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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Wiederholte Aufforderungen -- das klingt gewissenhaft. Urkundliche
Beweise -- es geht nichts über die Gründlichkeit. Gänzlich ungereimt --
wie entschieden, wie streng, fast hart gegen den Irrthum von Freunden! Das
erfreut, und beinahe möchte ich noch einmal für einen Augenblick bereuen, die
Herren "Närrische Kerle" genannt zu haben, und lieber sagen: "Sonder¬
bare Brüder!"

Roma, loeuw est, und so begeben wir uns -- zögernd; denn die Mythe
ist poetischer als die Geschichte -- gehorsam auf das Gebiet der Thatsachen.

Auch hier ist es anfangs noch dunkel genug um unsere Quellen herum.
Nach Pniöwer-Gross werden Ott Fellows zuerst von de Foe. dem Verfasser
des Robinson Crusoe, erwähnt, und der Orden könnte somit schon zu Anfang
des vorigen Jahrhunderts bestanden haben. Einen sicherern Anhalt finden wir
in dem "Gentlemans Magazine" für 1745, wo von der Loge der Ott Fellows
als von einem Orte die Rede ist, an dem man sich recht gemüthlich befinde.
Noch bestimmter weist auf das Vorhandensein einer Ott Fellow-Loge der Um¬
stand hin, daß der Dichter Montgommery 1788 für eine Gesellschaft in Lon¬
don ein Lied schrieb. welches in seinen Anfangsworten das Motto: "IrutK,
^rienäsnip, I^ope" enthielt, das noch jetzt die Parole des Ordens in England
und Amerika bildet.

Die Mitglieder des Ordens gehörten damals den unteren Volksschichten
an: sie waren Arbeiter und kleine Handwerker. Zweck ihrer Vereinigung war,
wie es scheint, im Wesentlichen gegenseitige Unterstützung, namentlich in
Krankheiten, bei Begräbnissen und bei der Versorgung von Wittwen und
Waisen, und diesen Zweck verfolgten sie, gleich der einige Zeit vorher aus den
Ausläufern mittelalterlicher Bauhütten hervorgegangenen Freimaurerei, im Ge¬
heimen und unter gewissen Ceremonien, die eine Umbildung des masonischen
Rituals waren. Dazwischen oder erst am Schlüsse -- nach Herrn Pniower
ist das zweifelhaft -- wurde tapfer getrunken. Politische Tendenzen scheinen
die alten Brüder nicht gehabt zu haben, während die Freimaurer damals
allerdings die Politik in ihrem Bereiche duldeten, wenn es auch ein Irrthum
wäre, mit Herrn Pniower zu meinen, daß "der geniale, schlaue Cromwell,
um seine selbstischen Zwecke damit zu fördern, dem Orden der Freimaurer seine
jetzige Gestalt gegeben" habe, der letztere vielmehr in jener Zeit der jacobiti-
schen Verschwörung diente.

Die Ott Fellows des achtzehnten Jahrhunderts waren also eine Gesell¬
schaft zu wechselseitiger Hülfe bei Unglücksfällen, die bei geschlossenen Thüren
tagte, sich dabei mit einigem phantastischen Brimborium und hochtönenden
Titeln wohlthat und -- last, !>ut not I"äst -- die Feierlichkeit der Loge
mit dem würzte, was wir heutzutage eine "feste Kneiperei" zu nennen
Pflegen.


Wiederholte Aufforderungen — das klingt gewissenhaft. Urkundliche
Beweise — es geht nichts über die Gründlichkeit. Gänzlich ungereimt —
wie entschieden, wie streng, fast hart gegen den Irrthum von Freunden! Das
erfreut, und beinahe möchte ich noch einmal für einen Augenblick bereuen, die
Herren „Närrische Kerle" genannt zu haben, und lieber sagen: „Sonder¬
bare Brüder!"

Roma, loeuw est, und so begeben wir uns — zögernd; denn die Mythe
ist poetischer als die Geschichte — gehorsam auf das Gebiet der Thatsachen.

Auch hier ist es anfangs noch dunkel genug um unsere Quellen herum.
Nach Pniöwer-Gross werden Ott Fellows zuerst von de Foe. dem Verfasser
des Robinson Crusoe, erwähnt, und der Orden könnte somit schon zu Anfang
des vorigen Jahrhunderts bestanden haben. Einen sicherern Anhalt finden wir
in dem „Gentlemans Magazine" für 1745, wo von der Loge der Ott Fellows
als von einem Orte die Rede ist, an dem man sich recht gemüthlich befinde.
Noch bestimmter weist auf das Vorhandensein einer Ott Fellow-Loge der Um¬
stand hin, daß der Dichter Montgommery 1788 für eine Gesellschaft in Lon¬
don ein Lied schrieb. welches in seinen Anfangsworten das Motto: „IrutK,
^rienäsnip, I^ope" enthielt, das noch jetzt die Parole des Ordens in England
und Amerika bildet.

Die Mitglieder des Ordens gehörten damals den unteren Volksschichten
an: sie waren Arbeiter und kleine Handwerker. Zweck ihrer Vereinigung war,
wie es scheint, im Wesentlichen gegenseitige Unterstützung, namentlich in
Krankheiten, bei Begräbnissen und bei der Versorgung von Wittwen und
Waisen, und diesen Zweck verfolgten sie, gleich der einige Zeit vorher aus den
Ausläufern mittelalterlicher Bauhütten hervorgegangenen Freimaurerei, im Ge¬
heimen und unter gewissen Ceremonien, die eine Umbildung des masonischen
Rituals waren. Dazwischen oder erst am Schlüsse — nach Herrn Pniower
ist das zweifelhaft — wurde tapfer getrunken. Politische Tendenzen scheinen
die alten Brüder nicht gehabt zu haben, während die Freimaurer damals
allerdings die Politik in ihrem Bereiche duldeten, wenn es auch ein Irrthum
wäre, mit Herrn Pniower zu meinen, daß „der geniale, schlaue Cromwell,
um seine selbstischen Zwecke damit zu fördern, dem Orden der Freimaurer seine
jetzige Gestalt gegeben" habe, der letztere vielmehr in jener Zeit der jacobiti-
schen Verschwörung diente.

Die Ott Fellows des achtzehnten Jahrhunderts waren also eine Gesell¬
schaft zu wechselseitiger Hülfe bei Unglücksfällen, die bei geschlossenen Thüren
tagte, sich dabei mit einigem phantastischen Brimborium und hochtönenden
Titeln wohlthat und — last, !>ut not I«äst — die Feierlichkeit der Loge
mit dem würzte, was wir heutzutage eine „feste Kneiperei" zu nennen
Pflegen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/211>, abgerufen am 06.02.2025.