Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.Dagegen kommt als Erwiderung auf die Anklage aus Brutus' Mund ein "Die Macht hat klug und milde er gebraucht. In dieser durchaus selbständigen, freien und klaren Weise hat Kruse auch "Die früher mächtigen Geschlechter werden Die Lupercalien dienen dem Dichter aber auch zur Verfolgung des Gedankens, [Beginn Spaltensatz] Da steht der Venus Tempel, altersgrau,[Spaltenumbruch] Voll Glück und Frieden, voller Weltherrschaft[Ende Spaltensatz] Wer sich erinnert, wie bereitwillig Caesar den Sohn der Cleopatra Caesarion Dagegen kommt als Erwiderung auf die Anklage aus Brutus' Mund ein „Die Macht hat klug und milde er gebraucht. In dieser durchaus selbständigen, freien und klaren Weise hat Kruse auch „Die früher mächtigen Geschlechter werden Die Lupercalien dienen dem Dichter aber auch zur Verfolgung des Gedankens, [Beginn Spaltensatz] Da steht der Venus Tempel, altersgrau,[Spaltenumbruch] Voll Glück und Frieden, voller Weltherrschaft[Ende Spaltensatz] Wer sich erinnert, wie bereitwillig Caesar den Sohn der Cleopatra Caesarion <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0254" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133542"/> <p xml:id="ID_826" prev="#ID_825"> Dagegen kommt als Erwiderung auf die Anklage aus Brutus' Mund ein<lb/> so wahres, warmes Urtheil über Caesar's staatsmännische Größe, wie sie im<lb/> ganzen Shakespeare nicht zu finden ist:</p><lb/> <quote> „Die Macht hat klug und milde er gebraucht.<lb/> Er hat den Staat, der tief zerrüttet war,<lb/> Von Grund aus neu geordnet."</quote><lb/> <p xml:id="ID_827"> In dieser durchaus selbständigen, freien und klaren Weise hat Kruse auch<lb/> den übrigen Theil des ersten Actes aufgebaut. Die Lupercalien sind ihm<lb/> keineswegs von der äußerlichen Bedeutung, wie Shakespeare. Er benützt sie.<lb/> um unmittelbar nach der Scene zwischen Brutus und Cassius den Antonius<lb/> in Weinlaune und als Herkules gekleidet zu den Freunden treten zu lassen,<lb/> um sie im Namen Caesar's zum Feste einzuladen. In vino veritÄS. Die<lb/> ernste patriotische Philosophie des Brutus und der bittere Weltschmerz des<lb/> Cassius wird aus dem weinseligen Munde des diplomatischen Feldherrn zur<lb/> Abwechslung der vorhergehenden Scene ironisch gestreift. Antonius zeigt sich<lb/> uns jedoch bald nachher auch im vollen Ernst der Staatsgeschäfte. Er, „der<lb/> erste Lustigmacher Roms", ist es, der Caesar vor Brutus und Cassius<lb/> warnt — er hat in seiner Weinlaune doch tiefer in ihr Herz geblickt, als sie<lb/> ahnten — er spricht über die Optimaten das klassische Wort:</p><lb/> <quote> „Die früher mächtigen Geschlechter werden<lb/> Dir nie verzeih'«, daß sie es nicht mehr sind.<lb/> Die Weltregierung war für sie ein gutes<lb/> Geschäft."</quote><lb/> <p xml:id="ID_828"> Die Lupercalien dienen dem Dichter aber auch zur Verfolgung des Gedankens,<lb/> den Shakespeare durch ihre Erwähnung andeuten wollte. Die Berührung<lb/> der Festläufer sollte Unfruchtbare heilen. Caesar's Gattin war kinderlos.<lb/> Der Imperator verneint des Brutus Frage, ob Calpurnia noch Mutter wer¬<lb/> den könne, und knüpft daran folgende edle Worte:</p><lb/> <cb type="start"/> <quote> Da steht der Venus Tempel, altersgrau,<lb/> Von der das Mische Geschlecht entstammt;<lb/> Sie haben dort mein Bildniß aufgestellt;<lb/> Das julische Gestirn auf meinem Haupt<lb/> Wird »och in ferne, ferne Zeiten leuchten,</quote> <cb/><lb/> <quote> Voll Glück und Frieden, voller Weltherrschaft<lb/> Doch nicht auf meine Kinder, meine Enkel.