging es, taktmäßig, beim Klänge der Trommeln und Hörner die Felsen
hinauf. An fünf verschiedenen Stellen, wo die Böschungen besonders steil
waren, schlugen vorausgesandte Wegbereiter Herbergen auf, um den Leuten
bei dem schwülen Wetter Erfrischungen verabreichen zu können. Zimmerleute
und Schmiede waren ohne Unterlaß beschäftigt, Straße und Geräth auszu¬
bessern. Der Weg mußte häufig erweitert werden; denn er erwies sich an
vielen Stellen aufs Aeußerste schmal und selbst Saumthieren'beschwerlich zu
^klimmen. Während die Schweizer das Geschütz bergauf schafften, trugen
die andern Soldaten Kanonenkugeln in ihren Helmen. La Tremouille --
nie 1e eKevÄliöZ,' sans roproeke -- und Jean de la Grange. maistre Ac
Artillerie, leiteten die Arbeit und schlössen sich nicht aus. gleich den Knechten,
Hand anzulegen und Munition zu tragen, ein Beispiel, welches alle Ritter
nachahmten. Als man jedoch endlich auf der Höhe war und die Schwierig¬
keiten überwunden glaubte, ergab es sich, daß man nicht das Hauptgebirge,
sondern nur einen Ausläufer der Apenninen zum Uebergangspunkte gewählt
hatte. Man mußte über den Monte-longo wieder in das Thal hinabsteigen.
UM von da aus die Cisa. den wahren Scheidepunkt des Gebirges zu erreichen.
kostete ungeheure Mühe und Anstrengung, zu verhindern, daß die schweren
beschütze nicht in den Abgrund rollten und Menschen und Pferde mit sich
fortrissen. La Tremouille, der den Zug führte, war überall, ließ die Leute
schicklichen Plätzen ausruhen, Wein und Lebensmittel austheilen und die
gesunkenen Lebensgeister durch Musik ausheitern.

Drei Tage dauerte dieser beschwerliche Marsch, und doch waren noch
keine Gegner, sondern nur die Hindernisse der Natur zu überwinden. Von
Höhe der Cisa aus ging es im Thal der Baganza über Berceto und
^astellonelino bis Cavazzola. von wo noch der Monte Croce überstiegen
werden mußte, um in das Thal der Sporzana zu gelangen und dann über
Terenzo und Sivizzano endlich Fornovo zu erreichen. Hier war das Ziel
"iter dermaligen Anstrengungen, und angesichts desselben eilte La Tremouille
^ruck nach Mignegna. wo der König verblieben, um ihm das Vollbrachte
on verkünden. Kaum erkannte Charles seinen Feldherrn, so sehr war er
^stellt durch die Anstrengungen und gebräunt von der Sonne. In seinem
Geleit folgte nun der junge Fürst dem vorausgezogenen Heere nach. Endlich
sah er die üppige lombardische Ebene in aller Pracht, zugleich aber auch das
l^rke feindliche Heer in schönster Ordnung vor sich liegen. Wie ein reich ge-


die 14 schweren Geschütze, welche sich noch beim Heere befanden, über den
von Felsmauern zerrissenen Scheitel des Gebirges zu schaffen. Man behielt
also nur das Gabelpferd vor jedem Kanon, und in Zahl von 100 und 200
spannten sich an Stelle der abgematteter, elenden und unzuverlässigen Thiere
die wackeren oberdeutschen Knechte an guten Stricken vor je ein Geschütz. So
ging es, taktmäßig, beim Klänge der Trommeln und Hörner die Felsen
hinauf. An fünf verschiedenen Stellen, wo die Böschungen besonders steil
waren, schlugen vorausgesandte Wegbereiter Herbergen auf, um den Leuten
bei dem schwülen Wetter Erfrischungen verabreichen zu können. Zimmerleute
und Schmiede waren ohne Unterlaß beschäftigt, Straße und Geräth auszu¬
bessern. Der Weg mußte häufig erweitert werden; denn er erwies sich an
vielen Stellen aufs Aeußerste schmal und selbst Saumthieren'beschwerlich zu
^klimmen. Während die Schweizer das Geschütz bergauf schafften, trugen
die andern Soldaten Kanonenkugeln in ihren Helmen. La Tremouille —
nie 1e eKevÄliöZ,' sans roproeke — und Jean de la Grange. maistre Ac
Artillerie, leiteten die Arbeit und schlössen sich nicht aus. gleich den Knechten,
Hand anzulegen und Munition zu tragen, ein Beispiel, welches alle Ritter
nachahmten. Als man jedoch endlich auf der Höhe war und die Schwierig¬
keiten überwunden glaubte, ergab es sich, daß man nicht das Hauptgebirge,
sondern nur einen Ausläufer der Apenninen zum Uebergangspunkte gewählt
hatte. Man mußte über den Monte-longo wieder in das Thal hinabsteigen.
UM von da aus die Cisa. den wahren Scheidepunkt des Gebirges zu erreichen.
kostete ungeheure Mühe und Anstrengung, zu verhindern, daß die schweren
beschütze nicht in den Abgrund rollten und Menschen und Pferde mit sich
fortrissen. La Tremouille, der den Zug führte, war überall, ließ die Leute
schicklichen Plätzen ausruhen, Wein und Lebensmittel austheilen und die
gesunkenen Lebensgeister durch Musik ausheitern.

