Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.Verfassungswidrigkeit des neuen Gesetzes. Sie konnten sich dabei nur auf Denn die geistlichen Orden der katholischen Kirche sind keine Religions¬ Für die Duldung der geistlichen Orden der katholischen Kirche kann man Vorzugsweise hat man die Zulassung der Orden im preußischen Staat Aber niemals sind die geistlichen Orden nach diesem Gesetz behandelt Verfassungswidrigkeit des neuen Gesetzes. Sie konnten sich dabei nur auf Denn die geistlichen Orden der katholischen Kirche sind keine Religions¬ Für die Duldung der geistlichen Orden der katholischen Kirche kann man Vorzugsweise hat man die Zulassung der Orden im preußischen Staat Aber niemals sind die geistlichen Orden nach diesem Gesetz behandelt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0280" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133568"/> <p xml:id="ID_891" prev="#ID_890"> Verfassungswidrigkeit des neuen Gesetzes. Sie konnten sich dabei nur auf<lb/> ein^ Interpretation der Verfassung stützen, welche von der Staatsregierung<lb/> wie vom Abgeordnetenhaus jetzt für mißbräuchlich erklärt wird. Um den<lb/> Streitpunkt klar zu übersehen, thut man am besten, die Frage so zu stellen:<lb/> Aus Grund welcher Vorschriften des Gesetzes sind die Orden bisher im preu¬<lb/> ßischen Staat geduldet worden? Man kann sich nicht auf den Artikel 12<lb/> der Verfassung berufen, welcher das Recht der Vereinigung zu Religions¬<lb/> gesellschaften gewährleistete.</p><lb/> <p xml:id="ID_892"> Denn die geistlichen Orden der katholischen Kirche sind keine Religions¬<lb/> gesellschaften, sondern Formationen religiöser Lebensäußerung einer bestimmten<lb/> Religionsgesellschaft. Der Artikel 12 besagt aber keineswegs, daß der Staat<lb/> sich verpflichtete, alle und jede Lebensäußerungen der Religionsgesellschaften<lb/> zu dulden. Vielmehr enthält derselbe Artikel den Satz: Den bürgerlichen und<lb/> staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit<lb/> kein Abbruch geschehen. Man muß aber entschieden behaupten, daß die<lb/> Unterwerfung unter Ordensregeln, welche die geistige Persönlichkeit vernichten,<lb/> jenen Pflichten Abbruch thut.</p><lb/> <p xml:id="ID_893"> Für die Duldung der geistlichen Orden der katholischen Kirche kann man<lb/> auch nicht einmal den viel citirten, jetzt aufgehobenen Artikel Is anführen,<lb/> welcher den Religionsgesellschaften die selbständige Ordnung und Verwaltung<lb/> ihrer Angelegenheiten zusprach. Denn auch hier müßte unter allen Umstän¬<lb/> den die erwähnte Einschränkung des Artikels 12 Platz greisen. Man kann<lb/> auch nicht einwenden, daß die gesammte katholische Geistlichkeit so gut wie<lb/> die Ordensmitglieder den staatsbürgerlichen Pflichten entfremdet werde. Denn<lb/> der bekannte Unterschied der Weltgeistlichen und der Ordensgeistlichen lag<lb/> eben bis zu dem letzten Conzil darin, daß die Weltgeistlichen dem Bischof<lb/> Unterthan, dieser aber ein selbständiges Organ des Kirchenregiments und in<lb/> gewissem Sinn eine Landesobrigkeit war, während die Ordensgeistlichen ledig¬<lb/> lich selbstlose Werkzeuge einer auswärtigen Macht sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_894"> Vorzugsweise hat man die Zulassung der Orden im preußischen Staat<lb/> bisher auf den Artikel 30 der Verfassung gestützt, welcher das Recht gewähr¬<lb/> leistet, Gesellschaften zu bilden — für Zwecke, welche dem Strafgesetz nicht<lb/> zuwider laufen. Dieses Recht ist durch das bekannte Gesetz vom 11. Mai<lb/> 18S0 über die Ausübung des Vereinsrechtes geregelt.