Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.hindurch ganze Abtheilungen der wissenschaftlichen Beschäftigung und einzelne Schon ein Blick in das Personenverzeichniß des "Brutus" belehrt uns, ") Gegenwart v. ü. Jan. 1875. ") Nummer vom 20. Februar.
hindurch ganze Abtheilungen der wissenschaftlichen Beschäftigung und einzelne Schon ein Blick in das Personenverzeichniß des „Brutus" belehrt uns, ") Gegenwart v. ü. Jan. 1875. ") Nummer vom 20. Februar.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0250" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133538"/> <p xml:id="ID_811" prev="#ID_810"> hindurch ganze Abtheilungen der wissenschaftlichen Beschäftigung und einzelne<lb/> Fragen verderben". Und das sei „um so beschämender für die Wissenschaft<lb/> oder richtiger gesprochen für den menschlichen Verstand, als die Thatsachen so<lb/> außerordentlich klar und unzweifelhaft liegen und die Erklärung bei nicht<lb/> fast muthwilliger Aufgebung jedes gesunden Urtheiles nur zwischen wenigen<lb/> Möglichkeiten schwanken kann." An diese scharfen Worte wird man unwill¬<lb/> kürlich erinnert, wenn man einen Theil der Urtheile liest, die schon setzt über<lb/> Kruse's Brutus gefällt worden sind. Selten ist das Bekenntniß des gänz¬<lb/> lichen Mangels eigener Denkanstrengung und Prüfung so unumwunden ab¬<lb/> gelegt worden, wie bei dieser Gelegenheit. Ausnahmen von dieser traurigen<lb/> Regel treten um so rühmlicher hervor; unter ihnen selbstverständlich Karl<lb/> Frenzel und in der Hauptsache auch Paul Lindau. Aber für manche Andere<lb/> war die Versuchung hier wohlfeil abzusprechen, zu groß, um ihr widerstehen<lb/> zu können. Wie, raisonirten sie, Kruse will den Shakespeare corrigiren? Er<lb/> wagt in seinen sechs Zeilen Vorrede zum „Brutus" zu verkünden, daß er sich<lb/> durch den Geist des Shakespeare nicht bedrückt fühle, wie weiland Antonius<lb/> in Gegenwart Caesar's. Unerhört! Auch hatte Paul Lindau, der mit seiner<lb/> raschen geistreichen Arbeit für eine Unzahl flacher Köpfe der Magister gewor¬<lb/> den ist, auf dessen Worte geschworen wird, ohne weitere eigene Anstrengung<lb/> als zum Schwören vonnöthen, das unbedachte Wort gesprochen*), daß Kruse<lb/> die Anführung des Testaments in der Leichenrede des Antonius nicht den<lb/> Quellen, sondern dem Shakespeare entnommen habe. Und sofort war auf<lb/> der ganzen Linie seiner Nachbeter die Anklage des Plagiats wider Kruse fer¬<lb/> tig ; selbstverständlich ganz besonders geistvoll begründet im Feuilleton des<lb/> „Hamburger Korrespondenten", vermuthlich aus derselben verständigen Feder,<lb/> die später ihr vernichtendes Urtheil über die „Amerikanischen Humoristen" des<lb/> Grunow'schen Verlags aussprach, aus ebenso triftigen Gründen, wie über<lb/> das „Plagiat" Kruse's. Der Dichter des „Brutus" selbst hat in der „Gegen¬<lb/> wart" Lindau's diese albernen Beschuldigungen wenige Wochen später*") so<lb/> kräftig abgestraft, daß in dieser Richtung jedes weitere Wort der Widerlegung<lb/> überflüssig erscheint. Unsere Leser, bei denen die genaue Kenntniß des Julius<lb/> Caesar Shakespeare's vorauszusetzen ist. werden schon aus einer flüchtigen<lb/> Einführung in den Gang der Handlung bei Kruse erkennen, wie völlig selb¬<lb/> ständig der deutsche Dichter seinen Stoff behandelt und beherrscht hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_812" next="#ID_813"> Schon ein Blick in das Personenverzeichniß des „Brutus" belehrt uns,<lb/> wie streng sich Kruse auf die dramatische Aufgabe beschränkte, die er zu lösen<lb/> hatte. Es fehlen bei ihm von den bei Shakespeare aufgeführten Personen:</p><lb/> <note xml:id="FID_32" place="foot"> ") Gegenwart v. ü. Jan. 1875.</note><lb/> <note xml:id="FID_33" place="foot"> ") Nummer vom 20. Februar.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0250]
