Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.kahler Jüngling sein würde, wenn er nicht in dem großen Pöbelaufstande, Die letzte Geschichte der Sammlung, "Der Narr von Five Forts", Wir wissen, daß wir mit diesen gerippeartigen Analysen keine genügende kahler Jüngling sein würde, wenn er nicht in dem großen Pöbelaufstande, Die letzte Geschichte der Sammlung, „Der Narr von Five Forts", Wir wissen, daß wir mit diesen gerippeartigen Analysen keine genügende <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133642"/> <p xml:id="ID_1121" prev="#ID_1120"> kahler Jüngling sein würde, wenn er nicht in dem großen Pöbelaufstande,<lb/> der 1866 in San Francisco gegen die dort angesiedelten Söhne des himmlischen<lb/> Reichs der Mitte ausbrach, von christlichen Schulkindern zu Tode gesteinigt<lb/> worden wäre. Die Kellerscene in Hoy Sing's Laden, wo Man Lee durch<lb/> die Magie des Zauberkünstlers allmählich entsteht und. zuletzt als Homun-^<lb/> cuius unter der Decke hervortritt, ist im höchsten Grads spannend, und der<lb/> Contrast, in welchem das hochkomische, koboldartige Wesen des Knaben in<lb/> seiner Eigenschaft als Zeitungsausträger, dann als Setzer in der Druckerei<lb/> und als Diener des Redacteurs zu seinem tragischen Tode steht, kommt dem<lb/> Besten gleich, was Dickens in solchen Dingen geschaffen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1122"> Die letzte Geschichte der Sammlung, „Der Narr von Five Forts",<lb/> erzählt von einem Goldgräber, der im Osten eine Liebe zurückgelassen hat,<lb/> immer und immer an sie schreibt, nimmer und nimmer Antwort bekommt<lb/> und dennoch weiter liebt und hofft. Die Kameraden halten ihn für einen<lb/> Menschen, der „einen Vogel hat", sie werden in dieser Meinung bestärkt, als<lb/> Cyrus den Ertrag eines reichen Goldfundes an die Geliebte schickt, das Geld<lb/> durch die Post zurück erhält und dennoch weiter hofft. Sie sind völlig von<lb/> seiner Narrheit überzeugt, als er, trotz dieser Narrhett immer glücklich in<lb/> seinen Unternehmungen, für das Weib seines Herzens auf einen Hügel über<lb/> seiner Blockhütte ein schönes Haus baut und mit allem Comfort der Gesittung<lb/> ausstattet. Der Zufall führt sie endlich nach der Wildniß von Five Forts,<lb/> aber sie ist verheirathet. Im Stollen eines Bergwerks erkennt er sie, als sie<lb/> ihn ansieht, ihren Gatten, der bei der Besichtigung desselben verschüttet<lb/> worden ist, zu retten. Er entspricht der Bitte — als echter Narr im Sinne<lb/> der Welt — und findet dabei selbst den Tod.</p><lb/> <p xml:id="ID_1123"> Wir wissen, daß wir mit diesen gerippeartigen Analysen keine genügende<lb/> Vorstellung von der Schönheit dieser Novellen geben können. Ihre Schön¬<lb/> heit liegt vorzüglich in den Einzelheiten, in der Ausführung, in der Ent¬<lb/> wickelung der Charaktere und Situationen, in der tief herauf flammenden<lb/> Aeußerung der Leidenschaften, in dem Hervorbrechen des göttlichen Funkens<lb/> aus der Nacht der Sünde und Schwäche, die der Verfasser mit so vollendeter<lb/> Meisterschaft schildert, und vor Allem auch in dem goldnen Humor, der die<lb/> tragischen Ereignisse als Folie allenthalben umgiebt und verklärt. Diesen<lb/> hier nicht wiederzugebenden Dingen im Buche selbst zu folgen, seien die<lb/> Leser dringend eingeladen; sie werden hohen Genuß finden und uns Dank<lb/> wissen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0354]
kahler Jüngling sein würde, wenn er nicht in dem großen Pöbelaufstande,
der 1866 in San Francisco gegen die dort angesiedelten Söhne des himmlischen
Reichs der Mitte ausbrach, von christlichen Schulkindern zu Tode gesteinigt
worden wäre. Die Kellerscene in Hoy Sing's Laden, wo Man Lee durch
die Magie des Zauberkünstlers allmählich entsteht und. zuletzt als Homun-^
cuius unter der Decke hervortritt, ist im höchsten Grads spannend, und der
Contrast, in welchem das hochkomische, koboldartige Wesen des Knaben in
seiner Eigenschaft als Zeitungsausträger, dann als Setzer in der Druckerei
und als Diener des Redacteurs zu seinem tragischen Tode steht, kommt dem
Besten gleich, was Dickens in solchen Dingen geschaffen hat.
Die letzte Geschichte der Sammlung, „Der Narr von Five Forts",
erzählt von einem Goldgräber, der im Osten eine Liebe zurückgelassen hat,
immer und immer an sie schreibt, nimmer und nimmer Antwort bekommt
und dennoch weiter liebt und hofft. Die Kameraden halten ihn für einen
Menschen, der „einen Vogel hat", sie werden in dieser Meinung bestärkt, als
Cyrus den Ertrag eines reichen Goldfundes an die Geliebte schickt, das Geld
durch die Post zurück erhält und dennoch weiter hofft. Sie sind völlig von
seiner Narrheit überzeugt, als er, trotz dieser Narrhett immer glücklich in
seinen Unternehmungen, für das Weib seines Herzens auf einen Hügel über
seiner Blockhütte ein schönes Haus baut und mit allem Comfort der Gesittung
ausstattet. Der Zufall führt sie endlich nach der Wildniß von Five Forts,
aber sie ist verheirathet. Im Stollen eines Bergwerks erkennt er sie, als sie
ihn ansieht, ihren Gatten, der bei der Besichtigung desselben verschüttet
worden ist, zu retten. Er entspricht der Bitte — als echter Narr im Sinne
der Welt — und findet dabei selbst den Tod.
Wir wissen, daß wir mit diesen gerippeartigen Analysen keine genügende
Vorstellung von der Schönheit dieser Novellen geben können. Ihre Schön¬
heit liegt vorzüglich in den Einzelheiten, in der Ausführung, in der Ent¬
wickelung der Charaktere und Situationen, in der tief herauf flammenden
Aeußerung der Leidenschaften, in dem Hervorbrechen des göttlichen Funkens
aus der Nacht der Sünde und Schwäche, die der Verfasser mit so vollendeter
Meisterschaft schildert, und vor Allem auch in dem goldnen Humor, der die
tragischen Ereignisse als Folie allenthalben umgiebt und verklärt. Diesen
hier nicht wiederzugebenden Dingen im Buche selbst zu folgen, seien die
Leser dringend eingeladen; sie werden hohen Genuß finden und uns Dank
wissen.
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