Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.riß, welches die Brüder umgiebt, schien auch nicht allein die Ursache des ver¬ Ich dachte dann, die Apostel des neuen Evangeliums würden rührige riß, welches die Brüder umgiebt, schien auch nicht allein die Ursache des ver¬ Ich dachte dann, die Apostel des neuen Evangeliums würden rührige <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133504"/> <p xml:id="ID_703" prev="#ID_702"> riß, welches die Brüder umgiebt, schien auch nicht allein die Ursache des ver¬<lb/> hältnißmäßig großen Zulaufs zu sein, da wir Freimaurerlogen genug haben,<lb/> die das Bedürfniß mancher Menschen nach Mysterien befriedigen. Ferner<lb/> waren es, wenn die Kreise der Brüderschaft sich rasch füllten, an sich auch<lb/> die Titel und Würden nicht, welche eitler Strebsamkeit in den Logen und<lb/> Lagern der „Närrischen Kerle" winken; denn auch dafür sorgte die Masonei<lb/> je nach ihrem System, in drei bis drei und dreißig Graden. Der Firlefanz<lb/> und Krimskrams der Symbole, der Schnickschnack und Hocuspocus der Ce¬<lb/> remonien bet Aufnahmen und Beförderungen thaten es endlich wohl auch<lb/> nicht, wenn die Tempel der Genossenschaft sich schnell mehrten; denn die Mau¬<lb/> rerwelt nahm sich in dieser Beziehung ursprünglicher, echter, inhaltreicher und<lb/> würdiger aus.</p><lb/> <p xml:id="ID_704" next="#ID_705"> Ich dachte dann, die Apostel des neuen Evangeliums würden rührige<lb/> Werber sein, die, wie man zu sagen Pflegt, „sich auf den Rummel verstün¬<lb/> den." Ich dachte ferner daran, daß das Licht und jene Titel und Würden<lb/> bei den Ott Fellows wohlfeiler zu haben sein möchten, als bei den Jüngern<lb/> der „Königlichen Kunst". Ich erinnerte mich, daß diese ihre meisten Bau¬<lb/> hütten den Juden verschließt, während die Jünger Wildey's dieses strebsame<lb/> Element mit offnen Armen willkommen heißen und, wie man nach den Na¬<lb/> men des ersten und des zweiten Groß-Sire der deutschen Ott Fellows viel¬<lb/> leicht schließen darf, sogar zu ihrem Regenten erküren. Endlich aber ließ sich<lb/> die Sache als Begräbnißkasse, als Sparbüchse, als Versicherungsanstalt für<lb/> schlimme Tage auffassen, und bei diesen vier Lösungen des Räthsels gedenke<lb/> ich zu verbleiben und mich nicht auf die Redensarten der Herren Groß und<lb/> Pniower einzulassen, nach denen die Versicherungsanstalt „kaum ein Zehntheil<lb/> der Absichten und Zwecke" der Ott Fellowship wäre, der Bund vielmehr da¬<lb/> rin seine Hauptberechtigung hätte, daß er „zur Verbesserung und Erhebung<lb/> des menschlichen Charakters" beitragen wolle, daß er „eine Gesellschaft zur<lb/> geistigen und moralischen Vervollkommnung" sei. Dazu ist die Kirche —<lb/> meinethalben auch die Synagoge — die Wissenschaft, die Kunst, dazu ist vor<lb/> allem der Staat geschaffen. Von jenen Redensarten aber sage ich für den<lb/> Verständigen nichts Neues, wenn ich bemerke: man kennt dergleichen. Man<lb/> weiß, wie spottbillig in allen Geheimbünden die Phrase von höheren Zwecken<lb/> zu haben ist. Man weiß, daß es leeres Echauffement, hohle Salbung, fauler<lb/> Zauber, im günstigsten Falle vorübergehende Selbsttäuschung ist, wenn die<lb/> Herren mit schwellendem Brustton ihre hundertmal lahmgerittenen und wieder<lb/> aufgezäumten Rodomontaden von Bruderliebe, Menschheitsveredlung und was<lb/> weiß ich sonst noch in die Versammlung hineindonnern, daß die Fenster vor<lb/> Verwunderung klirren. Man findet es fast natürlich, wenn sie, nachdem der<lb/> Wortschwall ausgedonnert oder schmachtend ausgelispelt — manche nämlich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0216]
