Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.Mitten im Akte, noch vor der Leichenrede des Brutus erfährt Antonius bereits Vergleichen wir nun mit diesen, uns Allen geläufigen drei ersten Acten Brutus hat die geheimnißvollen Zettel bereits erhalten, als der erste Es geht auf Caesar. In dieser Stimmung trifft ihn Cassius, sein Schwager. Alles historische "In einem Staate, dessen Nuhm das Recht Das ist Cassius' Schmerz und der Grund zu seinem Haß gegen Caesar. "Was ward, was ward aus unsrer Republik? Und ebenso bedeutend ist das Wort des Cassius über Caesur's Popularitäts¬ [Beginn Spaltensatz] "Er wandelte den Weg der Gracchen, machte [Spaltenumbruch] Bis daß der Bodensatz sich oben fand:[Ende Spaltensatz] z.
Mitten im Akte, noch vor der Leichenrede des Brutus erfährt Antonius bereits Vergleichen wir nun mit diesen, uns Allen geläufigen drei ersten Acten Brutus hat die geheimnißvollen Zettel bereits erhalten, als der erste Es geht auf Caesar. In dieser Stimmung trifft ihn Cassius, sein Schwager. Alles historische „In einem Staate, dessen Nuhm das Recht Das ist Cassius' Schmerz und der Grund zu seinem Haß gegen Caesar. „Was ward, was ward aus unsrer Republik? Und ebenso bedeutend ist das Wort des Cassius über Caesur's Popularitäts¬ [Beginn Spaltensatz] »Er wandelte den Weg der Gracchen, machte [Spaltenumbruch] Bis daß der Bodensatz sich oben fand:[Ende Spaltensatz] z.
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Mitten im Akte, noch vor der Leichenrede des Brutus erfährt Antonius bereits
das Herannahen des Octavian!
Vergleichen wir nun mit diesen, uns Allen geläufigen drei ersten Acten
Shakespeare's dieselben Akte des „Brutus" von Heinrich Kruse, die nach der
Ansicht großer Recensenten dem Shakespeare abgelauscht sein sollen.
Brutus hat die geheimnißvollen Zettel bereits erhalten, als der erste
Act beginnt. Er ist dadurch gleich von Anfang an tiefer erregt und auf
die Pflichten seines Namens dringender hingewiesen, als bei Shakespeare.
Schon ehe er mit Cassius gesprochen, am Schlüsse der ersten Scene sagt er:
Es geht auf Caesar.
Die Stimmen, die von außen kommen, würden
Mich wenig kümmern, wenn sich nicht verwandte
Auch hier idie H-»it auf die Brust lencnd) vernehmen ließen.
In dieser Stimmung trifft ihn Cassius, sein Schwager. Alles historische
Detail ist hier meisterhaft ausgenützt, um der Scene, die bei Shakespeare so
groß ist, durch den markigen Entwurf der Charakterzüge der beiden „letzten
Römer" das treue Gepräge der Zeit, der Lage, der Wahrscheinlichkeit zu ge¬
ben. So wie bei Kruse, genau so, kann Cassius zu Brutus gesprochen
haben, als er das erste Samenkorn zur Mitthäterschaft an der großen Ver¬
schwörung in seine Seele legte. Selbst die feinen Nuancen der Charakteristik,
die von Shakespeare abweichen, sind historisch, beglaubigt. Cassius lebte
bis dahin in Zwietracht mit Brutus. Der Schwager und Freund war
von Caesar mit der Prätur bedacht, die Cassius, der Aeltere von Beiden,
der Parthenfleger, selbst für sich ambirt hatte. Aber Caesar's Herz hatte
Brutus vorgezogen. Denn Alles ordnet der Mann jetzt nach seiner Willkühr:
„In einem Staate, dessen Nuhm das Recht
Und ehr'ne Strenge der Gesetze war."
Das ist Cassius' Schmerz und der Grund zu seinem Haß gegen Caesar.
Er weist auf den Nerv der großen Staatsfrage, auf die wundeste Stelle seines
Innern zugleich in einem einzigen Worte, durch welches Kruse in feinster
Weise das lateinische lies xublieg. in der Bedeutung, in der es durch
Caesar in Frage gestellt war, auch im Deutschen zur Anschauung bringt:
„Was ward, was ward aus unsrer Republik?
Die Republik! Es ist ein heil'ges Wort.
Ich schaudere vor Ehrfurcht, wenn ich es
Ausspreche; ach, und jetzt so tief entweiht!
Wir haben keine Republik mehr."
Und ebenso bedeutend ist das Wort des Cassius über Caesur's Popularitäts¬
taktik und Machtmittel:
»Er wandelte den Weg der Gracchen, machte
Den Pöbel zu dem Hebel seiner Große,
Er rüttelte den Staat uns um und um,
Bis daß der Bodensatz sich oben fand:
Der Schaum ist mit der Hefe nah verwandt!"
z.
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