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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Ant. Reichthum? Pah!
Des Gold's bedien' ich mich wie Wasser nur;
Man wäscht sich drin und gießt es wieder aus-

Und nun rückt Lepidus auf einmal mit den Hiobsposten heraus, die er bei
sich trägt -- es ist nur unwahrscheinlich, daß er so lange an sich gehalten, --
daß Octavian in Brundtsium gelandet sei, ja schon in Calatia stehe und die
beiden Legionen des Antonius durch Geld gewonnen habe. Das letztere wird
dem Antonius durch einen eben ankommenden Brief des Kriegstribunen Cne-
jus Rufus bestätigt, der zu Octavian übergegangen ist und mit punischer Treue
schließt:"
"Wir folgen meinem Briefe auf dem Fuß. --
"Da wird es an der Zeit sein, Lepidus,
Daß wir das Weite suchen. Meinst Du nicht?"

Sie wollen sich eben verziehen, als Calpurnia ihnen entgegentritt. Die Gattin
Caesar's verschwindet bei Shakespeare bereits mit dem zweiten Act. Kruse hat
ihr -- vom geschichtlichen und poetischen Standpunkte aus mit gleicher Be¬
rechtigung -- eine bei weitem bedeutendere Rolle zugetheilt. Sie ist die
personificirte Vergeltung; der Rest ihres Lebens ist der Rache gewidmet; aber
nicht in Leidenschaft und Hitze sucht sie dieses Ziel zu erreichen; sondern mit
caesarischer Geduld und Weisheit. Antonius mag die Schätze ihres Mannes
besitzen; sein Geist ist auf sein Weib übergegangen. Ihr Gedanke ist, alle
Kräfte ihrer Freunde zu einigen, um die Mörder zu strafen. Diesen Plan
vertraut sie Antonius und Lepidus an, ehe diese vor dem herannahenden
Octavian fliehen. Als Rachegöttin, als empörter weiblicher Dämon zeigt sie
sich auch der Gattin des Brutus gegenüber, die herausgetreten ist, um Octa¬
vian gleichfalls zu begrüßen, und bereit, der empörten Wittwe Versöhnung
und Liebe zu bieten. Es ist die härteste, abstoßendste Scene des ganzen
Stückes. Beide Frauen versuchen dann für ihre Sache die Gunst des jungen
Octavian zu werben -- mit Erfolg nur Calpurnia, die mit Stolz in dem
Erben Caesar's den gelehrigen Schüler seiner Staatskunst erkennt, welche die
Wittwe gleichsam symbolisch durch den Rath des Triumvirats mit Antonius
und Lepidus, auf den jungen Caesar überträgt. Damit ist ihr Lebensziel
erfüllt, sie kann von der Bühne abtreten. -- Vortrefflich sind abermals die
Züge der drei Triumvirn in der nächstfolgenden Scene, der Zusammenkunft
auf der kleinen Insel der Tiber nach dem Siege bei Mutina gezeichnet: die ge¬
schäftige Unbedeutendheit des Lepidus, die rohe Rachgier des Antonius, das
großherzige Widerstreben und staatskluge Nachgeben des Octavian, als der
Tod Cicero's gefordert wird. -- Das Ende des Actes führt uns an das Ufer
des Hellespont in das Feldherrnzelt des Brutus. Hier nähert sich Kruse
Shakespeare wieder. Die Feldherrn erfahren die Kunde von den Proscrip-
tionen, sie streiten sich -- weit würdiger und leidenschaftloser als bei Shakespeare

Ant. Reichthum? Pah!
Des Gold's bedien' ich mich wie Wasser nur;
Man wäscht sich drin und gießt es wieder aus-

Und nun rückt Lepidus auf einmal mit den Hiobsposten heraus, die er bei
sich trägt — es ist nur unwahrscheinlich, daß er so lange an sich gehalten, —
daß Octavian in Brundtsium gelandet sei, ja schon in Calatia stehe und die
beiden Legionen des Antonius durch Geld gewonnen habe. Das letztere wird
dem Antonius durch einen eben ankommenden Brief des Kriegstribunen Cne-
jus Rufus bestätigt, der zu Octavian übergegangen ist und mit punischer Treue
schließt:"
„Wir folgen meinem Briefe auf dem Fuß. —
„Da wird es an der Zeit sein, Lepidus,
Daß wir das Weite suchen. Meinst Du nicht?"