<lb/> Die Götter gleichen Alles aus; sie gaben<lb/> Mir jedes andre Glück mit vollen Händen,<lb/> Nur nicht das Köstlichste, ein liebes Kind.</quote> <cb type="end"/><lb/> <p xml:id="ID_829" next="#ID_830"> Wer sich erinnert, wie bereitwillig Caesar den Sohn der Cleopatra Caesarion<lb/> nennen ließ und als sein eigen Kind anerkannte, wird gewiß auch diesen<lb/> menschlichen Zug des Imperators historisch für beglaubigt halten. — Tritt<lb/> auf diese Weise die erhabene Einsamkeit des Imperators in besonders er¬<lb/> greifender Weise uns vor Augen, so hat Kruse andrerseits auch die Hybris<lb/> des Alleinherrschers treu nach der Geschichte in einem äußern Borgang aus¬<lb/> gedrückt. Als Antonius an der Spitze des Senates heranzieht, bleibt Caesar,<lb/> zu allgemeiner Entrüstung, sitzen. Es folgen nun Scenen, die bei Shakespeare,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0254]
Dagegen kommt als Erwiderung auf die Anklage aus Brutus' Mund ein
so wahres, warmes Urtheil über Caesar's staatsmännische Größe, wie sie im
ganzen Shakespeare nicht zu finden ist:
„Die Macht hat klug und milde er gebraucht.
Er hat den Staat, der tief zerrüttet war,
Von Grund aus neu geordnet."
In dieser durchaus selbständigen, freien und klaren Weise hat Kruse auch
den übrigen Theil des ersten Actes aufgebaut. Die Lupercalien sind ihm
keineswegs von der äußerlichen Bedeutung, wie Shakespeare. Er benützt sie.
um unmittelbar nach der Scene zwischen Brutus und Cassius den Antonius
in Weinlaune und als Herkules gekleidet zu den Freunden treten zu lassen,
um sie im Namen Caesar's zum Feste einzuladen. In vino veritÄS. Die
ernste patriotische Philosophie des Brutus und der bittere Weltschmerz des
Cassius wird aus dem weinseligen Munde des diplomatischen Feldherrn zur
Abwechslung der vorhergehenden Scene ironisch gestreift. Antonius zeigt sich
uns jedoch bald nachher auch im vollen Ernst der Staatsgeschäfte. Er, „der
erste Lustigmacher Roms", ist es, der Caesar vor Brutus und Cassius
warnt — er hat in seiner Weinlaune doch tiefer in ihr Herz geblickt, als sie
ahnten — er spricht über die Optimaten das klassische Wort:
„Die früher mächtigen Geschlechter werden
Dir nie verzeih'«, daß sie es nicht mehr sind.
Die Weltregierung war für sie ein gutes
Geschäft."
Die Lupercalien dienen dem Dichter aber auch zur Verfolgung des Gedankens,
den Shakespeare durch ihre Erwähnung andeuten wollte. Die Berührung
der Festläufer sollte Unfruchtbare heilen. Caesar's Gattin war kinderlos.
Der Imperator verneint des Brutus Frage, ob Calpurnia noch Mutter wer¬
den könne, und knüpft daran folgende edle Worte:
Da steht der Venus Tempel, altersgrau,
Von der das Mische Geschlecht entstammt;
Sie haben dort mein Bildniß aufgestellt;
Das julische Gestirn auf meinem Haupt
Wird »och in ferne, ferne Zeiten leuchten,
Voll Glück und Frieden, voller Weltherrschaft
Doch nicht auf meine Kinder, meine Enkel.
Die Götter gleichen Alles aus; sie gaben
Mir jedes andre Glück mit vollen Händen,
Nur nicht das Köstlichste, ein liebes Kind.
Wer sich erinnert, wie bereitwillig Caesar den Sohn der Cleopatra Caesarion
nennen ließ und als sein eigen Kind anerkannte, wird gewiß auch diesen
menschlichen Zug des Imperators historisch für beglaubigt halten. — Tritt
auf diese Weise die erhabene Einsamkeit des Imperators in besonders er¬
greifender Weise uns vor Augen, so hat Kruse andrerseits auch die Hybris
des Alleinherrschers treu nach der Geschichte in einem äußern Borgang aus¬
gedrückt. Als Antonius an der Spitze des Senates heranzieht, bleibt Caesar,
zu allgemeiner Entrüstung, sitzen. Es folgen nun Scenen, die bei Shakespeare,
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