Drei Tage dauerte dieser beschwerliche Marsch, und doch waren noch
keine Gegner, sondern nur die Hindernisse der Natur zu überwinden. Von
Höhe der Cisa aus ging es im Thal der Baganza über Berceto und
^astellonelino bis Cavazzola. von wo noch der Monte Croce überstiegen
werden mußte, um in das Thal der Sporzana zu gelangen und dann über
Terenzo und Sivizzano endlich Fornovo zu erreichen. Hier war das Ziel
"iter dermaligen Anstrengungen, und angesichts desselben eilte La Tremouille
^ruck nach Mignegna. wo der König verblieben, um ihm das Vollbrachte
on verkünden. Kaum erkannte Charles seinen Feldherrn, so sehr war er
^stellt durch die Anstrengungen und gebräunt von der Sonne. In seinem
Geleit folgte nun der junge Fürst dem vorausgezogenen Heere nach. Endlich
sah er die üppige lombardische Ebene in aller Pracht, zugleich aber auch das
l^rke feindliche Heer in schönster Ordnung vor sich liegen. Wie ein reich ge-


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[0371] die 14 schweren Geschütze, welche sich noch beim Heere befanden, über den von Felsmauern zerrissenen Scheitel des Gebirges zu schaffen. Man behielt also nur das Gabelpferd vor jedem Kanon, und in Zahl von 100 und 200 spannten sich an Stelle der abgematteter, elenden und unzuverlässigen Thiere die wackeren oberdeutschen Knechte an guten Stricken vor je ein Geschütz. So ging es, taktmäßig, beim Klänge der Trommeln und Hörner die Felsen hinauf. An fünf verschiedenen Stellen, wo die Böschungen besonders steil waren, schlugen vorausgesandte Wegbereiter Herbergen auf, um den Leuten bei dem schwülen Wetter Erfrischungen verabreichen zu können. Zimmerleute und Schmiede waren ohne Unterlaß beschäftigt, Straße und Geräth auszu¬ bessern. Der Weg mußte häufig erweitert werden; denn er erwies sich an vielen Stellen aufs Aeußerste schmal und selbst Saumthieren'beschwerlich zu ^klimmen. Während die Schweizer das Geschütz bergauf schafften, trugen die andern Soldaten Kanonenkugeln in ihren Helmen. La Tremouille — nie 1e eKevÄliöZ,' sans roproeke — und Jean de la Grange. maistre Ac Artillerie, leiteten die Arbeit und schlössen sich nicht aus. gleich den Knechten, Hand anzulegen und Munition zu tragen, ein Beispiel, welches alle Ritter nachahmten. Als man jedoch endlich auf der Höhe war und die Schwierig¬ keiten überwunden glaubte, ergab es sich, daß man nicht das Hauptgebirge, sondern nur einen Ausläufer der Apenninen zum Uebergangspunkte gewählt hatte. Man mußte über den Monte-longo wieder in das Thal hinabsteigen. UM von da aus die Cisa. den wahren Scheidepunkt des Gebirges zu erreichen. kostete ungeheure Mühe und Anstrengung, zu verhindern, daß die schweren beschütze nicht in den Abgrund rollten und Menschen und Pferde mit sich fortrissen. La Tremouille, der den Zug führte, war überall, ließ die Leute schicklichen Plätzen ausruhen, Wein und Lebensmittel austheilen und die gesunkenen Lebensgeister durch Musik ausheitern. Drei Tage dauerte dieser beschwerliche Marsch, und doch waren noch keine Gegner, sondern nur die Hindernisse der Natur zu überwinden. Von Höhe der Cisa aus ging es im Thal der Baganza über Berceto und ^astellonelino bis Cavazzola. von wo noch der Monte Croce überstiegen werden mußte, um in das Thal der Sporzana zu gelangen und dann über Terenzo und Sivizzano endlich Fornovo zu erreichen. Hier war das Ziel "iter dermaligen Anstrengungen, und angesichts desselben eilte La Tremouille ^ruck nach Mignegna. wo der König verblieben, um ihm das Vollbrachte on verkünden. Kaum erkannte Charles seinen Feldherrn, so sehr war er ^stellt durch die Anstrengungen und gebräunt von der Sonne. In seinem Geleit folgte nun der junge Fürst dem vorausgezogenen Heere nach. Endlich sah er die üppige lombardische Ebene in aller Pracht, zugleich aber auch das l^rke feindliche Heer in schönster Ordnung vor sich liegen. Wie ein reich ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/371>, abgerufen am 06.02.2025.