riß, welches die Brüder umgiebt, schien auch nicht allein die Ursache des ver¬
hältnißmäßig großen Zulaufs zu sein, da wir Freimaurerlogen genug haben,
die das Bedürfniß mancher Menschen nach Mysterien befriedigen. Ferner
waren es, wenn die Kreise der Brüderschaft sich rasch füllten, an sich auch
die Titel und Würden nicht, welche eitler Strebsamkeit in den Logen und
Lagern der „Närrischen Kerle" winken; denn auch dafür sorgte die Masonei
je nach ihrem System, in drei bis drei und dreißig Graden. Der Firlefanz
und Krimskrams der Symbole, der Schnickschnack und Hocuspocus der Ce¬
remonien bet Aufnahmen und Beförderungen thaten es endlich wohl auch
nicht, wenn die Tempel der Genossenschaft sich schnell mehrten; denn die Mau¬
rerwelt nahm sich in dieser Beziehung ursprünglicher, echter, inhaltreicher und
würdiger aus.
Ich dachte dann, die Apostel des neuen Evangeliums würden rührige
Werber sein, die, wie man zu sagen Pflegt, „sich auf den Rummel verstün¬
den." Ich dachte ferner daran, daß das Licht und jene Titel und Würden
bei den Ott Fellows wohlfeiler zu haben sein möchten, als bei den Jüngern
der „Königlichen Kunst". Ich erinnerte mich, daß diese ihre meisten Bau¬
hütten den Juden verschließt, während die Jünger Wildey's dieses strebsame
Element mit offnen Armen willkommen heißen und, wie man nach den Na¬
men des ersten und des zweiten Groß-Sire der deutschen Ott Fellows viel¬
leicht schließen darf, sogar zu ihrem Regenten erküren. Endlich aber ließ sich
die Sache als Begräbnißkasse, als Sparbüchse, als Versicherungsanstalt für
schlimme Tage auffassen, und bei diesen vier Lösungen des Räthsels gedenke
ich zu verbleiben und mich nicht auf die Redensarten der Herren Groß und
Pniower einzulassen, nach denen die Versicherungsanstalt „kaum ein Zehntheil
der Absichten und Zwecke" der Ott Fellowship wäre, der Bund vielmehr da¬
rin seine Hauptberechtigung hätte, daß er „zur Verbesserung und Erhebung
des menschlichen Charakters" beitragen wolle, daß er „eine Gesellschaft zur
geistigen und moralischen Vervollkommnung" sei. Dazu ist die Kirche —
meinethalben auch die Synagoge — die Wissenschaft, die Kunst, dazu ist vor
allem der Staat geschaffen. Von jenen Redensarten aber sage ich für den
Verständigen nichts Neues, wenn ich bemerke: man kennt dergleichen. Man
weiß, wie spottbillig in allen Geheimbünden die Phrase von höheren Zwecken
zu haben ist. Man weiß, daß es leeres Echauffement, hohle Salbung, fauler
Zauber, im günstigsten Falle vorübergehende Selbsttäuschung ist, wenn die
Herren mit schwellendem Brustton ihre hundertmal lahmgerittenen und wieder
aufgezäumten Rodomontaden von Bruderliebe, Menschheitsveredlung und was
weiß ich sonst noch in die Versammlung hineindonnern, daß die Fenster vor
Verwunderung klirren. Man findet es fast natürlich, wenn sie, nachdem der
Wortschwall ausgedonnert oder schmachtend ausgelispelt — manche nämlich
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