Sie wollen sich eben verziehen, als Calpurnia ihnen entgegentritt. Die Gattin
Caesar's verschwindet bei Shakespeare bereits mit dem zweiten Act. Kruse hat
ihr — vom geschichtlichen und poetischen Standpunkte aus mit gleicher Be¬
rechtigung — eine bei weitem bedeutendere Rolle zugetheilt. Sie ist die
personificirte Vergeltung; der Rest ihres Lebens ist der Rache gewidmet; aber
nicht in Leidenschaft und Hitze sucht sie dieses Ziel zu erreichen; sondern mit
caesarischer Geduld und Weisheit. Antonius mag die Schätze ihres Mannes
besitzen; sein Geist ist auf sein Weib übergegangen. Ihr Gedanke ist, alle
Kräfte ihrer Freunde zu einigen, um die Mörder zu strafen. Diesen Plan
vertraut sie Antonius und Lepidus an, ehe diese vor dem herannahenden
Octavian fliehen. Als Rachegöttin, als empörter weiblicher Dämon zeigt sie
sich auch der Gattin des Brutus gegenüber, die herausgetreten ist, um Octa¬
vian gleichfalls zu begrüßen, und bereit, der empörten Wittwe Versöhnung
und Liebe zu bieten. Es ist die härteste, abstoßendste Scene des ganzen
Stückes. Beide Frauen versuchen dann für ihre Sache die Gunst des jungen
Octavian zu werben — mit Erfolg nur Calpurnia, die mit Stolz in dem
Erben Caesar's den gelehrigen Schüler seiner Staatskunst erkennt, welche die
Wittwe gleichsam symbolisch durch den Rath des Triumvirats mit Antonius
und Lepidus, auf den jungen Caesar überträgt. Damit ist ihr Lebensziel
erfüllt, sie kann von der Bühne abtreten. — Vortrefflich sind abermals die
Züge der drei Triumvirn in der nächstfolgenden Scene, der Zusammenkunft
auf der kleinen Insel der Tiber nach dem Siege bei Mutina gezeichnet: die ge¬
schäftige Unbedeutendheit des Lepidus, die rohe Rachgier des Antonius, das
großherzige Widerstreben und staatskluge Nachgeben des Octavian, als der
Tod Cicero's gefordert wird. — Das Ende des Actes führt uns an das Ufer
des Hellespont in das Feldherrnzelt des Brutus. Hier nähert sich Kruse
Shakespeare wieder. Die Feldherrn erfahren die Kunde von den Proscrip-
tionen, sie streiten sich — weit würdiger und leidenschaftloser als bei Shakespeare

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[0259] Ant. Reichthum? Pah! Des Gold's bedien' ich mich wie Wasser nur; Man wäscht sich drin und gießt es wieder aus- Und nun rückt Lepidus auf einmal mit den Hiobsposten heraus, die er bei sich trägt — es ist nur unwahrscheinlich, daß er so lange an sich gehalten, — daß Octavian in Brundtsium gelandet sei, ja schon in Calatia stehe und die beiden Legionen des Antonius durch Geld gewonnen habe. Das letztere wird dem Antonius durch einen eben ankommenden Brief des Kriegstribunen Cne- jus Rufus bestätigt, der zu Octavian übergegangen ist und mit punischer Treue schließt:" „Wir folgen meinem Briefe auf dem Fuß. — „Da wird es an der Zeit sein, Lepidus, Daß wir das Weite suchen. Meinst Du nicht?" Sie wollen sich eben verziehen, als Calpurnia ihnen entgegentritt. Die Gattin Caesar's verschwindet bei Shakespeare bereits mit dem zweiten Act. Kruse hat ihr — vom geschichtlichen und poetischen Standpunkte aus mit gleicher Be¬ rechtigung — eine bei weitem bedeutendere Rolle zugetheilt. Sie ist die personificirte Vergeltung; der Rest ihres Lebens ist der Rache gewidmet; aber nicht in Leidenschaft und Hitze sucht sie dieses Ziel zu erreichen; sondern mit caesarischer Geduld und Weisheit. Antonius mag die Schätze ihres Mannes besitzen; sein Geist ist auf sein Weib übergegangen. Ihr Gedanke ist, alle Kräfte ihrer Freunde zu einigen, um die Mörder zu strafen. Diesen Plan vertraut sie Antonius und Lepidus an, ehe diese vor dem herannahenden Octavian fliehen. Als Rachegöttin, als empörter weiblicher Dämon zeigt sie sich auch der Gattin des Brutus gegenüber, die herausgetreten ist, um Octa¬ vian gleichfalls zu begrüßen, und bereit, der empörten Wittwe Versöhnung und Liebe zu bieten. Es ist die härteste, abstoßendste Scene des ganzen Stückes. Beide Frauen versuchen dann für ihre Sache die Gunst des jungen Octavian zu werben — mit Erfolg nur Calpurnia, die mit Stolz in dem Erben Caesar's den gelehrigen Schüler seiner Staatskunst erkennt, welche die Wittwe gleichsam symbolisch durch den Rath des Triumvirats mit Antonius und Lepidus, auf den jungen Caesar überträgt. Damit ist ihr Lebensziel erfüllt, sie kann von der Bühne abtreten. — Vortrefflich sind abermals die Züge der drei Triumvirn in der nächstfolgenden Scene, der Zusammenkunft auf der kleinen Insel der Tiber nach dem Siege bei Mutina gezeichnet: die ge¬ schäftige Unbedeutendheit des Lepidus, die rohe Rachgier des Antonius, das großherzige Widerstreben und staatskluge Nachgeben des Octavian, als der Tod Cicero's gefordert wird. — Das Ende des Actes führt uns an das Ufer des Hellespont in das Feldherrnzelt des Brutus. Hier nähert sich Kruse Shakespeare wieder. Die Feldherrn erfahren die Kunde von den Proscrip- tionen, sie streiten sich — weit würdiger und leidenschaftloser als bei Shakespeare

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/259>, abgerufen am 06.02.2025.