Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.Noch in einer andern Hinsicht nimmt die evangelische Allianz unser Bis dahin hatte sie nun ihre General-Versammlungen ausschließlich in Noch in einer andern Hinsicht nimmt die evangelische Allianz unser Bis dahin hatte sie nun ihre General-Versammlungen ausschließlich in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133561"/> <p xml:id="ID_865"> Noch in einer andern Hinsicht nimmt die evangelische Allianz unser<lb/> Interesse in Anspruch. Sie ist eine internationale Bereinigung und entspricht<lb/> so dem wesentlichen Interesse des Christenthums. Will dasselbe auch nicht<lb/> das nationale Regiment negiren, vielmehr befreien, durchdringen und erklären,<lb/> so ist es doch seinem innersten Wesen nach allgemein human und eben deshalb<lb/> die Macht, welche die Nationen verbindet und den in ihnen waltenden<lb/> egoistischen und deshalb zu Zusammenstößen und Feindschaften treibenden<lb/> Tendenzen beschränkend entgegenwirkt. Und dieses Prinzip des Christenthums<lb/> ist es, welches ebenfalls die evangelische Alltanz zur Geltung zu bringen sucht.</p><lb/> <p xml:id="ID_866" next="#ID_867"> Bis dahin hatte sie nun ihre General-Versammlungen ausschließlich in<lb/> Europa gehalten, Amerika war noch nicht gewählt worden, obwohl die Fülle<lb/> evangelischer Gemeinschaften, die sich dort zusammengefunden haben, den Be¬<lb/> strebungen der Allianz einen besonderen Reiz bietet, bis es endlich gelang im<lb/> Herbst vor zwei Jahren nach New-Uork eine Generalversammlung zu berufen.<lb/> Sie tagte vom 2. bis 10. Oktober 1873. Und der Verfasser vorliegender<lb/> Schrift giebt uns einen ausführlichen und anschaulichen Bericht der Verhand¬<lb/> lungen. Er verschweigt uns die Schwächen derselben nicht, die Ueberfülle der<lb/> Reden, die überschwänglichen Hoffnungen und Erwartungen, welche die Redner<lb/> an die Versammlung knüpften, die Neigung, dem Effekt mehr Raum als<lb/> nöthig zu gewähren. Aber trotz alledem war die General-Versammlung der<lb/> Allianz in New-Uork eine bedeutungsvolle Erscheinung, ein Zeichen, welche<lb/> Macht und Anziehungskraft der positive Protestantismus in Amerika ausübt.<lb/> Es ist nun nicht unsre Absicht, auf die Verhandlungen der Versammlung<lb/> näher einzugehen, könnten wir ja doch nur die Leser mit einer erdrückenden<lb/> Fülle von Vortragsthematen und Rednernamen, deren größter Theil nur in<lb/> engeren Kreisen bekannt ist, ermüden. Wir richten ihre Aufmerksamkeit viel¬<lb/> mehr auf die anziehenden Schilderungen Amerikas und amerikanischen Lebens,<lb/> welche den bei weitem größten Theil unsrer Schrift ausmachen. Wir haben<lb/> sie mit hohem Interesse gelesen und können sie unsern Lesern nur warm em¬<lb/> pfehlen. Der Verfasser schreibt schlicht, einfach, kunstlos, ohne Berechnung<lb/> und Absicht. Wir hören nur Naturtöne. Harmlos und unbefangen sieht er<lb/> und hört er. Eine innige evangelische Frömmigkeit, die dem Pietismus ab¬<lb/> hold, sich an allem freut, was der Freude werth ist, und die Schattenseiten<lb/> des Beobachteten lieber leichtem Humor als ätzender Satyre unterwirft, durch¬<lb/> zieht das Ganze. Es macht den Eindruck, als sei es aus Briefen des Ver¬<lb/> fassers an die Seinigen in die Heimath oder aus Tagebüchern entstanden.<lb/> Man begleitet den Verfasser von Tag zu Tag, von Ort zu Ort und hört,<lb/> was er wahrgenommen, gethan und erfahren hat. Es ist eine angenehme<lb/> Lectüre, mehr unterhaltend, als belehrend, der man gern Gehör schenkt. Ein<lb/> harmonischer, friedlicher und versöhnender Geist weht durch die Darstellung.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0273]
Noch in einer andern Hinsicht nimmt die evangelische Allianz unser
Interesse in Anspruch. Sie ist eine internationale Bereinigung und entspricht
so dem wesentlichen Interesse des Christenthums. Will dasselbe auch nicht
das nationale Regiment negiren, vielmehr befreien, durchdringen und erklären,
so ist es doch seinem innersten Wesen nach allgemein human und eben deshalb
die Macht, welche die Nationen verbindet und den in ihnen waltenden
egoistischen und deshalb zu Zusammenstößen und Feindschaften treibenden
Tendenzen beschränkend entgegenwirkt. Und dieses Prinzip des Christenthums
ist es, welches ebenfalls die evangelische Alltanz zur Geltung zu bringen sucht.
