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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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von Calabrien die Blüthe des militärischen Italiens versammelt. Der Lom¬
barde Triulzio, später einer der berühmtesten Marschälle Frankreichs, und der
Markgraf von Pescara drangen darauf, den verwegenen Feind anzugreifen;
aber der Führer der römischen Truppen, Graf Pitigliano widersetzte sich. Er
folgte geheimen Befehlen des Papstes, der bei dem Kriege zu gewinnen hoffte
und fürchtete, eine Niederlage d'Aubigny's könne die ganze Unternehmung
Charles' in Frage stellen. Solcher Art waren die Gegner der Franzosen! --
Evrard d'Aubigny griff Mindano an, beschoß den mit hohen Mauern und
breiten Gräben versehenen, wohlbesetzten Platz, nahm ihn und ließ die ganze
Besatzung über die Klinge springen.

Die Kämpfe von Ripallo und Mindano hatten dem französischen Haupt¬
heer den Weg zur Halbinsel geöffnet und lähmenden Schrecken in Italien
verbreitet. Nun endlich setzte sich auch die dritte Abtheilung der Franzosen, das
strategischeCentrum, d. h. die Armee des Königs selbst in Bewegung.

Es war gegen Ende August 1494, daß Charles VIII. von Vienne aus
über den Mont Genevre seinen Zug nach Italien antrat. Der Ehrenspiegel
des ErzHauses Oesterreich giebt die Gesammtmacht der Franzosen auf 5000
Reiter und 20,000 Mann Fußvolk an. Guicciardini berechnet das Heer auf
200 Edelleute der königlichen Leibwache, 1600 Gendarmes, 6000 Schweizer
und 6000 französische Jnfanteristen, von denen die Hälfte Gascogner gewesen
seien. Leo, in seiner Geschichte der italienischen Staaten, nennt auf Grund
der Nömoires la. IremouillL 3600 Gendarmen, 3000 bretonische Bogen¬
schützen zu Fuß, 6000 französische Armbrustschützen, 8000 gascognische Jnfan¬
teristen, die mit Luntenbüchsen und Flambergen bewaffnet waren, und 8000
schweizerische Hellebardierer, eine offenbar übertriebene Angabe. Guicciardini's
Berechnung dürfte mit der des Ehrenspiegels übereinstimmen, wenn man
seinem Fußvolk noch 3000 deutsche Knechte hinzufügt, welche sich, andern
sicheren Nachrichten zufolge, bei dem Jnvasionscorps befunden haben, sowie
die 5000 bretonischen Bogenschützen, welche de la Tremouille's Memoiren auf¬
zählen.

Die Blüthe des französischen Heeres bildeten die Compagnies ä'or'
clonnAnck, "die gefügigste Form, in welcher der Adelsmuth Frankreichs
sich zum Wohl des Staates bethätigen konnte." Jede Compagnie derselben
sollte gesetzlich aus 100 Lanzen bestehen. Nur des Connetables Compagnie
zählte 400 Lanzen. Zur vollen Lanze (kaltes gai-mis oder toui-nie) gehörten,
außer dem Komm" ä'armes, 5 Personen: 3 g-reners (Reisige), 1 eoutiUi^'
(Knappe) und 1 variet oder valet (Diener). Eine Compagnie zählte mithin 600
Rosse. Der Freiwilligen jedoch waren so viele, daß man nicht selten Compagnien
von 1200 Pferden und darüber fand. An der Spitze dieser Compagnien star'


von Calabrien die Blüthe des militärischen Italiens versammelt. Der Lom¬
barde Triulzio, später einer der berühmtesten Marschälle Frankreichs, und der
Markgraf von Pescara drangen darauf, den verwegenen Feind anzugreifen;
aber der Führer der römischen Truppen, Graf Pitigliano widersetzte sich. Er
folgte geheimen Befehlen des Papstes, der bei dem Kriege zu gewinnen hoffte
und fürchtete, eine Niederlage d'Aubigny's könne die ganze Unternehmung
Charles' in Frage stellen. Solcher Art waren die Gegner der Franzosen! —
Evrard d'Aubigny griff Mindano an, beschoß den mit hohen Mauern und
breiten Gräben versehenen, wohlbesetzten Platz, nahm ihn und ließ die ganze
Besatzung über die Klinge springen.

Die Kämpfe von Ripallo und Mindano hatten dem französischen Haupt¬
heer den Weg zur Halbinsel geöffnet und lähmenden Schrecken in Italien
verbreitet. Nun endlich setzte sich auch die dritte Abtheilung der Franzosen, das
strategischeCentrum, d. h. die Armee des Königs selbst in Bewegung.