hindurch ganze Abtheilungen der wissenschaftlichen Beschäftigung und einzelne
Fragen verderben". Und das sei „um so beschämender für die Wissenschaft
oder richtiger gesprochen für den menschlichen Verstand, als die Thatsachen so
außerordentlich klar und unzweifelhaft liegen und die Erklärung bei nicht
fast muthwilliger Aufgebung jedes gesunden Urtheiles nur zwischen wenigen
Möglichkeiten schwanken kann." An diese scharfen Worte wird man unwill¬
kürlich erinnert, wenn man einen Theil der Urtheile liest, die schon setzt über
Kruse's Brutus gefällt worden sind. Selten ist das Bekenntniß des gänz¬
lichen Mangels eigener Denkanstrengung und Prüfung so unumwunden ab¬
gelegt worden, wie bei dieser Gelegenheit. Ausnahmen von dieser traurigen
Regel treten um so rühmlicher hervor; unter ihnen selbstverständlich Karl
Frenzel und in der Hauptsache auch Paul Lindau. Aber für manche Andere
war die Versuchung hier wohlfeil abzusprechen, zu groß, um ihr widerstehen
zu können. Wie, raisonirten sie, Kruse will den Shakespeare corrigiren? Er
wagt in seinen sechs Zeilen Vorrede zum „Brutus" zu verkünden, daß er sich
durch den Geist des Shakespeare nicht bedrückt fühle, wie weiland Antonius
in Gegenwart Caesar's. Unerhört! Auch hatte Paul Lindau, der mit seiner
raschen geistreichen Arbeit für eine Unzahl flacher Köpfe der Magister gewor¬
den ist, auf dessen Worte geschworen wird, ohne weitere eigene Anstrengung
als zum Schwören vonnöthen, das unbedachte Wort gesprochen*), daß Kruse
die Anführung des Testaments in der Leichenrede des Antonius nicht den
Quellen, sondern dem Shakespeare entnommen habe. Und sofort war auf
der ganzen Linie seiner Nachbeter die Anklage des Plagiats wider Kruse fer¬
tig ; selbstverständlich ganz besonders geistvoll begründet im Feuilleton des
„Hamburger Korrespondenten", vermuthlich aus derselben verständigen Feder,
die später ihr vernichtendes Urtheil über die „Amerikanischen Humoristen" des
Grunow'schen Verlags aussprach, aus ebenso triftigen Gründen, wie über
das „Plagiat" Kruse's. Der Dichter des „Brutus" selbst hat in der „Gegen¬
wart" Lindau's diese albernen Beschuldigungen wenige Wochen später*") so
kräftig abgestraft, daß in dieser Richtung jedes weitere Wort der Widerlegung
überflüssig erscheint. Unsere Leser, bei denen die genaue Kenntniß des Julius
Caesar Shakespeare's vorauszusetzen ist. werden schon aus einer flüchtigen
Einführung in den Gang der Handlung bei Kruse erkennen, wie völlig selb¬
ständig der deutsche Dichter seinen Stoff behandelt und beherrscht hat.
Schon ein Blick in das Personenverzeichniß des „Brutus" belehrt uns,
wie streng sich Kruse auf die dramatische Aufgabe beschränkte, die er zu lösen
hatte. Es fehlen bei ihm von den bei Shakespeare aufgeführten Personen:
") Gegenwart v. ü. Jan. 1875.
") Nummer vom 20. Februar.
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