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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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liegt die Gefahr besonders nahe, in ihrer Selbstliebe auszuarten und schonungs¬
los gegen andere zu handeln; um so mehr müssen sich solche Naturen des
Edelsinns befleißigen, selbst wenn ihr Gefühl fern vom Wohlthun, fern von
Liebe bleibt, mögen sie sich wenn auch nur mechanisch daran gewöhnen,
Menschenpflichten den Nächsten gegenüber zu üben. Diese mechanische Uebung
wird immer noch besser sein als gar keine und wird vor gänzlicher Erstarrung
in kaltem Egoismus schützen, ja sogar oft einen Rückschlag auf das Herz
machen und, wenn nicht mehr, wenigstens einen Himmel voller Seligkeit, der
im Herzen wohnen könnte, ahnen lassen. Unser geliebter Orden aber bietet
in seinen Logen einem jeden Bruder die Stätte und die Gelegenheit, sein Herz
im Gutesthun, im Edelsinn zu üben" u. s. w.

Wenn es dießmal ein anderes Erstaunen war, als das, welches sich
meiner beim Durchlesen des ersten Artikels bemächtigt hatte, so erholte ich
mich auch davon genügend, um das Blatt weiter studiren zu können. Ich
begegnete Logen-Nachrichten, aus denen hervorging, daß der Orden in Berlin
mehrere Logen hatte, daß Dresden, Mannheim und Ulm ebenfalls mit solchen
Instituten gesegnet waren, daß manche Brüder titelsüchtig sein müssen und
sich selbst auf Briefadressen gern die Ehre ihrer Würde im Orden geben lassen
und daß die Ott Fellows sich in Berlin bei Gelegenheit eines Tempelhaus
gezankt haben und jetzt denunciren, wobei ich mich fragte, ob dieß vielleicht
in Erinnerung an obigen "erhabenen Tempel" geschehen sei, "auf dessen Al¬
tären die hehren Flammen wahrer reiner Menschenliebe genährt werden."
Ferner fand ich eine Mittheilung, nach welcher man den Orden in Oesterreich
nicht haben zu wollen scheint, einen Ausfall auf die "Gartenlaube", die den Ott
Fellows durch einen Artikel nicht gerecht geworden sein sollte, den schaden¬
frohen Abdruck eines Aufsatzes in der "Bauhütte", der den Freimaurern der
Großloge "Zu den drei Weltkugeln" den Text laß. weil sie keine Juden unter
sich dulden mögen, und sie dafür mit dem Titel ..Maurerische Dunkelmänner"
züchtigte, eine Darstellung des Rituals der Patriotic Ott Fellows, aus dem
ich zum Schluß einen Auszug geben werde, verschiedene Notizen über Reisen
des "Ex-Groß Stre F. S. Ostheim" und des "hochwürdigsten Groß-Sire
Br. Bernheim", Logengründungen, Ordenszeitschriften u. tgi. und zum Schluß
eine Tabelle, welche die regelmäßigen Sitzungen sämmtlicher dermalen in Deutsch¬
land und der Schweiz bestehenden Ott Fellowlogen enthielt.

Ich hatte jetzt genug Material, um im Großen und Ganzen zu wissen,
was der Kern meines Geheimnisses war. Die Ott Fellows -- so sagte ich
mir etwas verstimmt -- sind ein Abklatsch der Freimaurerei mit einigen
Veränderungen, Weglassungen und Zuthaten, die aber keine Verbesserung ein¬
zuschließen scheinen. Ich hätte vielleicht weitere Erkundigungen unterlassen
können. Indeß, wißbegierig, wie ich nun einmal in solchen Dingen bin, war


liegt die Gefahr besonders nahe, in ihrer Selbstliebe auszuarten und schonungs¬
los gegen andere zu handeln; um so mehr müssen sich solche Naturen des
Edelsinns befleißigen, selbst wenn ihr Gefühl fern vom Wohlthun, fern von
Liebe bleibt, mögen sie sich wenn auch nur mechanisch daran gewöhnen,
Menschenpflichten den Nächsten gegenüber zu üben. Diese mechanische Uebung
wird immer noch besser sein als gar keine und wird vor gänzlicher Erstarrung
in kaltem Egoismus schützen, ja sogar oft einen Rückschlag auf das Herz
machen und, wenn nicht mehr, wenigstens einen Himmel voller Seligkeit, der
im Herzen wohnen könnte, ahnen lassen. Unser geliebter Orden aber bietet
in seinen Logen einem jeden Bruder die Stätte und die Gelegenheit, sein Herz
im Gutesthun, im Edelsinn zu üben" u. s. w.

