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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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behaupten, daß das Geschützwesen Frankreichs damals in ganz Europa nicht
seines Gleichen hatte, namentlich soweit es sich um den Feldgebrauch handelte,
ein Umstand, auf den noch näher eingegangen werden wird.

Eine besondere Ehrenstellung nahm die königliche Garde ein. Sie bestand
außer den bereits erwähnten schottischen Compagnien der Gensdarmerie noch
aus zwei französischen, nämlich den areners an roi (sog. xstits garäv an
cvrxs) und den g-rekers Ah in, Mrcls, ferner aus 100 adligen Lanzenreitern
der grena'Mräe, dann den Mräes 6<z ig, pores und der Compagnie der
e"ut Suisses. Unter Charles VIII. traten diesen Formationen noch eine
Compagnie MntilKommW 6xtrg.oräiiig.iröZ und 200 Arbaletriers zu Pferde
hinzu. *)

Die Krone hatte alle Ursache, ihre Streitkräfte zusammen zu halten und
zu verstärken; denn nicht gering waren die Schwierigkeiten, welche sie sowol
im Inneren des Landes, als auch von Außen her umgaben, und sie hat es
wesentlich, ja eigentlich ausschließlich dieser militärischen Macht zu verdanken
gehabt, daß sie nicht nur ungeschmälert, sondern neu gekräftigt aus den
Kämpfen hervorging, welche die Zeit der Minderjährigkeit des Königs erfüllten.

Die Jahre, die dem Schlüsse der Generalstaaten von Tours unmittelbar
folgen, gehören zu den dunkelsten der französischen Geschichte, da die Quellen
außerordentlich spärlich fließen; um so erfreulicher ist es, daß in allerjüngster
Zeit (1875) durch die Veröffentlichung eines Briefwechsels Charles' VIII. und
seiner Räthe mit Louis de la Tremoi'lie wenigstens auf eins der bedeutendsten
Ereignisse dieses verworrenen Zeitraums neues Licht gefallen ist, nämlich auf
den Feldzug in der Bretagne.**) Näher auf diese Begebenheiten einzugehn,
ist jedoch hier nicht der Ort, und es sei nur kurz erwähnt, daß die Klugheit
und Kühnheit Anna's von Beaujeu den jungen König durch die großen Ge¬
fahren, welche ihn und seine Krone bedrängten, siegreich hindurchzusteuern
wußte. Der Opposition der Großen, an deren Spitze der vom Grafen Du-
nois geleitete Herzog von Orleans stand, dem kriegerischen Vorgehn dieser Her¬
ren an der Seite des mächtigsten Lehnsträgers der französischen Krone, des
Herzogs der Bretagne, den Angriffen Englands und namentlich Maximili¬
an's 1^ des römischen Königs -- mit entschlossener Zuversicht bot Anna dein
Allen die Stirn und erlebte den Triumph, ihren jungen Bruder nicht nur in
Guienne, in Flandern, in Bretagne als Sieger zu sehn, sondern auch als Ge-




*) Diese Daten nach: ?ASLÄi, Ilistnirv So 1'irrmüs. I. 1847, und nach Susans,
'-
Ilistoirs us Ianoiiznns iutÄntöi'is ti'ÄNyÄisL, I>Hris 1849 sowie LusAns, Ilistoirs äg >Ä L-rvir
loriö kiÄUtziUso. Z?aris 1874. *"
) Der Herausgeber dieser wichtigen Korrespondenzen ist ein Abkömmling des Feldherrn
Charles' VIII., nämlich der Herzog de la Tremoille, welcher dieselben den reichen Archiven
seines Hauses entnommen hat. Die Papiere umsassen die Zeit vom 13. März bis zum 17-
November 1488.

behaupten, daß das Geschützwesen Frankreichs damals in ganz Europa nicht
seines Gleichen hatte, namentlich soweit es sich um den Feldgebrauch handelte,
ein Umstand, auf den noch näher eingegangen werden wird.

Eine besondere Ehrenstellung nahm die königliche Garde ein. Sie bestand
außer den bereits erwähnten schottischen Compagnien der Gensdarmerie noch
aus zwei französischen, nämlich den areners an roi (sog. xstits garäv an
cvrxs) und den g-rekers Ah in, Mrcls, ferner aus 100 adligen Lanzenreitern
der grena'Mräe, dann den Mräes 6<z ig, pores und der Compagnie der
e«ut Suisses. Unter Charles VIII. traten diesen Formationen noch eine
Compagnie MntilKommW 6xtrg.oräiiig.iröZ und 200 Arbaletriers zu Pferde
hinzu. *)

Die Krone hatte alle Ursache, ihre Streitkräfte zusammen zu halten und
zu verstärken; denn nicht gering waren die Schwierigkeiten, welche sie sowol
im Inneren des Landes, als auch von Außen her umgaben, und sie hat es
wesentlich, ja eigentlich ausschließlich dieser militärischen Macht zu verdanken
gehabt, daß sie nicht nur ungeschmälert, sondern neu gekräftigt aus den
Kämpfen hervorging, welche die Zeit der Minderjährigkeit des Königs erfüllten.

Die Jahre, die dem Schlüsse der Generalstaaten von Tours unmittelbar
folgen, gehören zu den dunkelsten der französischen Geschichte, da die Quellen
außerordentlich spärlich fließen; um so erfreulicher ist es, daß in allerjüngster
Zeit (1875) durch die Veröffentlichung eines Briefwechsels Charles' VIII. und
seiner Räthe mit Louis de la Tremoi'lie wenigstens auf eins der bedeutendsten
Ereignisse dieses verworrenen Zeitraums neues Licht gefallen ist, nämlich auf
den Feldzug in der Bretagne.**) Näher auf diese Begebenheiten einzugehn,
ist jedoch hier nicht der Ort, und es sei nur kurz erwähnt, daß die Klugheit
und Kühnheit Anna's von Beaujeu den jungen König durch die großen Ge¬
fahren, welche ihn und seine Krone bedrängten, siegreich hindurchzusteuern
wußte. Der Opposition der Großen, an deren Spitze der vom Grafen Du-
nois geleitete Herzog von Orleans stand, dem kriegerischen Vorgehn dieser Her¬
ren an der Seite des mächtigsten Lehnsträgers der französischen Krone, des
Herzogs der Bretagne, den Angriffen Englands und namentlich Maximili¬
an's 1^ des römischen Königs — mit entschlossener Zuversicht bot Anna dein
Allen die Stirn und erlebte den Triumph, ihren jungen Bruder nicht nur in
Guienne, in Flandern, in Bretagne als Sieger zu sehn, sondern auch als Ge-




*) Diese Daten nach: ?ASLÄi, Ilistnirv So 1'irrmüs. I. 1847, und nach Susans,
'-
Ilistoirs us Ianoiiznns iutÄntöi'is ti'ÄNyÄisL, I>Hris 1849 sowie LusAns, Ilistoirs äg >Ä L-rvir
loriö kiÄUtziUso. Z?aris 1874. *"
) Der Herausgeber dieser wichtigen Korrespondenzen ist ein Abkömmling des Feldherrn
Charles' VIII., nämlich der Herzog de la Tremoille, welcher dieselben den reichen Archiven
seines Hauses entnommen hat. Die Papiere umsassen die Zeit vom 13. März bis zum 17-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/330>, abgerufen am 06.02.2025.