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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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schiedenartigsten Dimensionen und Kalibern führten, welche die Nachtheile
der Unbehilflichkeit und Verwirrung hatten, besaß Frankreich, dank der Für¬
sorge Louis' XI., eine kleine Zahl mittlerer Kaliber. Die alten Donnerbüchsen
waren nicht mehr im Gebrauch, und die Steinkugeln, welche bei allen andern
Artillerien noch vorherrschten, wurden hier nur noch für Mörser beibehalten.
Die Geschütze bestanden aus Bronce und schössen gußeiserne und broncene
Kugeln.

Die kleinsten Kaliber waren das 1 und 2 pfundige Falconet, dann
folgten die mittlern Couleuvrine (12 pfündige), die schwere (16 pfundige) Cou-
leuvrine, die Serpentine (24 pfündige) und endlich die SO pfündige üoudl"
eourtÄnt.Dieses Doppelkanon zogen 35 Pferde, die Serpentine 23. die
Couleuvrine 17 resp. 7, die Falkonets 2 oder 1 Pferd. Bet Eilmärschen
wurde in bestimmt reglementirter Weise Relais gelegt.

Sämmtliche Geschütze, auch die schweren Kaliber, scheinen nicht auf
Sattelwagen, sondern auf der Lafette transportirt worden zu sein. Diese
bestand aus Rüsternholz-, die Räder waren gestürzt (d. h. die Speichen gegen
die Rabe geneigt), die Naben der großen Kaliber mit broncenen Buchsen
versehn. Eine Protze hatte nur das Doppelkanon; die andern Geschütze haben
deren bis Louis XIV. entbehrt und hatten zunächst am Geschütz eine Gabel,
in welche das erste, stärkste Zugpferd eingespannt war.

Die Artillerie war in "danach" von 400 bis 1000 Pferden eingetheilt,
welche von Commissairen befehligt wurden. Bei den unteren Aemtern gab
es eine große Anzahl von Spezialitäten: eannoniers orÄina.1r<zö und extra-
orämaires, nebst Handlangern, die bouts-deux (Konstabler) die Bombardiere
und endlich eine Menge von Latern, Zeugdienern und Handlangern.^) Die
eanrwiuörs ordinaires, welche permanent in gewissen Städten als Spezial¬
beamte unterhalten wurden, waren zugleich mit der technischen Herstellung
der Geschütze beauftragt. Das Formen und Gießen geschah über einen Kern
und die Seele wurde dann noch mit Kronenbohrern ausgebohrt und geebnet.^*)
Das Bohren geschah anfangs nur durch Treträder-!); erst später wurden
eigentliche Bohrwerke angelegt, deren Getriebe durch Wasserkraft bewegt ward.1"!)
Die ekmnoniors empfingen monatlich 4 Livres Gehalt, und das Ansehn,
welches sie genossen, spricht sich in der ihnen bewilligten prachtvollen Kleidung
aus. Kosteten doch die gestickten Mäntel, welche Charles VIII- "n 127 Mann
von ihnen gab, allein 22S0 Livres.







') Oomptes <Zs l'aitillsriö Owrlss VIII. M. S. bei Prinz Louis Napoleon Bona¬
parte: I^drao Kur Is Mssö ot 1'avsiiir So I'artillsris.
"*) verZisr ä'dovueur und Andrö de l-> Vigne bei Louis Napoleon.
Hoyer, Geschichte der Kriegskunst.
1) Birilixvooio ?/rot>"LNiiia Ub. VII.
1t) Busch, Handb. d. Erfindungen. 1. Thl.

schiedenartigsten Dimensionen und Kalibern führten, welche die Nachtheile
der Unbehilflichkeit und Verwirrung hatten, besaß Frankreich, dank der Für¬
sorge Louis' XI., eine kleine Zahl mittlerer Kaliber. Die alten Donnerbüchsen
waren nicht mehr im Gebrauch, und die Steinkugeln, welche bei allen andern
Artillerien noch vorherrschten, wurden hier nur noch für Mörser beibehalten.
Die Geschütze bestanden aus Bronce und schössen gußeiserne und broncene
Kugeln.

Die kleinsten Kaliber waren das 1 und 2 pfundige Falconet, dann
folgten die mittlern Couleuvrine (12 pfündige), die schwere (16 pfundige) Cou-
leuvrine, die Serpentine (24 pfündige) und endlich die SO pfündige üoudl»
eourtÄnt.Dieses Doppelkanon zogen 35 Pferde, die Serpentine 23. die
Couleuvrine 17 resp. 7, die Falkonets 2 oder 1 Pferd. Bet Eilmärschen
wurde in bestimmt reglementirter Weise Relais gelegt.

Sämmtliche Geschütze, auch die schweren Kaliber, scheinen nicht auf
Sattelwagen, sondern auf der Lafette transportirt worden zu sein. Diese
bestand aus Rüsternholz-, die Räder waren gestürzt (d. h. die Speichen gegen
die Rabe geneigt), die Naben der großen Kaliber mit broncenen Buchsen
versehn. Eine Protze hatte nur das Doppelkanon; die andern Geschütze haben
deren bis Louis XIV. entbehrt und hatten zunächst am Geschütz eine Gabel,
in welche das erste, stärkste Zugpferd eingespannt war.