Wenn es dießmal ein anderes Erstaunen war, als das, welches sich
meiner beim Durchlesen des ersten Artikels bemächtigt hatte, so erholte ich
mich auch davon genügend, um das Blatt weiter studiren zu können. Ich
begegnete Logen-Nachrichten, aus denen hervorging, daß der Orden in Berlin
mehrere Logen hatte, daß Dresden, Mannheim und Ulm ebenfalls mit solchen
Instituten gesegnet waren, daß manche Brüder titelsüchtig sein müssen und
sich selbst auf Briefadressen gern die Ehre ihrer Würde im Orden geben lassen
und daß die Ott Fellows sich in Berlin bei Gelegenheit eines Tempelhaus
gezankt haben und jetzt denunciren, wobei ich mich fragte, ob dieß vielleicht
in Erinnerung an obigen „erhabenen Tempel" geschehen sei, „auf dessen Al¬
tären die hehren Flammen wahrer reiner Menschenliebe genährt werden."
Ferner fand ich eine Mittheilung, nach welcher man den Orden in Oesterreich
nicht haben zu wollen scheint, einen Ausfall auf die „Gartenlaube", die den Ott
Fellows durch einen Artikel nicht gerecht geworden sein sollte, den schaden¬
frohen Abdruck eines Aufsatzes in der „Bauhütte", der den Freimaurern der
Großloge „Zu den drei Weltkugeln" den Text laß. weil sie keine Juden unter
sich dulden mögen, und sie dafür mit dem Titel ..Maurerische Dunkelmänner"
züchtigte, eine Darstellung des Rituals der Patriotic Ott Fellows, aus dem
ich zum Schluß einen Auszug geben werde, verschiedene Notizen über Reisen
des „Ex-Groß Stre F. S. Ostheim" und des „hochwürdigsten Groß-Sire
Br. Bernheim", Logengründungen, Ordenszeitschriften u. tgi. und zum Schluß
eine Tabelle, welche die regelmäßigen Sitzungen sämmtlicher dermalen in Deutsch¬
land und der Schweiz bestehenden Ott Fellowlogen enthielt.

Ich hatte jetzt genug Material, um im Großen und Ganzen zu wissen,
was der Kern meines Geheimnisses war. Die Ott Fellows — so sagte ich
mir etwas verstimmt — sind ein Abklatsch der Freimaurerei mit einigen
Veränderungen, Weglassungen und Zuthaten, die aber keine Verbesserung ein¬
zuschließen scheinen. Ich hätte vielleicht weitere Erkundigungen unterlassen
können. Indeß, wißbegierig, wie ich nun einmal in solchen Dingen bin, war


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[0208] liegt die Gefahr besonders nahe, in ihrer Selbstliebe auszuarten und schonungs¬ los gegen andere zu handeln; um so mehr müssen sich solche Naturen des Edelsinns befleißigen, selbst wenn ihr Gefühl fern vom Wohlthun, fern von Liebe bleibt, mögen sie sich wenn auch nur mechanisch daran gewöhnen, Menschenpflichten den Nächsten gegenüber zu üben. Diese mechanische Uebung wird immer noch besser sein als gar keine und wird vor gänzlicher Erstarrung in kaltem Egoismus schützen, ja sogar oft einen Rückschlag auf das Herz machen und, wenn nicht mehr, wenigstens einen Himmel voller Seligkeit, der im Herzen wohnen könnte, ahnen lassen. Unser geliebter Orden aber bietet in seinen Logen einem jeden Bruder die Stätte und die Gelegenheit, sein Herz im Gutesthun, im Edelsinn zu üben" u. s. w. Wenn es dießmal ein anderes Erstaunen war, als das, welches sich meiner beim Durchlesen des ersten Artikels bemächtigt hatte, so erholte ich mich auch davon genügend, um das Blatt weiter studiren zu können. Ich begegnete Logen-Nachrichten, aus denen hervorging, daß der Orden in Berlin mehrere Logen hatte, daß Dresden, Mannheim und Ulm ebenfalls mit solchen Instituten gesegnet waren, daß manche Brüder titelsüchtig sein müssen und sich selbst auf Briefadressen gern die Ehre ihrer Würde im Orden geben lassen und daß die Ott Fellows sich in Berlin bei Gelegenheit eines Tempelhaus gezankt haben und jetzt denunciren, wobei ich mich fragte, ob dieß vielleicht in Erinnerung an obigen „erhabenen Tempel" geschehen sei, „auf dessen Al¬ tären die hehren Flammen wahrer reiner Menschenliebe genährt werden." Ferner fand ich eine Mittheilung, nach welcher man den Orden in Oesterreich nicht haben zu wollen scheint, einen Ausfall auf die „Gartenlaube", die den Ott Fellows durch einen Artikel nicht gerecht geworden sein sollte, den schaden¬ frohen Abdruck eines Aufsatzes in der „Bauhütte", der den Freimaurern der Großloge „Zu den drei Weltkugeln" den Text laß. weil sie keine Juden unter sich dulden mögen, und sie dafür mit dem Titel ..Maurerische Dunkelmänner" züchtigte, eine Darstellung des Rituals der Patriotic Ott Fellows, aus dem ich zum Schluß einen Auszug geben werde, verschiedene Notizen über Reisen des „Ex-Groß Stre F. S. Ostheim" und des „hochwürdigsten Groß-Sire Br. Bernheim", Logengründungen, Ordenszeitschriften u. tgi. und zum Schluß eine Tabelle, welche die regelmäßigen Sitzungen sämmtlicher dermalen in Deutsch¬ land und der Schweiz bestehenden Ott Fellowlogen enthielt. Ich hatte jetzt genug Material, um im Großen und Ganzen zu wissen, was der Kern meines Geheimnisses war. Die Ott Fellows — so sagte ich mir etwas verstimmt — sind ein Abklatsch der Freimaurerei mit einigen Veränderungen, Weglassungen und Zuthaten, die aber keine Verbesserung ein¬ zuschließen scheinen. Ich hätte vielleicht weitere Erkundigungen unterlassen können. Indeß, wißbegierig, wie ich nun einmal in solchen Dingen bin, war

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/208>, abgerufen am 06.02.2025.