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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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vielleicht noch findet; aber wo der erlauchte Chef dieses Hauses dem
siegreichen Heerführer und Retter Deutschlands die Kaiserkrone angeboten
hatte, da konnten doch unmöglich seine königlichen und prinzlichen Oheime.
Bruder und Vettern, wenigstens äußerlich andern Willens sein. War
doch sogar Prinz Luitpold, des Königs ältester Ohm, während des ganzen
Krieges im kaiserlichen Hauptquartiere und sagt man von seinem Zweitältesten
Sohn, dem Prinzen Leopold, dem Gemahl der österreichischen Kaisertochter,
daß er wenigstens ein sehr entschiedenes militärisch-deutsches Herz im Busen
trage. Die beiden genannten Prinzen sieht man mit großer Gewissenhaftig¬
keit die Sitzungen der Reichsrathskammer besuchen, wenn sie sich auch, gleich
den übrigen Agnaten, schweigsam verhalten. Nur Einer unter ihnen thut
das nicht: Prinz Ludwig, der älteste Sohn des Prinzen Luitpold. Mit
anerkennenswerthem Eifer und Fleiß sucht er ein wirklicher Arbeiter des
hohen Hauses zu sein: er bemüht sich um Referate, führt diese gründlich
aus und spricht auch nicht ungewandt und eindruckslos. Neben ihm sitzt
sein Vetter Karl Theodor, Sohn des Herzogs Max von Bayern und Bruder
der Kaiserin von Oesterreich, auch ein wissenschaftsbeflifsener Prinz, der sich
auf die Medizin geworfen und gelegentlich der Jubelfeier der Münchner
Universität von dieser den Doctorhut erhalten hat. Eine frische jugend¬
liche Erscheinung ist dessen Bruder, der Herzog Max Emmanuel, auch ein
begeisterter Verehrer des greisen Kaisers, der Einzige aus dem bayrischen
Königshause, der bei dem letzten großen Kaiser- und Fürstencvngreß in
Berlin Gast des preußischen Hofes gewesen ist.

Unmittelbar an die besonders verzierten prinzltchen Fauteuils schließen
steh in respektsvoller Loyalität natürlich keine andern an. Den obersten Sitz
der hinter ihnen befindlichen Reihe nimmt der Erzbischof von München-Frey-
sing ein, Herr Gregorius von Scherr, nicht eine der würdigen Bischofsgestal-
^n, wie sie sich der gläubige Sinn wohl vorstellt, sondern eine sehr derbe,
^ohlsituirte Erscheinung, wie sie der treffliche Genremaler Grützner auf seinen
Klosterbildern mit drastischer Naturtreue malt, der man's anmerkt, daß ihr
die Unterwerfung unter das Vaticanum nicht allzuschwer angekommen ist.
Unwillkürlich sucht man vom Erzbischof aus seinen kirchlichen Widerpart, den
"on ihm gebannten, aber trotzdem ihm sehr streitlustig gegenübersitzenden
Ignatius von Döllinger. Döllinger's geistreicher Kopf ist im Bilde viel zu bekannt,
daß wir ihn hier noch zu zeichnen brauchten. Man sieht ihm noch nichts
von der Geistesschwache an, die ihm die ultramontanen Blätter längst an¬
schien möchten, und der Altkatholizismus darf sich immer noch seines muthi¬
gen Führers freuen. Weniger kampfesmuthig mehr sieht das früher auch
nicht vor erregtem Treiben auf kirchlichem Gebiet zurückschreckende Haupt der


vielleicht noch findet; aber wo der erlauchte Chef dieses Hauses dem
siegreichen Heerführer und Retter Deutschlands die Kaiserkrone angeboten
hatte, da konnten doch unmöglich seine königlichen und prinzlichen Oheime.
Bruder und Vettern, wenigstens äußerlich andern Willens sein. War
doch sogar Prinz Luitpold, des Königs ältester Ohm, während des ganzen
Krieges im kaiserlichen Hauptquartiere und sagt man von seinem Zweitältesten
Sohn, dem Prinzen Leopold, dem Gemahl der österreichischen Kaisertochter,
daß er wenigstens ein sehr entschiedenes militärisch-deutsches Herz im Busen
trage. Die beiden genannten Prinzen sieht man mit großer Gewissenhaftig¬
keit die Sitzungen der Reichsrathskammer besuchen, wenn sie sich auch, gleich
den übrigen Agnaten, schweigsam verhalten. Nur Einer unter ihnen thut
das nicht: Prinz Ludwig, der älteste Sohn des Prinzen Luitpold. Mit
anerkennenswerthem Eifer und Fleiß sucht er ein wirklicher Arbeiter des
hohen Hauses zu sein: er bemüht sich um Referate, führt diese gründlich
aus und spricht auch nicht ungewandt und eindruckslos. Neben ihm sitzt
sein Vetter Karl Theodor, Sohn des Herzogs Max von Bayern und Bruder
der Kaiserin von Oesterreich, auch ein wissenschaftsbeflifsener Prinz, der sich
auf die Medizin geworfen und gelegentlich der Jubelfeier der Münchner
Universität von dieser den Doctorhut erhalten hat. Eine frische jugend¬
liche Erscheinung ist dessen Bruder, der Herzog Max Emmanuel, auch ein
begeisterter Verehrer des greisen Kaisers, der Einzige aus dem bayrischen
Königshause, der bei dem letzten großen Kaiser- und Fürstencvngreß in
Berlin Gast des preußischen Hofes gewesen ist.

Unmittelbar an die besonders verzierten prinzltchen Fauteuils schließen
steh in respektsvoller Loyalität natürlich keine andern an. Den obersten Sitz
der hinter ihnen befindlichen Reihe nimmt der Erzbischof von München-Frey-
sing ein, Herr Gregorius von Scherr, nicht eine der würdigen Bischofsgestal-
^n, wie sie sich der gläubige Sinn wohl vorstellt, sondern eine sehr derbe,
^ohlsituirte Erscheinung, wie sie der treffliche Genremaler Grützner auf seinen
Klosterbildern mit drastischer Naturtreue malt, der man's anmerkt, daß ihr
die Unterwerfung unter das Vaticanum nicht allzuschwer angekommen ist.
Unwillkürlich sucht man vom Erzbischof aus seinen kirchlichen Widerpart, den
"on ihm gebannten, aber trotzdem ihm sehr streitlustig gegenübersitzenden
Ignatius von Döllinger. Döllinger's geistreicher Kopf ist im Bilde viel zu bekannt,
daß wir ihn hier noch zu zeichnen brauchten. Man sieht ihm noch nichts
von der Geistesschwache an, die ihm die ultramontanen Blätter längst an¬
schien möchten, und der Altkatholizismus darf sich immer noch seines muthi¬
gen Führers freuen. Weniger kampfesmuthig mehr sieht das früher auch
nicht vor erregtem Treiben auf kirchlichem Gebiet zurückschreckende Haupt der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/313>, abgerufen am 06.02.2025.