Die Artillerie war in „danach" von 400 bis 1000 Pferden eingetheilt,
welche von Commissairen befehligt wurden. Bei den unteren Aemtern gab
es eine große Anzahl von Spezialitäten: eannoniers orÄina.1r<zö und extra-
orämaires, nebst Handlangern, die bouts-deux (Konstabler) die Bombardiere
und endlich eine Menge von Latern, Zeugdienern und Handlangern.^) Die
eanrwiuörs ordinaires, welche permanent in gewissen Städten als Spezial¬
beamte unterhalten wurden, waren zugleich mit der technischen Herstellung
der Geschütze beauftragt. Das Formen und Gießen geschah über einen Kern
und die Seele wurde dann noch mit Kronenbohrern ausgebohrt und geebnet.^*)
Das Bohren geschah anfangs nur durch Treträder-!); erst später wurden
eigentliche Bohrwerke angelegt, deren Getriebe durch Wasserkraft bewegt ward.1"!)
Die ekmnoniors empfingen monatlich 4 Livres Gehalt, und das Ansehn,
welches sie genossen, spricht sich in der ihnen bewilligten prachtvollen Kleidung
aus. Kosteten doch die gestickten Mäntel, welche Charles VIII- «n 127 Mann
von ihnen gab, allein 22S0 Livres.







') Oomptes <Zs l'aitillsriö Owrlss VIII. M. S. bei Prinz Louis Napoleon Bona¬
parte: I^drao Kur Is Mssö ot 1'avsiiir So I'artillsris.
"*) verZisr ä'dovueur und Andrö de l-> Vigne bei Louis Napoleon.
Hoyer, Geschichte der Kriegskunst.
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1t) Busch, Handb. d. Erfindungen. 1. Thl.
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[0337] schiedenartigsten Dimensionen und Kalibern führten, welche die Nachtheile der Unbehilflichkeit und Verwirrung hatten, besaß Frankreich, dank der Für¬ sorge Louis' XI., eine kleine Zahl mittlerer Kaliber. Die alten Donnerbüchsen waren nicht mehr im Gebrauch, und die Steinkugeln, welche bei allen andern Artillerien noch vorherrschten, wurden hier nur noch für Mörser beibehalten. Die Geschütze bestanden aus Bronce und schössen gußeiserne und broncene Kugeln. Die kleinsten Kaliber waren das 1 und 2 pfundige Falconet, dann folgten die mittlern Couleuvrine (12 pfündige), die schwere (16 pfundige) Cou- leuvrine, die Serpentine (24 pfündige) und endlich die SO pfündige üoudl» eourtÄnt.Dieses Doppelkanon zogen 35 Pferde, die Serpentine 23. die Couleuvrine 17 resp. 7, die Falkonets 2 oder 1 Pferd. Bet Eilmärschen wurde in bestimmt reglementirter Weise Relais gelegt. Sämmtliche Geschütze, auch die schweren Kaliber, scheinen nicht auf Sattelwagen, sondern auf der Lafette transportirt worden zu sein. Diese bestand aus Rüsternholz-, die Räder waren gestürzt (d. h. die Speichen gegen die Rabe geneigt), die Naben der großen Kaliber mit broncenen Buchsen versehn. Eine Protze hatte nur das Doppelkanon; die andern Geschütze haben deren bis Louis XIV. entbehrt und hatten zunächst am Geschütz eine Gabel, in welche das erste, stärkste Zugpferd eingespannt war. Die Artillerie war in „danach" von 400 bis 1000 Pferden eingetheilt, welche von Commissairen befehligt wurden. Bei den unteren Aemtern gab es eine große Anzahl von Spezialitäten: eannoniers orÄina.1r<zö und extra- orämaires, nebst Handlangern, die bouts-deux (Konstabler) die Bombardiere und endlich eine Menge von Latern, Zeugdienern und Handlangern.^) Die eanrwiuörs ordinaires, welche permanent in gewissen Städten als Spezial¬ beamte unterhalten wurden, waren zugleich mit der technischen Herstellung der Geschütze beauftragt. Das Formen und Gießen geschah über einen Kern und die Seele wurde dann noch mit Kronenbohrern ausgebohrt und geebnet.^*) Das Bohren geschah anfangs nur durch Treträder-!); erst später wurden eigentliche Bohrwerke angelegt, deren Getriebe durch Wasserkraft bewegt ward.1"!) Die ekmnoniors empfingen monatlich 4 Livres Gehalt, und das Ansehn, welches sie genossen, spricht sich in der ihnen bewilligten prachtvollen Kleidung aus. Kosteten doch die gestickten Mäntel, welche Charles VIII- «n 127 Mann von ihnen gab, allein 22S0 Livres. ') Oomptes <Zs l'aitillsriö Owrlss VIII. M. S. bei Prinz Louis Napoleon Bona¬ parte: I^drao Kur Is Mssö ot 1'avsiiir So I'artillsris. "*) verZisr ä'dovueur und Andrö de l-> Vigne bei Louis Napoleon. Hoyer, Geschichte der Kriegskunst. 1) Birilixvooio ?/rot>«LNiiia Ub. VII. 1t) Busch, Handb. d. Erfindungen. 1. Thl.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/337>, abgerufen am 06.02.2025.