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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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wozu Karl indessen nicht geneigt war.*) Doch waren die Unterhandlungen
mit Alexander keinesweges freundlicher Art und zweimal wurde das Geschütz
gegen die Engelsburg in Batterie gefahren, um der Sprache der Diplomaten
Nachdruck zu geben.

Im Heere Charles' waltete, französischen Angaben nach, ausgezeichnete
Mannszucht; einige schottische Garden, die sich Gewaltthätigkeiten gegen
Juden erlaubt hatten, wurden streng bestraft. Die Italiener versichern da¬
gegen, daß die zechenden und spielenden Soldknechte sich allen nur denkbaren
Ausschweifungen hingegeben hätten, und daß der Papst, vorzugsweise, um die
Stadt von diesen wüsten Banden zu befreien, eingewilligt habe, dem Könige
die römischen Festungen Spoleto, Terracina und Civita vecchia bis zur Be¬
endigung des Krieges einzuräumen und ihm die Belehnung mit Neapel zu
verheißen. Verderblich für die Schweizer wurde die acht Tage nach der Besitz¬
nahme Roms erfolgte Plünderung und Zerstörung des Hauses von Rosa
Vannoza, der Maitresse des Papstes und Mutter seiner natürlichen Kinder,
welche dafür blutige Rache schwor und Wort hielt; denn da die Schweizer-
Truppen in des Königs Armee dabei besonders thätig gewesen waren, so
warf sie ihren Haß auf diese Nation, und ließ nach dem Abzug der eigent¬
lichen Thäter zur Befriedigung ihrer Rachgier die in der päpstlichen Garde
dienenden Schweizer auf die schändlichste und raffinirteste Weise ermorden.

Nachdem Charles zu Rom seinen Frieden mit dem Papste geschlossen, brach
er am 28. Januar zu dem eigentlichen Feldzuge gegen Neapel auf. Er
marschierte mit der Hauptkolonne die Straße von San Germano durch Latium;
eine Seitenkolonne zog durch das Gebirge, und sogleich erklärte sich fast die
gesammte Bevölkerung der Abruzzen, in welcher auch früher das Haus Anjou
die meisten Anhänger gehabt, für den König von Frankreich als Erben der
neapolitanischen Krone. Vor der festen Stadt Monte San Giovanno,
welche den Aragonesen einst sieben Jahre lang widerstanden, zeigte sich die
Macht der französischen Artillerie. Ein vierstündiges Geschützfeuer war hin¬
reichend, die Mauern zu zertrümmern und in die Gräben zu stürzen, worauf
der Sturm und die Einnahme unmittelbar folgten. Die Garnison: 500
Soldaten und ebensoviel bewaffnete Bauern, wurde auf Befehl des Königs
hingerichtet.

Die Armee zog nun langsam vorwärts, beinahe wie es jedem Einzelnen
beliebte. Das war nicht jener rapide Marsch Attila's oder Alarich's, der die
Reichthümer und den Glanz der römischen Civilisation in den Staub warf;
das war auch keiner jener klugen und kühnen strategischen Züge, wie sie vier
Jahrhunderte nach Charles die Heere der französischen Republik in Italien



") Schmidt. Geschichte von Frankreich.

wozu Karl indessen nicht geneigt war.*) Doch waren die Unterhandlungen
mit Alexander keinesweges freundlicher Art und zweimal wurde das Geschütz
gegen die Engelsburg in Batterie gefahren, um der Sprache der Diplomaten
Nachdruck zu geben.

Im Heere Charles' waltete, französischen Angaben nach, ausgezeichnete
Mannszucht; einige schottische Garden, die sich Gewaltthätigkeiten gegen
Juden erlaubt hatten, wurden streng bestraft. Die Italiener versichern da¬
gegen, daß die zechenden und spielenden Soldknechte sich allen nur denkbaren
Ausschweifungen hingegeben hätten, und daß der Papst, vorzugsweise, um die
Stadt von diesen wüsten Banden zu befreien, eingewilligt habe, dem Könige
die römischen Festungen Spoleto, Terracina und Civita vecchia bis zur Be¬
endigung des Krieges einzuräumen und ihm die Belehnung mit Neapel zu
verheißen. Verderblich für die Schweizer wurde die acht Tage nach der Besitz¬
nahme Roms erfolgte Plünderung und Zerstörung des Hauses von Rosa
Vannoza, der Maitresse des Papstes und Mutter seiner natürlichen Kinder,
welche dafür blutige Rache schwor und Wort hielt; denn da die Schweizer-
Truppen in des Königs Armee dabei besonders thätig gewesen waren, so
warf sie ihren Haß auf diese Nation, und ließ nach dem Abzug der eigent¬
lichen Thäter zur Befriedigung ihrer Rachgier die in der päpstlichen Garde
dienenden Schweizer auf die schändlichste und raffinirteste Weise ermorden.

Nachdem Charles zu Rom seinen Frieden mit dem Papste geschlossen, brach
er am 28. Januar zu dem eigentlichen Feldzuge gegen Neapel auf. Er
marschierte mit der Hauptkolonne die Straße von San Germano durch Latium;
eine Seitenkolonne zog durch das Gebirge, und sogleich erklärte sich fast die
gesammte Bevölkerung der Abruzzen, in welcher auch früher das Haus Anjou
die meisten Anhänger gehabt, für den König von Frankreich als Erben der
neapolitanischen Krone. Vor der festen Stadt Monte San Giovanno,
welche den Aragonesen einst sieben Jahre lang widerstanden, zeigte sich die
Macht der französischen Artillerie. Ein vierstündiges Geschützfeuer war hin¬
reichend, die Mauern zu zertrümmern und in die Gräben zu stürzen, worauf
der Sturm und die Einnahme unmittelbar folgten. Die Garnison: 500
Soldaten und ebensoviel bewaffnete Bauern, wurde auf Befehl des Königs
hingerichtet.

Die Armee zog nun langsam vorwärts, beinahe wie es jedem Einzelnen
beliebte. Das war nicht jener rapide Marsch Attila's oder Alarich's, der die
Reichthümer und den Glanz der römischen Civilisation in den Staub warf;
das war auch keiner jener klugen und kühnen strategischen Züge, wie sie vier
Jahrhunderte nach Charles die Heere der französischen Republik in Italien



») Schmidt. Geschichte von Frankreich.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/342>, abgerufen am 06.02.2025.