</p><lb/> <p xml:id="ID_895"> Aber niemals sind die geistlichen Orden nach diesem Gesetz behandelt<lb/> worden, niemals habM dieselben daran gedacht, sich den Normen dieses Ge¬<lb/> setzes zu unterwerfen. Man kann in der That die Folgerung nicht abweisen,<lb/> daß diese Orden oxtrs, legem geduldet worden sind, in Folge einer schwer ver¬<lb/> zeihlichen Nachlässigkeit in der Wahrnehmung des Staatsberufes.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0280]
Verfassungswidrigkeit des neuen Gesetzes. Sie konnten sich dabei nur auf
ein^ Interpretation der Verfassung stützen, welche von der Staatsregierung
wie vom Abgeordnetenhaus jetzt für mißbräuchlich erklärt wird. Um den
Streitpunkt klar zu übersehen, thut man am besten, die Frage so zu stellen:
Aus Grund welcher Vorschriften des Gesetzes sind die Orden bisher im preu¬
ßischen Staat geduldet worden? Man kann sich nicht auf den Artikel 12
der Verfassung berufen, welcher das Recht der Vereinigung zu Religions¬
gesellschaften gewährleistete.
Denn die geistlichen Orden der katholischen Kirche sind keine Religions¬
gesellschaften, sondern Formationen religiöser Lebensäußerung einer bestimmten
Religionsgesellschaft. Der Artikel 12 besagt aber keineswegs, daß der Staat
sich verpflichtete, alle und jede Lebensäußerungen der Religionsgesellschaften
zu dulden. Vielmehr enthält derselbe Artikel den Satz: Den bürgerlichen und
staatsbürgerlichen Pflichten darf durch die Ausübung der Religionsfreiheit
kein Abbruch geschehen. Man muß aber entschieden behaupten, daß die
Unterwerfung unter Ordensregeln, welche die geistige Persönlichkeit vernichten,
jenen Pflichten Abbruch thut.
Für die Duldung der geistlichen Orden der katholischen Kirche kann man
auch nicht einmal den viel citirten, jetzt aufgehobenen Artikel Is anführen,
welcher den Religionsgesellschaften die selbständige Ordnung und Verwaltung
ihrer Angelegenheiten zusprach. Denn auch hier müßte unter allen Umstän¬
den die erwähnte Einschränkung des Artikels 12 Platz greisen. Man kann
auch nicht einwenden, daß die gesammte katholische Geistlichkeit so gut wie
die Ordensmitglieder den staatsbürgerlichen Pflichten entfremdet werde. Denn
der bekannte Unterschied der Weltgeistlichen und der Ordensgeistlichen lag
eben bis zu dem letzten Conzil darin, daß die Weltgeistlichen dem Bischof
Unterthan, dieser aber ein selbständiges Organ des Kirchenregiments und in
gewissem Sinn eine Landesobrigkeit war, während die Ordensgeistlichen ledig¬
lich selbstlose Werkzeuge einer auswärtigen Macht sind.
Vorzugsweise hat man die Zulassung der Orden im preußischen Staat
bisher auf den Artikel 30 der Verfassung gestützt, welcher das Recht gewähr¬
leistet, Gesellschaften zu bilden — für Zwecke, welche dem Strafgesetz nicht
zuwider laufen. Dieses Recht ist durch das bekannte Gesetz vom 11. Mai
18S0 über die Ausübung des Vereinsrechtes geregelt.
Aber niemals sind die geistlichen Orden nach diesem Gesetz behandelt
worden, niemals habM dieselben daran gedacht, sich den Normen dieses Ge¬
setzes zu unterwerfen. Man kann in der That die Folgerung nicht abweisen,
daß diese Orden oxtrs, legem geduldet worden sind, in Folge einer schwer ver¬
zeihlichen Nachlässigkeit in der Wahrnehmung des Staatsberufes.
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