Bis dahin hatte sie nun ihre General-Versammlungen ausschließlich in
Europa gehalten, Amerika war noch nicht gewählt worden, obwohl die Fülle
evangelischer Gemeinschaften, die sich dort zusammengefunden haben, den Be¬
strebungen der Allianz einen besonderen Reiz bietet, bis es endlich gelang im
Herbst vor zwei Jahren nach New-Uork eine Generalversammlung zu berufen.
Sie tagte vom 2. bis 10. Oktober 1873. Und der Verfasser vorliegender
Schrift giebt uns einen ausführlichen und anschaulichen Bericht der Verhand¬
lungen. Er verschweigt uns die Schwächen derselben nicht, die Ueberfülle der
Reden, die überschwänglichen Hoffnungen und Erwartungen, welche die Redner
an die Versammlung knüpften, die Neigung, dem Effekt mehr Raum als
nöthig zu gewähren. Aber trotz alledem war die General-Versammlung der
Allianz in New-Uork eine bedeutungsvolle Erscheinung, ein Zeichen, welche
Macht und Anziehungskraft der positive Protestantismus in Amerika ausübt.
Es ist nun nicht unsre Absicht, auf die Verhandlungen der Versammlung
näher einzugehen, könnten wir ja doch nur die Leser mit einer erdrückenden
Fülle von Vortragsthematen und Rednernamen, deren größter Theil nur in
engeren Kreisen bekannt ist, ermüden. Wir richten ihre Aufmerksamkeit viel¬
mehr auf die anziehenden Schilderungen Amerikas und amerikanischen Lebens,
welche den bei weitem größten Theil unsrer Schrift ausmachen. Wir haben
sie mit hohem Interesse gelesen und können sie unsern Lesern nur warm em¬
pfehlen. Der Verfasser schreibt schlicht, einfach, kunstlos, ohne Berechnung
und Absicht. Wir hören nur Naturtöne. Harmlos und unbefangen sieht er
und hört er. Eine innige evangelische Frömmigkeit, die dem Pietismus ab¬
hold, sich an allem freut, was der Freude werth ist, und die Schattenseiten
des Beobachteten lieber leichtem Humor als ätzender Satyre unterwirft, durch¬
zieht das Ganze. Es macht den Eindruck, als sei es aus Briefen des Ver¬
fassers an die Seinigen in die Heimath oder aus Tagebüchern entstanden.
Man begleitet den Verfasser von Tag zu Tag, von Ort zu Ort und hört,
was er wahrgenommen, gethan und erfahren hat. Es ist eine angenehme
Lectüre, mehr unterhaltend, als belehrend, der man gern Gehör schenkt. Ein
harmonischer, friedlicher und versöhnender Geist weht durch die Darstellung.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |