Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.soviel seiner Eigenthümlichkeit nachsehen- die rein englische Auffassung und Die tragische Idee dieses Stückes Geschichte aber ist der Irrwahn der Kräftig und großartig prägt sich diese tragische Idee aus schon in den soviel seiner Eigenthümlichkeit nachsehen- die rein englische Auffassung und Die tragische Idee dieses Stückes Geschichte aber ist der Irrwahn der Kräftig und großartig prägt sich diese tragische Idee aus schon in den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0247" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133535"/> <p xml:id="ID_803" prev="#ID_802"> soviel seiner Eigenthümlichkeit nachsehen- die rein englische Auffassung und<lb/> Darstellung der römischen Plebs und der römischen Welt überhaupt; die völlig<lb/> unrömische Dialektik bei Senatoren, Verschworenen, Caesarianern u. s. w.,<lb/> die sich unterhalten, wie die Cavaliere der jungfräulichen englischen Königin.<lb/> Die Abweichung von der historischen Wahrheit bleibt bei aller Nachsicht immer<lb/> sehr fühlbar und schadet dem dramatischen Effect, weil die tragische Idee ge¬<lb/> rade dieser geschichtlichen Katastrophe dadurch verdunkelt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_804"> Die tragische Idee dieses Stückes Geschichte aber ist der Irrwahn der<lb/> Verschworenen, daß der größte und gewaltigste Geist, den die römische Welt<lb/> hervorgebracht habe, gemordet werden müsse, weil das Recht und die Frei¬<lb/> heit des Volkes dadurch allein gerettet werden könne; auf daß nicht länger der<lb/> Liebling der Soldaten, sondern der Wille des Volkes Rom beherrsche. Und<lb/> die tragische Vergeltung besteht in der Erfahrung und dem Schicksal der<lb/> Mörder. Sie werden nach der Blutthat zuerst von dem, durch demagogische<lb/> Talente aufgereizten süßen Pöbel der Hauptstadt vertrieben, von demselben<lb/> Pöbel, für dessen Recht sie mordeten; dann gezwungen zu ihrer Selbsterhal¬<lb/> tung alle dem ermordeten Caesar so hoch angerechneten Untugenden sich an¬<lb/> zueignen. Namentlich müssen sie, an der Spitze eines in Betreff seiner ver¬<lb/> fassungsrechtlichen Legitimation keineswegs zweifellosen Heeres, im Bürger¬<lb/> kriege, ihre Ansprüche und Ideen verfechten, gerade wie Caesar; nur mit weit<lb/> weniger Glück und Talent. Und als Heerführer im Bürgerkriege, keineswegs<lb/> auf der heimischen Schwelle im befriedeten, befreiten Rom, ereilt die beiden<lb/> vornehmsten Verschworenen der Tod. Statt der freien Republik, auf deren<lb/> Altar der größte Staatsmann und Feldherr der antiken, vielleicht auch der<lb/> modernen Welt geopfert wurde, steigt aus der Ebene von Philippi empor<lb/> das erbliche Kaiserthum der römischen Monarchie.</p><lb/> <p xml:id="ID_805" next="#ID_806"> Kräftig und großartig prägt sich diese tragische Idee aus schon in den<lb/> historischen Quellen, ohne Zuthun des Dichters. Gerade die letzten Lebens¬<lb/> jahre Caesar's, seine Regierungsjahre im eigentlichsten Sinne des Wortes,<lb/> zeigen die fast übermenschliche Größe des Imperators in den reinsten Umrissen.<lb/> Welche persönliche Milde und Mäßigung im Vergleich zu den früheren und<lb/> folgenden Dictatoren, die als Sieger aus inneren Wirren hervorgingen. Welche<lb/> Hingebung an die Erfüllung staatlicher Pflichten und bedeutsamster Zukunfts¬<lb/> pläne! Es ist kein Zufall, daß das Antlitz des Staatsmannes, das von den<lb/> Zeitgenossen in früheren Jahren als „zu voll" geschildert wird, unter dieser<lb/> colossalen Arbeitslast bleich und mager wurde; daß ihm die Erlaubniß, den<lb/> Lorbeerkranz immer zu tragen erwünscht kam, um die zunehmende Glatze zu<lb/> bedecken. Jeder der Plane, die Caesar sich für das Ende seiner Lebenstage<lb/> vorbehalten hatte, mit deren Ausführung er vier Tage nach jenen Iden des<lb/> März beginnen wollte, die seinem Leben ein Ziel setzten, regt in uns die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0247]
soviel seiner Eigenthümlichkeit nachsehen- die rein englische Auffassung und
Darstellung der römischen Plebs und der römischen Welt überhaupt; die völlig
unrömische Dialektik bei Senatoren, Verschworenen, Caesarianern u. s. w.,
die sich unterhalten, wie die Cavaliere der jungfräulichen englischen Königin.
Die Abweichung von der historischen Wahrheit bleibt bei aller Nachsicht immer
sehr fühlbar und schadet dem dramatischen Effect, weil die tragische Idee ge¬
rade dieser geschichtlichen Katastrophe dadurch verdunkelt wird.
Die tragische Idee dieses Stückes Geschichte aber ist der Irrwahn der
Verschworenen, daß der größte und gewaltigste Geist, den die römische Welt
hervorgebracht habe, gemordet werden müsse, weil das Recht und die Frei¬
heit des Volkes dadurch allein gerettet werden könne; auf daß nicht länger der
Liebling der Soldaten, sondern der Wille des Volkes Rom beherrsche. Und
die tragische Vergeltung besteht in der Erfahrung und dem Schicksal der
Mörder. Sie werden nach der Blutthat zuerst von dem, durch demagogische
Talente aufgereizten süßen Pöbel der Hauptstadt vertrieben, von demselben
Pöbel, für dessen Recht sie mordeten; dann gezwungen zu ihrer Selbsterhal¬
tung alle dem ermordeten Caesar so hoch angerechneten Untugenden sich an¬
zueignen. Namentlich müssen sie, an der Spitze eines in Betreff seiner ver¬
fassungsrechtlichen Legitimation keineswegs zweifellosen Heeres, im Bürger¬
kriege, ihre Ansprüche und Ideen verfechten, gerade wie Caesar; nur mit weit
weniger Glück und Talent. Und als Heerführer im Bürgerkriege, keineswegs
auf der heimischen Schwelle im befriedeten, befreiten Rom, ereilt die beiden
vornehmsten Verschworenen der Tod. Statt der freien Republik, auf deren
Altar der größte Staatsmann und Feldherr der antiken, vielleicht auch der
modernen Welt geopfert wurde, steigt aus der Ebene von Philippi empor
das erbliche Kaiserthum der römischen Monarchie.
Kräftig und großartig prägt sich diese tragische Idee aus schon in den
historischen Quellen, ohne Zuthun des Dichters. Gerade die letzten Lebens¬
jahre Caesar's, seine Regierungsjahre im eigentlichsten Sinne des Wortes,
zeigen die fast übermenschliche Größe des Imperators in den reinsten Umrissen.
Welche persönliche Milde und Mäßigung im Vergleich zu den früheren und
folgenden Dictatoren, die als Sieger aus inneren Wirren hervorgingen. Welche
Hingebung an die Erfüllung staatlicher Pflichten und bedeutsamster Zukunfts¬
pläne! Es ist kein Zufall, daß das Antlitz des Staatsmannes, das von den
Zeitgenossen in früheren Jahren als „zu voll" geschildert wird, unter dieser
colossalen Arbeitslast bleich und mager wurde; daß ihm die Erlaubniß, den
Lorbeerkranz immer zu tragen erwünscht kam, um die zunehmende Glatze zu
bedecken. Jeder der Plane, die Caesar sich für das Ende seiner Lebenstage
vorbehalten hatte, mit deren Ausführung er vier Tage nach jenen Iden des
März beginnen wollte, die seinem Leben ein Ziel setzten, regt in uns die
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