Es war gegen Ende August 1494, daß Charles VIII. von Vienne aus
über den Mont Genevre seinen Zug nach Italien antrat. Der Ehrenspiegel
des ErzHauses Oesterreich giebt die Gesammtmacht der Franzosen auf 5000
Reiter und 20,000 Mann Fußvolk an. Guicciardini berechnet das Heer auf
200 Edelleute der königlichen Leibwache, 1600 Gendarmes, 6000 Schweizer
und 6000 französische Jnfanteristen, von denen die Hälfte Gascogner gewesen
seien. Leo, in seiner Geschichte der italienischen Staaten, nennt auf Grund
der Nömoires la. IremouillL 3600 Gendarmen, 3000 bretonische Bogen¬
schützen zu Fuß, 6000 französische Armbrustschützen, 8000 gascognische Jnfan¬
teristen, die mit Luntenbüchsen und Flambergen bewaffnet waren, und 8000
schweizerische Hellebardierer, eine offenbar übertriebene Angabe. Guicciardini's
Berechnung dürfte mit der des Ehrenspiegels übereinstimmen, wenn man
seinem Fußvolk noch 3000 deutsche Knechte hinzufügt, welche sich, andern
sicheren Nachrichten zufolge, bei dem Jnvasionscorps befunden haben, sowie
die 5000 bretonischen Bogenschützen, welche de la Tremouille's Memoiren auf¬
zählen.

Die Blüthe des französischen Heeres bildeten die Compagnies ä'or'
clonnAnck, „die gefügigste Form, in welcher der Adelsmuth Frankreichs
sich zum Wohl des Staates bethätigen konnte." Jede Compagnie derselben
sollte gesetzlich aus 100 Lanzen bestehen. Nur des Connetables Compagnie
zählte 400 Lanzen. Zur vollen Lanze (kaltes gai-mis oder toui-nie) gehörten,
außer dem Komm« ä'armes, 5 Personen: 3 g-reners (Reisige), 1 eoutiUi^'
(Knappe) und 1 variet oder valet (Diener). Eine Compagnie zählte mithin 600
Rosse. Der Freiwilligen jedoch waren so viele, daß man nicht selten Compagnien
von 1200 Pferden und darüber fand. An der Spitze dieser Compagnien star'


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[0334] von Calabrien die Blüthe des militärischen Italiens versammelt. Der Lom¬ barde Triulzio, später einer der berühmtesten Marschälle Frankreichs, und der Markgraf von Pescara drangen darauf, den verwegenen Feind anzugreifen; aber der Führer der römischen Truppen, Graf Pitigliano widersetzte sich. Er folgte geheimen Befehlen des Papstes, der bei dem Kriege zu gewinnen hoffte und fürchtete, eine Niederlage d'Aubigny's könne die ganze Unternehmung Charles' in Frage stellen. Solcher Art waren die Gegner der Franzosen! — Evrard d'Aubigny griff Mindano an, beschoß den mit hohen Mauern und breiten Gräben versehenen, wohlbesetzten Platz, nahm ihn und ließ die ganze Besatzung über die Klinge springen. Die Kämpfe von Ripallo und Mindano hatten dem französischen Haupt¬ heer den Weg zur Halbinsel geöffnet und lähmenden Schrecken in Italien verbreitet. Nun endlich setzte sich auch die dritte Abtheilung der Franzosen, das strategischeCentrum, d. h. die Armee des Königs selbst in Bewegung. Es war gegen Ende August 1494, daß Charles VIII. von Vienne aus über den Mont Genevre seinen Zug nach Italien antrat. Der Ehrenspiegel des ErzHauses Oesterreich giebt die Gesammtmacht der Franzosen auf 5000 Reiter und 20,000 Mann Fußvolk an. Guicciardini berechnet das Heer auf 200 Edelleute der königlichen Leibwache, 1600 Gendarmes, 6000 Schweizer und 6000 französische Jnfanteristen, von denen die Hälfte Gascogner gewesen seien. Leo, in seiner Geschichte der italienischen Staaten, nennt auf Grund der Nömoires la. IremouillL 3600 Gendarmen, 3000 bretonische Bogen¬ schützen zu Fuß, 6000 französische Armbrustschützen, 8000 gascognische Jnfan¬ teristen, die mit Luntenbüchsen und Flambergen bewaffnet waren, und 8000 schweizerische Hellebardierer, eine offenbar übertriebene Angabe. Guicciardini's Berechnung dürfte mit der des Ehrenspiegels übereinstimmen, wenn man seinem Fußvolk noch 3000 deutsche Knechte hinzufügt, welche sich, andern sicheren Nachrichten zufolge, bei dem Jnvasionscorps befunden haben, sowie die 5000 bretonischen Bogenschützen, welche de la Tremouille's Memoiren auf¬ zählen. Die Blüthe des französischen Heeres bildeten die Compagnies ä'or' clonnAnck, „die gefügigste Form, in welcher der Adelsmuth Frankreichs sich zum Wohl des Staates bethätigen konnte." Jede Compagnie derselben sollte gesetzlich aus 100 Lanzen bestehen. Nur des Connetables Compagnie zählte 400 Lanzen. Zur vollen Lanze (kaltes gai-mis oder toui-nie) gehörten, außer dem Komm« ä'armes, 5 Personen: 3 g-reners (Reisige), 1 eoutiUi^' (Knappe) und 1 variet oder valet (Diener). Eine Compagnie zählte mithin 600 Rosse. Der Freiwilligen jedoch waren so viele, daß man nicht selten Compagnien von 1200 Pferden und darüber fand. An der Spitze dieser Compagnien star'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/334>, abgerufen am 06.02.2025.